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Frauen und Männer: Veränderte Geschlechterrollen

Typisch Mann und typisch Frau – gibt es das?

Obwohl Männer und Frauen heute in den meisten Industriestaaten rechtlich gleichgestellt sind, existieren in der Gesellschaft immer noch ganz bestimmte Vorstellungen darüber, was als typisch männlich und als typisch weiblich gilt.

So wird verstandesorientiertes Verhalten und Durchsetzungsvermögen häufig Männern zugeschrieben, während Frauen eher als gefühlsorientiert und passiv gelten. Stereotype wie diese werden bereits in der frühen Kindheit vermittelt und sind oft unbewusst.

Warum entwickelten sich unterschiedliche Geschlechterrollen?

Als Ursache werden häufig Gesellschaftsstrukturen mit einer männlichen Vorherrschaft genannt, deren Ursprünge bis in die Steinzeit zurückreichen: Als nomadisierende Jäger und Sammler sesshaft wurden, habe das bäuerliche Leben die Entstehung einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung gefördert. Dabei seien Männer vor allem für Krieg und Jagd, Frauen für häusliche Belange wie Kindererziehung und Nahrungszubereitung zuständig gewesen.

Ob es bereits bei den frühen Kulturen zu einer Aufwertung des männlichen und einer Abwertung des weiblichen Zuständigkeitsbereichs kam oder ob diese Tendenz erst seit dem bürgerlichen Familienideal im 19. und der erleichterten Hausarbeit (u. a. durch technischen Fortschritt und kleinere Familien) im 20. Jahrhundert eintrat, ist umstritten.

Wann entstand die politische Frauenbewegung?

Den Beginn der politischen Frauenbewegung und des Kampfes der Frauen um Gleichberechtigung markierte der Frauenrechtskongress im amerikanischen Seneca Falls 1848, der insbesondere das Wahlrecht für Frauen forderte. Rasch verbreiteten sich die Ideen des Kongresses in Europa.

In England spielte mit Beginn des 20. Jahrhunderts der »Soziale und Politische Frauenverein« eine bedeutende Rolle. Die in ihm organisierten sog. Suffragetten (vom lateinischen suffragium, »Stimmrecht«, abgeleitet) um die Gründerin Emmeline Pankhurst und ihre Töchter waren bereit, für das Frauenwahlrecht auch mit militanten Mitteln – Protesten und Hungerstreiks – zu kämpfen. In Deutschland war es der 1890 gegründete »Allgemeine Deutsche Lehrerinnenverein«, der die bürgerliche Frauenbewegung vorantrieb, indem er sich vor allem für die Zulassung von Frauen zum Studium einsetzte. Der 1905 gegründete »Bund für Mutterschutz und Sexualreform« trat u. a. für die Abschaffung des Abtreibungsparagrafen 218 ein.

Sind Frauen in Deutsch-land gleichberechtigt?

Ja, die Gleichberechtigung von Mann und Frau wurde 1949 im Grundgesetz verankert. Mit dem Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau aus dem Jahr 1958 verloren viele der Gesetze, die der Gleichberechtigung weiterhin entgegenstanden, endgültig ihre Geltung.

Die DDR-Verfassung von 1949 beinhaltete ebenfalls einen Gleichberechtigungsartikel. Gesetze, die dem widersprachen, wurden unmittelbar für nichtig erklärt. In Ergänzung des Gleichheitsgrundsatzes hat sich das vereinte Deutschland 1994 durch einen Verfassungszusatz dazu verpflichtet, »die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung« zu fördern und »auf die Beseitigung bestehender Nachteile« hinzuwirken.

Sind Frauen Männern wirklich gleichgestellt?

Die völlige Gleichstellung der Frau auf allen beruflichen und gesellschaftlichen Ebenen ist auch heute noch nicht erreicht. So werden Frauen für die gleiche Arbeit mitunter schlechter bezahlt als Männer und in Führungspositionen ist ihr Anteil wesentlich geringer als der der Männer, genauso in bestimmten technischen Berufen, die immer noch als »Männerberufe« gelten.

Auch in der modernen Ehe mangelt es noch häufig an einer echten Gleichberechtigung: In rd. 80 % aller deutschen Haushalte sind Frauen auch fürs Putzen und Kochen zuständig. Da heute mehr als 60 % aller Mütter erwerbstätig sind, bedeutet das in der Praxis für viele Frauen eine Doppelbelastung durch Haushalt und Beruf.

Umgekehrt sind im Familienrecht, insbesondere im Falle einer Scheidung bzw. Trennung, häufig die Männer benachteiligt. So steht nach § 1626a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bei unverheirateten Eltern der Mutter die alleinige elterliche Sorge für ihr Kind zu, wenn sie nicht einem gemeinsamen Sorgerecht zustimmt oder den Vater des Kindes heiratet. Auch viele geschiedene Väter beklagen, durch Gerichtsurteile aus der Vaterrolle gedrängt bzw. in einseitige Abhängigkeit von der Kooperationsbereitschaft ihrer Exfrau gebracht zu werden.

Was ist die »neue« Frauenbewegung?

Eine Frauenbewegung, die sich 1968 im Zuge der Studentenbewegung in Deutschland und anderen europäischen Staaten entwickelte. Sie legte einen Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit auf die Beziehung zwischen Mann und Frau und setzte sich u. a. dafür ein, Haushalt und Kindererziehung nicht länger allein den Frauen zu überlassen und Frauen davor zu schützen, als bloßes Sexualobjekt betrachtet zu werden.

Eine der wichtigsten deutschen Vertreterinnen ist die Journalistin Alice Schwarzer (*1942), die in den 1970er Jahren u. a. eine öffentliche Diskussion um die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in Gang setzte. Aus der Frauenbewegung sind zahlreiche Frauenselbsthilfegruppen und -projekte entstanden, die sich heute für die Belange der Frauen einsetzen.

Was sagen die Biologen zu »männlich« und »weiblich«?

Für Biologen sind die Unterschiede zwischen Mann und Frau schlicht eine zwingende Voraussetzung für die geschlechtliche Fortpflanzung und den Fortbestand des Lebens.

Nirgendwo im Tierreich ist das sexuelle Verhalten so unabhängig von der Fortpflanzung, und kaum ein Säugetier braucht für die Entwicklung zum »Erwachsenen« so lange wie der Mensch. Dadurch entstehen bestimmte Beziehungsmuster zwischen Mann und Frau, die auf Dauerhaftigkeit abzielen.

Dürfen Frauen heute überall wählen?

Nein, in Saudi-Arabien und im südostasiatischen Sultanat Brunei besitzen Frauen bis heute kein Wahlrecht; in Kuwait dürfen sie seit 2005 wählen. Nachdem in Neuseeland bereits 1893 das Frauenwahlrecht eingeführt worden war, folgte 1906 Finnland als erstes europäisches Land. In Deutschland dürfen Frauen seit 1918, in den USA seit 1920 wählen. In Großbritannien mussten die Frauen bis 1928 warten, in Frankreich sogar bis 1944. Als letzter europäischer Staat führte das Fürstentum Liechtenstein 1984 das Frauenwahlrecht ein. In der Schweiz besitzen Frauen zwar seit 1971 das Wahlrecht, doch im Halbkanton Appenzell-Innerrhoden wurde dieses Recht erst 1990 endgültig durchgesetzt.

Hat der Mann auch etwas von der Gleichberechtigung?

Gleichberechtigung bietet auch dem Mann erstmals die Chance auf eine individuelle Entwicklung jenseits starrer Rollenzuschreibungen. Die Erwerbstätigkeit von Frauen und die Verbesserung ihrer Bildungschancen haben seit Mitte des 20. Jahrhunderts zu einem tief greifenden Wandel der Familienstrukturen und des Rollenverständnisses von Männern und Frauen geführt.

Was ist eigentlich ...

eine Frauenquote? Ein angepeilter Richtwert für den Frauenanteil in Positionen, in denen Männer überrepräsentiert sind. Frauenquoten gibt es vor allem im öffentlichen Dienst und in der Politik.

eine Gleichstellungsbeauftragte? Eine Person, die dafür sorgt, Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen in der Kommune oder dem Unternehmen, in der sie tätig sind, zu beseitigen.

ein Frauenhaus? Eine Zufluchtsstätte für physisch oder psychisch misshandelte Frauen und ihre Kinder. Zum Schutz von Frauen vor Gewalt gibt es sie mittlerweile in den meisten Städten.

Gender Mainstreaming? Ein Konzept, das auf die Gleichstellung von Männern und Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft abzielt. Grundidee ist, dass das Ideal der Gleichstellung in allen Politikbereichen ein wichtiges Kriterium für Entscheidungen sein muss. Der Begriff wurde 1995 auf der UNO-Weltfrauenkonferenz geprägt.

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