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Michelangelos David: Die berühmteste Skulptur der Welt

Wann entstand die »David«-Statue?

Der »David« von Michelangelo Buonarroti, der sich selbst nur Michelangelo nannte, gilt als Hauptwerk in der frühen Schaffensphase des Künstlers. Am 5. Juni 1504 wurde auf der Piazza della Signoria eine fast 4,50 Meter hohe Kolossalplastik aufgestellt. Sie stellt den biblischen Helden David dar, der mit Intelligenz und Geschicklichkeit den Riesen Goliath besiegt. Der Transport zum endgültigen Aufstellungsort hatte aufgrund der Schwere der Marmorskulptur über fünf Tage gedauert; währenddessen war »David« von der Bevölkerung mit Steinen beworfen und beschädigt worden. Man vermutet, dass die Bewohner von Florenz Anstoß nahmen an der völligen Nacktheit des »David«, die bereits vorher für hitzige Diskussionen gesorgt hatte.

Wie löste man das Problem der Platzierung?

Ursprünglich war Michelangelo beauftragt worden, eine Davidstatue für einen der Chorpfeiler des Florentiner Domes zu fertigen. Die Nacktheit widersprach aber wohl dem geplanten Aufstellungsort in einem Sakralraum, so dass eine hochkarätige Kommission – der unter anderem Sandro Botticelli und Leonardo da Vinci angehörten – eingesetzt wurde, um eine neue Platzierung zu diskutieren. Man entschied sich für den Platz vor dem Palazzo Vecchio, dem Rathaus der Stadt. Damit unterlag die Davidstatue einem grundsätzlichen Funktionswandel: von der ursprünglich geplanten Aufstellung in einem Innenraum und in religiösem Zusammenhang zur Platzierung im öffentlichen Außenraum vor dem wichtigsten Regierungsbau der Republik mit deutlich (staats)politischer Zielsetzung.

Wie gestaltete Michelangelo die Figur?

In Anlehnung an antike Statuen wie etwa den Apoll vom Belvedere aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. schuf Michelangelo eine in Proportion und Haltung dem humanistischen Ideal entsprechende Figur. Sie verallgemeinert den biblischen Schafhirten David zu einem heroischen Menschen: Ruhe und Bewegung, Konzentration und Anspannung, Überlegtheit und Willenskraft kennzeichnen die Darstellung Davids, der versucht, den Gegner einzuschätzen und im richtigen Moment mit der richtigen Reaktion zu besiegen. Im Kontext der geplanten Aufstellung in einem Kirchenraum ist das Thema »David und Goliath« sinnfällig. Im öffentlichen Außenraum an einer stadtpolitisch prominenten Stelle vor dem Rathaus aber unterliegt der »David« einem völlig anderen Deutungs- und Funktionszusammenhang.

Wofür steht der »David«?

Zusammen mit dem »David« und der »Judith-Holofernes-Gruppe« von Donatello ist dieses Hauptwerk Michelangelos das wichtigste Sinnbild der Florentiner Kommune. Doch wenn der »David« Florenz verkörpert – wer ist dann der Riese Goliath? Bereits Zeitgenossen gaben die Antwort auf diese Frage: Der kleine, aber intelligente und schlagkräftige David aus Florenz behauptet sich gegen den römischen Goliath des Vatikans. Der »David« erhielt durch seinen Aufstellungsort im öffentlichen Außenraum eine unerhörte politische Prominenz. Bis heute wird er von Touristenströmen millionenfach besichtigt und fotografiert als »künstlerische Allegorie« der Stadt Florenz. Doch da die Auftraggeber den ursprünglichen Auftrag an Michelangelo so grundsätzlich veränderten, empfand der Künstler die Aufstellung vor dem Rathaus als persönliche Niederlage.

Welches Erlebnis hatte den Künstler enttäuscht?

1496 war Michelangelo nach Rom gegangen, wo er sich mit der im Vatikan eingerichteten Antikensammlung vertraut machte. Hier entstand seine erste wichtige Skulptur, die lebensgroße Figur des Weingottes Bacchus. Allerdings war der Auftraggeber, Kardinal Raffaello Riario, mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Die Arbeit kam in die Antikensammlung eines Bankiers. Was war geschehen?

Der Auftrag des Kardinals hatte von Michelangelo eine bewusste Antikenfälschung gefordert. Michelangelo machte das Motiv des Rausches, des Torkelns, zum Hauptaspekt seiner Arbeit. Die ideale antike Körperhaltung ging dadurch verloren. Jeder hätte sofort bemerkt, dass es sich nicht um eine antike römische Statue, sondern um eine zeitgenössische Interpretation des Bacchus handelte. Dieses Dilemma zwischen Tradition und Innovation, zwischen konkretem Auftrag und künstlerischer Umsetzung war letztlich auch der Grund, warum der »David« in Florenz nicht wie geplant im Florentiner Dom Aufstellung fand.

Wussten Sie, dass …

Michelangelo den »David« aus einem riesigen Marmorblock schuf, den ein anderer Bildhauer 40 Jahre zuvor vergeblich zu bearbeiten versucht hatte?

der Künstler hinter einem Sichtschutz arbeitete, um vor Fertigstellung niemandem einen Blick auf das Werk zu ermöglichen?

Welche Sorgen plagten Michelangelo trotz seines Erfolgs als Künstler?

Obwohl Michelangelo bereits zu Lebzeiten den Beinamen »Il Divino« (»Der Göttliche«) erhielt, war er eine gebrochene Persönlichkeit. Ständig quälten ihn Selbstzweifel über die Qualität seines künstlerischen Schaffens. Zeit seines Lebens war er zudem von Geldsorgen geplagt – ein trauriger Kontrast zur künstlerischen Größe des Jahrhundertgenies.

Geboren in Caprese, zog der Künstler schon als Kind mit seiner Familie nach Florenz, wo er Malerei und Bildhauerei lernte. Der Sturz der Medici trieb ihn zunächst nach Bologna, 1495 kehrte er aber in seine nun von Savonarola beherrschte Heimatstadt zurück. Spannungsreich war Michelangelos Beziehung zu Rom und den dortigen Päpsten. Mehrere große Aufträge gelangten nie zur Ausführung oder blieben Fragment. Auch die Medici waren trotz aller politischen Wirren bis zu Michelangelos Tod wichtige Auftraggeber. Michelangelo starb 1564 in Rom.

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