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Sonnenstürme: Wie sie entstehen und was sie auslösen können

In der Nacht vom 11. Mai ließen die Polarlichter den Himmel fast weltweit in einer wunderschönen Farbpracht erstrahlen. In Deutschland ist das ein äußert ungewöhnliches Spektakel, denn normalerweise ist Aurora borealis nur in nördlichen Regionen wie Island oder Skandinavien zu sehen. Doch wie entsteht die himmlische Farbpracht der Polarlichter? Wie hängen sie mit Sonnenstürmen zusammen? Und ab wann sind diese Sonnenplasma-Eruptionen eine Gefahr für die Menschheit?
THE, 16.05.2024
Künstlerische Darstellung eines geomagnetischen Sturms
Massstablose Darstellung eines geomagnetischen Sturms.

© NASA

Rosa, grüne und lila Schlieren, die den Nachthimmel über dem Süden von Deutschland zu einem ergreifenden Spektakel erleuchten lassen. Derartige Polarlichtshows erblickt man normalerweise nur hoch im Norden, in Island oder Grönland. Doch der für diese Leuchtphänomene verantwortliche Sonnensturm, der die Erde in der Nacht von Freitag auf Samstag traf, war laut NASA der extremste seit über 20 Jahren. Das letzte derartige Spektakel fand 2003, in Folge eines ähnlich intensiven Sonnensturms, statt.

Woher kommen Sonnenstürme?   

Dass unser Stern zurzeit besonders aktiv ist und immer wieder gewaltige Ausbrüche von glühendem Plasma und energiereicher Strahlung durchlebt, ist kein Zufall. Denn die Sonne durchläuft einen rund elfjährigen Zyklus, in dem Phasen geringer und hoher Sonnenaktivität aufeinanderfolgen. Ausgelöst werden die Sonnenstürme dabei durch ein komplexes Zusammenspiel des solaren Magnetfelds mit Plasmaströmungen im Sonneninnern und an ihrer Oberfläche. „Das Magnetfeld der Sonne ist viel komplexer und dynamischer als das Magnetfeld der Erde“, erklärt Sami Solankivom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung.

Typische Anzeiger für eine hohe Sonnenaktivität sind die dunklen Sonnenflecken, aus denen solaren Ausbrüche hervorgehen. Weil sich die Sonne gerade dem Maximum ihres aktuellen Sonnenzyklus nähert, bilden sich auf ihrer Oberfläche besonders viele solcher Flecken. Über ihnen wölben sich die Magnetfeldlinien weit aus der Sonnenoberfläche hinaus und ziehen wie gewaltige Schläuche große Mengen des Sonnenplasmas mit sich in die Höhe. Kommt es dort zu einem Kontakt – einer Art "Kurzschluss" der Magnetfeldlinien, kommt es zu einer Entladung und die Energie wird in Form von  Strahlung und weit ins All geschleudertem Sonnenplasma freigesetzt – einem Sonnensturm.

Koronaler Massenauswurf, 31.08.2012
Um die Magnetosphäre und die Ionosphäre unseres Planeten zu beeinflussen, muss ein koronaler Massenauswurf in Richtung Erde zielen. Glücklicherweise ist die Erde von der Sonne aus betrachtet nur so groß wie ein Stecknadelkopf aus 10 Meter Entfernung – kein einfaches Ziel.

© NASA Goddard Space Flight Center / CC BY 2.0

Warum erzeugt ein Sonnensturm Polarlichter?

Es sind genau diese Wolken aus schnellen, geladenen Plasmateilchen, die auf der Erde schimmernde Polarlichtshows auslösen. Diese werden während der koronalen Massenauswürfe mit mehreren tausend Kilometern pro Stunde in Richtung Erde geschleudert. Etwa einen Tag später treffen diese Sonnenstürme dann auf das Erdmagnetfeld. Zwar wirkt dieses wie ein Schutzschild gegen dieses Bombardement, doch vor allem in Polnähe ist dieser irdische Magnetfeldkäfig durchlässiger. Dort gelangen die solaren Teilchen trotzdem in die Atmosphäre.

„In niedrigeren geografischen Breiten schützt das Erdmagnetfeld stärker“, erklärt Solanki. „Es braucht schon einen wirklich starken Sonnensturm, damit man auch in Süddeutschland Polarlichter sieht.“ Aus diesem Grund entdeckt man die schimmernden Polarlichter auch eher nahe des Süd- oder Nordpols. Doch bei besonders starken Sonnenstürmen dringen die Teilchen des Sonnensturms auch außerhalb der Polargebiete tief in die Erdatmosphäre ein – so wie jetzt der Fall.

In der Atmosphäre stoßen die geladenen Teilchen des Sonnenplasmas mit den  Molekülen und Atomen der Erdatmosphäre, wie beispielsweise Sauerstoff und Stickstoff, zusammen und regen diese an. Wenn die Atome dann zurück in den Grundzustand fallen, geben sie zugeführte Energie als Licht wieder ab. Je nachdem, welches Element betroffen ist und wie „groß“ der Übergang zwischem angeregtem und des unangeregtem Zustands des Atoms ist, hat das ausgesendete Licht eine andere Lichtfarbe. So erzeugen angeregte Sauerstoffatome meist grünes und rotes, Stickstoff eher blaues und violettes Licht.

Aurora australis am 12. Mai 2024 bei Melbourne (Australien)
Die Polarlichter des Sonnensturms vom vergangenen Wochende sorgten weltweit für spektakuläre Himmelsbilder wie hier auf der Südhalbkugel bei Melbourne in Australien.

Die Gefahr der Sonnenstürme

Doch leider sind Sonnenstürme nicht nur der Auslöser von aufregenden Naturschauspielen. Der E influss des Sonnensturms auf das Erdmagnetfeld  kann auch GPS-Signale und den Flugzeugverkehr stören und hat teilweise sogar Stromausfälle zur Folge. So war es auch vor 20 Jahren beim letzten großen Sonnensturm: Damals folgten auf einen starken Sonnensturm und Polarlichter beispielsweise mehrstündige Blackouts in der schwedischen Stadt Malmö.

Der Grund für die Stromausfälle: Die vielen geladenen Teilchen, die auf die Erde fliegen, induzieren eine Spannung in Überland-Stromleitungen. Deshalb fließt teilweise mehr Strom von den betroffenen Stromleitungen in die angrenzenden Transformatoren – im äußersten Fall stoßen diese daraufhin an ihre Belastungsgrenze und die Stromversorgung der angrenzenden Gebiete fällt aus.

Blick aus der ISS auf Polarlicheffekte, 2011
Blick von der Internationalen Raumstation ISS während eines Sonnensturmes. Die Grüntöne stammen von der Interaktion geladener Partikel mit Sauerstoffatomen, die selteneren rötlichen Farben zeugen von energiearmen Aufeinandertreffen oder von Kollisionen mit Stickstoffatomen.

© NASA

Polarlichter spotten leicht gemacht

Ob die Sonnenaktivität tatsächlich Stromausfälle und Polarlichter verursacht, hängt aber nicht nur von Sonnenaktivität ab. „Im Gegenteil: Es kann auch bei niedriger Sonnenaktivität einen starken Ausbruch geben“, so Solanki. Allerdings kommt dies in solchen Ruhephasen seltener vor. Auch hänge das atmosphärische Leuchtphänomen stark davon ab, wie das mitgeführte Magnetfeld des Sonnenwinds zu dem der Erde ausgerichtet ist. „Dass uns etwas treffen wird, war zwar abzusehen. Dass es so heftig sein würde, konnte man nicht genau vorhersagen“, sagt Solanki. Ähnlichn schwierig sei es, vorherzusagen, ob und wie stark die Erde in den nächsten Wochen oder Monaten getroffen werden wird und ob Polarlichter in Deutschland nochmal zu sehen sein werden.

Doch sollten die Polarlichter noch mal in unseren Breiten erscheinen, gibt es einige Tipps für den eine gelungenen Polarlichterjagd: Am wichtigsten ist es, Orte mit wenig Lichtverschmutzung aufzusuchen. Denn wer nachts auf dem Alexanderplatz in Berlin in den Himmel blickt, erspäht zwar Lichter, aber diese sind eher elektronischer Natur und „blocken“ so die Sicht auf etwaige Polarlichter. Ansonsten benötigt man nur noch zwei weitere Zutaten zum Polarlicht-Spotting: einen wolkenlosen Himmel und eine ordentliche Portion Glück.

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