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Orwells 1984: Vision des totalitären Überwachungsstaates

Wie ist die dargestellte Welt strukturiert?

London 1984. Die Welt ist in die drei Supermächte Ozeanien, Eurasien und Ostasien aufgeteilt. Diese Staaten führen permanent Krieg gegeneinander, das wird zumindest erzählt. In Wirklichkeit handelt es sich um einen Scheinkrieg, der es den in ihrer Struktur und Ideologie identischen Pseudo-Weltmächten erlaubt, mangelnde Versorgung der Bevölkerung, Gewaltmaßnahmen gegen die Einwohner und andere Repressalien zu legitimieren.

Wer herrscht in dem Staat Ozeanien?

Ganz Ozeanien wird von der »Partei« beherrscht: Die Mitglieder der »inneren Partei« bilden die politische Führung, die der »äußeren Partei« stellen die Schicht der Intelligenz dar; daneben gibt es noch die »Proles«, das unmündige Volk. An der Spitze steht der »Große Bruder« (»Big Brother«), der gottähnlich verehrt wird. Seine Augen scheinen dem Betrachter überallhin zu folgen: »Big Brother is watching you.«

In jedem Zimmer, in jedem Treppenhaus, an jeder Ecke der Stadt sind »Teleschirme« installiert, die die Menschen mit politischen Parolen indoktrinieren, mit denen sie aber auch ununterbrochen überwacht werden können. Jede Intimsphäre ist dem Menschen geraubt.

Wie werden Bewusstsein und Sprache manipuliert?

Das unentwegte Eintrichtern von Leitsätzen gleicht einer Gehirnwäsche: »Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke.« Menschliche Grundwerte wie Freiheit und Gerechtigkeit, Wissen und Wahrheit werden vom Staat unbarmherzig bekämpft; der Propagandaapparat ist ganz darauf ausgerichtet, das individuelle Bewusstsein des Einzelnen zu zerstören. Dabei werden auch systematisch Geschichtsfälschung (das »Wahrheitsministerium« erfindet die Vergangenheit je nach Bedarf neu) und rigorose Sprachreglementierung betrieben: Mithilfe der bereinigten Staatssprache »Neusprech« soll jedes abweichlerische Denken bereits im Keim erstickt werden.

Gibt es Widerstand gegen das Überwachungssystem?

Ja: Im Zentrum des Romans steht Winston Smith, dessen Aufgabe als Angestellter des Wahrheitsministeriums es ist, das Zeitungsarchiv und damit die Geschichte im Sinne der Parteiwahrheit zu fälschen. Nach außen hin verhält sich Winston dem System gegenüber loyal; mit der Arbeit an einem Tagebuch, in dem er verlorene (also vom Staat geraubte) Erinnerungen an bessere Zeiten wiederzuerwecken versucht, begibt er sich aber in heimliche Opposition gegen das autoritäre System.

Mit Julia, die wie er ein Mitglied der »äußeren Partei« ist, beginnt Winston eine leidenschaftliche Liebesbeziehung: ein Kapitalverbrechen, denn Lust ist verboten, und Sexualität wird nur zum Zweck der Arterhaltung geduldet. Die heimlichen Treffen der beiden, in denen sie sich ihrer Lust hingeben, werden für sie zu einem rebellischen Akt.

Um etwas gegen die verhasste Partei zu unternehmen, versuchen die beiden, über einen Verbindungsmann namens O'Brien Anschluss an die Widerstandsbewegung Emmanuel Goldsteins zu bekommen. Doch eben dieser O'Brien entpuppt sich als Mitarbeiter der Gedankenpolizei und Goldstein als ein Konstrukt der Partei, mit dem sie die Aggressionen ihrer Mitglieder kanalisiert und kontrolliert. Winston wird verhaftet und durch Folter zum Verrat an Julia getrieben. Eine brutale Gehirnwäsche bricht seine Individualität, so dass er am Ende als linientreuer Bürger freigelassen wird.

Was inspirierte Orwells negative Utopie?

Orwell schrieb den Roman unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs. Viele Anspielungen auf die nationalsozialistische Diktatur, die stalinistische UdSSR und auch auf Demokratien wie England zeugen davon, dass er mit seiner Anti-Utopie sehr konkret auf Entwicklungen seiner Zeit Bezug nahm. »1984« ist als Warnung vor politischen Systemen zu verstehen, die eine umfassende Kontrolle, Beherrschung und damit Zerstörung des Individuums umzusetzen versuchen. Das Jahr 1984 ist vorbei und der totale Überwachungsstaat noch nicht Wirklichkeit geworden – in seiner Datierung hat sich Orwell geirrt.

Wussten Sie, dass …

Orwell sich bei seiner Hochzeit mit Eileen O'Shaughnessy im Jahr 1936 nicht einmal Trauringe leisten konnte?

der Roman »1984« auch Erfahrungen widerspiegelt, die Orwell bei seiner Arbeit für die BBC – damals dem Ministerium für Information unterstellt – machte?

der nach dem Autor benannte George-Orwell-Platz in Barcelona 24 Stunden am Tag von Kameras überwacht wird?

Konnte der Schriftsteller von seiner literarischen Arbeit leben?

Erst am Ende seines Lebens. 1903 als Sohn eines Kolonialbeamten in Indien geboren, kam Orwell 1904 mit seiner Mutter nach England. Als guter Schüler konnte er die Eliteschule in Eton besuchen. 1922 ging er zur Kolonialpolizei nach Burma.

Abgestoßen von deren Vorgehen gegen die Einwohner, kehrte Orwell 1927 nach England zurück, um Schriftsteller zu werden. Nur mit Unterstützung von Freunden konnte er sich die nächsten Jahre einigermaßen über Wasser halten. 1937 nahm er auf Seiten der linkskommunistischen POUM am Spanischen Bürgerkrieg teil. Im Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Kriegsberichterstatter für den englischen »Observer«.

Erst 1945 gelang Orwell mit dem Roman »Die Farm der Tiere« der literarische Durchbruch – wie das vier Jahre später erschienene »1984« eine zeitkritische Analyse in fiktionaler Verkleidung, hier als Tierfabel. 1950 starb der Schriftsteller an Tuberkulose.

Doppelsternsysteme wie CPD −29 2176 sind eine kosmische Besonderheit. Davon gibt es in der Milchstraße gegenwärtig wohl nur ein Dutzend. Und sie bereichern das All: etwa mit Gold und Platin. ©NOIRLab/NSF/AURA/J. da Silva/Spaceengine
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