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Wer macht in der EU eigentlich was?

In rund einem Monat sind wir wieder dazu aufgefordert, das Europaparlament zu wählen. Doch was bedeutet das eigentlich? Wozu ist dieses Gremium gut? Auf EU-Ebene gibt es schließlich ziemlich viele verschiedene Institutionen, die zu allem Überfluss auch noch ähnliche Namen tragen. Wer macht also was in der EU? Und wie können wir die EU-Politik mit unserem Kreuzchen bei der Europawahl beeinflussen?
AMA, 03.05.2024
Flagge der Europäischen Gemeinschaft vor dem Eurotower in Frankfurt

© instamatics, iStock

Die Europäische Union (EU) besteht aus 27 Mitgliedstaaten und umfasst insgesamt rund 450 Millionen Einwohner. So viele verschiedene Interessen und Kulturen unter einen Hut zu bringen, ist gar nicht so einfach und erfordert ein ausgeklügeltes Netzwerk aus Institutionen und Entscheidungsträgern. Insgesamt besteht die EU deshalb aus sieben Organen, sieben Einrichtungen und über 30 Agenturen, die über das gesamte Unionsgebiet verstreut liegen.

Dieses bürokratische Chaos macht es für Außenstehende allerdings schwer, den Überblick zu behalten. Wir helfen daher mit einem kleinen „Who is who“ der Europäischen Union aus und stellen die vier bekanntesten beziehungsweise für die Gesetzgebung relevantesten Organe vor.

Die Europawahl bestimmt das Europaparlament

Wenn vom 6. bis 9. Juni alle volljährigen Europäer zur Wahlurne gebeten werden, dann wählen sie dort eines der EU-Organe– das Europäische Parlament oder umgangssprachlich auch Europaparlament. Genauso wie der deutsche Bundestag besteht es aus verschiedenen Fraktionen, in denen Abgeordnete mit entsprechender Parteizugehörigkeit sitzen. So gibt es zum Beispiel eine grüne und eine christdemokratische Fraktion, die sich aus grünen beziehungsweise konservativen Politikern der verschiedenen Mitgliedsstaaten zusammensetzt.

Insgesamt hat das Europaparlament rund 700 Abgeordnete. Wie viele Abgeordnete ein Land entsenden darf, hängt von dessen Größe ab. Ein Sitz im Europaparlament repräsentiert dabei im Durchschnitt 665.000 Einwohner, das Verhältnis variiert aber von Land zu Land. Ein deutscher EU-Parlamentarier entspricht beispielsweise rund 811.000 Einwohnern, ein Abgeordneter von Malta steht dagegen für nur rund 67.000 Malteser. Diese Ungleicheit wurde bewusst in Kauf genommen, damit kleinere Länder im Konzert der Großen nicht untergehen.

Auf dem Wahlzettel können wir allerdings keine konkreten Politiker ankreuzen, sondern uns lediglich für eine der Parteien unseres eigenen Landes entscheiden, in unserem Fall also zum Beispiel für die SPD oder die CDU. Im Vorfeld erstellt jede Partei eine Wahlliste mit Kandidaten. Je mehr Stimmen die Partei am Ende bekommt, desto mehr Personen von ihrer Liste dürfen am Ende tatsächlich ins Europaparlament einziehen.

Sobald jemand Europa-Abgeordneter ist, beschließt er dann zum Beispiel während Plenarsitzungen neue EU-Gesetze oder entscheidet über den Haushaltsplan – also darüber, wie viele EU-Gelder in welche Belange fließen sollen. Unser Kreuzchen auf dem Wahlzettel beeinflusst somit langfristig, wie unser Leben in der EU aussieht.

Räte über Räte

Neben dem Europaparlament gehören auch zwei Räte zu den wichtigsten Organen der Europäischen Union: der Europäische Rat und der Rat der Europäischen Union, beide nicht mit dem Europarat zu verwechseln, der nicht zu den EU-Institutionen zählt Die ähnlichen Namen machen ihre Unterscheidung nicht gerade leichter – vor allem weil die beiden Organe auch sonst ein paar Ähnlichkeiten besitzen. Zum Beispiel sind beide keine dauerhaften Institutionen wie das Europaparlament, das das ganze Jahr über besteht und Aufgaben erfüllt. Die Ratsmitglieder kommen nur anlässlich von Tagungen und Sitzungen zusammen und gehen danach wieder ihrer Wege. 

Im Falle des Europäischen Rates umfasst dieses Kommen und Gehen alle Staatsoberhäupter der EU-Mitgliedsstaaten. Tagt der Europäische Rat, dann sitzen also unter anderem Olaf Scholz, Emmanuel Macron und Viktor Orbán gemeinsam an einem Tisch. Bei solchen Gesprächen legt der Europäische Rat dann die allgemeine Ausrichtung der europäischen Politik fest: Wo liegen die Prioritäten? Welche Standpunkte vertritt die EU bei verschiedenen Streitthemen? Wie sollen die Außen- und Sicherheitspolitik gestaltet werden?

Beim Rat der Europäischen Union treffen sich statt der Staatschefs der verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten ihre Minister. Deutschland ist dann zum Beispiel je nach Thema durch Finanzminister Christian Lindner oder Wirtschaftsminister Robert Habeck vertreten. Bei ihren Tagungen beraten die Minister allerdings anders als die Staatsoberhäupter nicht über allgemeine Leitlinien, sondern stimmen über konkrete Gesetzesentwürfe ab.

Und da es je nach Gesetzesentwurf eine andere Fachkompetenz braucht, gibt es den Rat der Europäischen Union in zehn verschiedenen Konstellationen. Geht es zum Beispiel um Landwirtschaft, treffen sich alle Landwirtschaftsminister der EU-Mitgliedsstaaten. Geht es um Justizangelegenheiten, dann treffen sich die jeweiligen Justizminister.

Die Kommission als EU-Repräsentant

Das letzte große EU-Organ ist die EU-Kommission. Sie hat 27 Mitglieder und vertritt die Europäische Union nach außen – also zum Beispiel, wenn es darum geht, internationale Verträge auszuhandeln oder den Standpunkt der EU klarzumachen. Wer in der EU-Kommission sitzt, wird nach der Europawahl entschieden. Und das läuft so ab: Der Europäische Rat, also die Staatsoberhäupter der Mitgliedsstaaten, schlagen einen Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten vor. Aktuell hat diese Position Ursula von der Leyen inne. 

Um final zum Kommissionspräsidenten gewählt zu werden, braucht es nun noch die absolute Mehrheit des neu gewählten Europaparlaments. Steht ein Präsident fest, darf dieser sich sein Team zusammenstellen: ein Kommissar pro EU-Mitgliedsstaat, der vorher von seinem Land nominiert worden sein muss. Jeder Kommissar bekommt für seine Amtszeit einen bestimmten Themenbereich zugewiesen, zum Beispiel Wirtschaft, Justiz oder Energie. Ist diese Kommissar-Konstellation genehmigt, dann darf sie neben ihrer Funktion als EU-Repräsentant auch als einziges Organ Vorschläge für neue Gesetzesinitiativen einbringen.

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