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Brailleschrift: Lesen mit den Fingern

Blinde Menschen lesen und schreiben mithilfe der Brailleschrift. Das Zeichensystem aus sechs Punkten ist heute weltweit anerkannt und erleichtert Blinden den Alltag erheblich. Zu verdanken haben wir die praktische Schrift einem findigen Franzosen. Doch wie kam er auf seine Idee - und wie funktioniert die schriftliche Kommunikation über Punkte eigentlich? Wissenswertes zum Welt-Braille-Tag.
DAL, 04.01.2017

Das Braillesystem mit den sechs Punkten ist heute weltweit anerkannt und erleichtert Blinden den Alltag erheblich.

thinkstock.com, Thomas Northcut

Die aufgeschriebene Welt von Nachrichten, Gedichten und Geschichten erschließt sich für blinde Menschen über sechs Punkte: Kleine Erhebungen, die meist von hinten in das Papier gepresst sind und von den Fingern ertastet werden können - Erhebungen, die das Lesen auch ohne Augenlicht möglich machen. "Die Punktschrift ist für Blinde das wichtigste Medium für Information und Bildung, für berufliche Qualifikation und eine selbständige Lebensführung", sagt der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV).

Nahezu alle blinde Menschen auf der Welt können heute mithilfe der Blindenschrift auf Basis des Sechs-Punkte-Rasters miteinander kommunizieren - egal ob sie Deutsch, Arabisch, Griechisch oder Russisch sprechen. Denn die Schrift ist universal und übersetzt mit einigen Adaptionen fast jede der weltweit häufig geschriebenen Sprachen.

Nachrichtenübermittlung im Dunkeln

Dieses Porträt Louis Brailles basiert auf einer Daguerreotypie, die kurz nach seinem Tode aufgenommen wurde.

Historisch

Doch das war nicht immer so. Erst im Jahr 1878 wurde die sogenannte Brailleschrift zur international verbindlichen Blindenschrift erklärt - ihr Erfinder, Louis Braille, war damals schon tot. Der am 4. Januar 1809 geborene Franzose hatte sich das praktische Schriftsystem bereits als 16-jähriger Schüler ausgedacht. Selbst in jungen Jahren erblindet, grübelte er schon früh über eine brauchbare Schrift für Blinde nach.

Die entscheidende Inspiration brachte ihm ein Schriftsystem, an dem der französische Artilleriehauptmann Charles Barbier arbeitete: Es bestand aus elf punktförmigen Erhebungen und sollte Soldaten als "Nachtschrift" dienen, die die Nachrichtenübermittlung auch im Dunkeln ermöglichte. Braille erkannte schnell, dass das Lesen und Schreiben mithilfe von Höckern auf dem Papier jenseits des militärischen Einsatzes ein weitaus sinnvolleres Potenzial hatte, für den Gebrauch im Alltag jedoch vereinfacht werden musste.

Codetabelle für die deutsche Sprache

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Sechs Punkte, 64 Kombinationen

Er machte schließlich aus den elf Punkten sechs und erschuf auf diese Weise ein System, das 64 Punktkombinationen zulässt: Die Punkte werden in einem Grundraster von zwei senkrechten Reihen mit je drei Positionen angeordnet - ähnlich wie Eier in einem Eierkarton. Je nachdem, welche der sechs Positionen mit Erhebungen besetzt werden, ergeben sich unterschiedliche Buchstaben des Alphabets.

Um zu bestimmen, welche Punktkombination welchem Buchstaben entspricht, werden die sechs Positionen durchnummeriert: Links oben ist Punkt 1, darunter Punkt 2 und so weiter. Steht der Punkt oben links alleine ergibt sich beispielsweise ein "a", Punkt 1 und Punkt 2 ergeben ein "b". Zwischen Groß- und Kleinbuchstaben wird dabei nicht unterschieden.

Viel mehr als nur Buchstaben

In Sprachen, denen ein anderes Alphabet als das unsrige zugrunde liegt, werden die Schriftzeichen oft wie die Buchstaben geschrieben, denen sie vom Laut her am ähnlichsten sind. Manchmal ist die Bedeutung eines Zeichens je nach Sprache aber auch unterschiedlich.

Doch nicht nur Buchstaben und andere Schriftzeichen lassen sich mit den sechs Punkten schreiben - sondern auch Musiknoten, Strickmuster oder mathematische Formeln. So nutzt die Brailleschrift für die Zahlen eins bis null etwa die Buchstaben von "a" bis "j" - ein spezielles Zahlenzeichen gibt dabei an, dass es sich um eine Zahlen- und keine Buchstabenfolge handelt.

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