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Che Guevara

Am 9. Oktober 1967 starb Ernesto Che Guevara, 39 Jahre jung, nach einem kurzen, glühenden Leben. Als Kommandant der Rebellentruppen unter Fidel Castro war er eine treibende Kraft der Kubanischen Revolution. Er war Arzt, Guerillakämpfer in drei Ländern und zwei Kontinenten, Industrieminister und Chef der Kubanischen Nationalbank. Che Guevara wurde erschossen beim hoffnungslosen Versuch, in Bolivien eine Revolution nach kubanischem Vorbild durchzusetzen. Der Nachwelt hinterließ er ein berühmtes Foto – und einen Mythos.
von wissen.de-Autorin Monika Wittmann

Che Guevara
wissenmedia, Gütersloh
Leidenschaftlicher Kämpfer

„Romantischer Held“, „der vollkommenste Mensch unserer Zeit“ (Jean Paul Sartre) oder „Massenmörder“ – die Meinungen über den südamerikanischen Arzt und Revolutionär klaffen weit auseinander. Er habe „die Härte von Stahl mit der Zartheit einer Rose“ gepaart, befand Alberto Korda, Urheber jenes legendären Fotos, das Che mit entschlossenem Blick und wirren lockigen Haaren unter dem Barett mit dem Stern zeigt.

Seine Anhänger verehren vor allem die Kompromisslosigkeit seiner revolutionären Ideale. Ches Gerechtigkeitssinn habe so weit gereicht, dass er seinen Kaffee lieber stehen ließ als diesen ohne die „Compañeros“ zu trinken: „Si no hay café para todos, no habrá para nadie“ – „Gibt es nicht genug Kaffee für alle, gibt es Kaffee für keinen“, lautet ein vielzitierter Satz.

Che Guevaras Unbeugsamkeit, die Menschenopfer nicht scheute, ist es aber auch, die ihm von seinen Kritikern angekreidet wird. 1962 wurde nach der Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen durch die Sowjetunion auf Kuba ein dritter Weltkrieg nur knapp durch Einlenken der Sowjetunion verhindert. Nach der Kuba-Krise erklärte Che vor Journalisten, er persönlich hätte Atomraketen auf die USA abgefeuert, wenn die Sowjetunion dies zugelassen hätte.

 

Jugendjahre

Als einen, der auszog, das Abenteuer zu finden, charakterisiert ihn der langjährige Kampfgenosse und spätere Kritiker Fidel Castros, Huber Matos. Und Abenteuer suchte der junge Argentinier Ernesto Rafael Guevara de la Serna früh: Bereits als junger Mann reiste er trotz einer schweren Asthmaerkrankung per Motorrad quer durch Lateinamerika. Die soziale Ungerechtigkeit und das Elend der Bauern prägten den Sohn großbürgerlicher fortschrittlich-sozialliberal gesinnter Eltern dabei nachhaltig.

„Dieses ziellose Streifen durch unser riesiges Amerika hat mich stärker verändert als ich glaubte“, schrieb der ruhige, ernsthafte und zugleich charismatische Student der Medizin in sein später veröffentlichtes Tagebuch. Nach Studienabschluss brach er zu neuen Reisen auf. In Guatemala kam es zu einem Schlüsselerlebnis: Guevara erlebte mit, wie ein von den USA unterstützter Militärputsch die demokratisch gewählte sozialistische Regierung unter Präsident Jacobo Arbenz Guzmán stürzte.

 

Begegnung mit Fidel Castro

In Mexiko traf er den Exilkubaner Fidel Castro, der einen bewaffneten Kampf gegen die Diktatur in seinem Heimatland vorbereitete. „In einer jener kalten mexikanischen Nächte machte ich seine Bekanntschaft. Im Morgengrauen war ich Teil seiner Expedition“ beschrieb Ernesto die schicksalhafte Begegnung. Von den Kampfgefährten erhielt er auch seinen Beinamen „Che“, eine vielgebrauchte spanische Anrede, ähnlich wie „He!“ oder „Mann!“.

Am 25. November 1956 stach die Motoryacht „Granma“, zärtlich für Großmutter, Richtung Kuba in See. Mit an Bord: Che Guevara. Zunächst nur als Arzt. Doch als die Guerilleiros unmittelbar nach ihrer Landung in einen Kugelhagel gerieten, wurde Che zunehmend radikaler: „Wir lagen unter vollem Beschuss, und ich hatte eine Tasche mit Medikamenten und eine Kiste mit Munition vor mir. Ihr Gewicht machte es mir unmöglich, beide mitzunehmen. Ich nahm die Munitionskiste und ließ die Medikamententasche zurück.“

Rund zwei Jahre dauerte der bewaffnete Guerillakampf. Che erwies sich als talentierter Stratege und wurde schließlich zum zweiten „Comandante“ nach „El Jefe“ Fidel Castro ernannt. Ches Eroberung der Stadt Santa Clara machte schließlich den Weg in die Hauptstadt Havanna frei, der Diktator Fulgencio Batista floh aus dem Inselstaat.

 

Ches Rolle in der Revolutionsregierung

Beim Aufbau des neuen Kuba kam Che Guevara eine tragende Rolle zu. Als Oberaufseher der Gefangenenfestung La Cabaña ließ er Hunderte von tatsächlichen oder potentiellen Anhängern des Batista-Regimes hinrichten. Als Industrieminister und Leiter der Kubanischen Zentralbank leitete er die Verstaatlichung der Industrie ein. Ches Wirtschaftspolitik führte bald zu Versorgungsengpässen. Zunehmend enttäuschte der sowjetische Realsozialismus sein Idealbild vom „neuen Menschen“. Auch zwischen Fidel Castro und Che kam es zu Spannungen.

1965 hängte Che seine politischen Ämter an den Nagel und bestieg inkognito ein Schiff nach Afrika. Im Kongo sollte er seine Erfahrungen im Guerillakampf an die Rebellen unter Laurent Kabila weitergeben. Doch die kulturellen Differenzen waren zu groß: „Die Disziplinlosigkeit und die mangelnde Opferbereitschaft sind die herrschenden Merkmale dieser Guerilla. Natürlich lässt sich mit diesen Truppen kein Krieg gewinnen“, resignierte er.

 

Gefangennahme und Tod

So machte sich der Comandante aus Leidenschaft 1966 nach Bolivien auf, um dort die Erfolgsgeschichte der Kubanischen Revolution neu aufzulegen. Nach dem Vorbild der kommunistischen Viet-Cong-Rebellen "...zwei, drei viele Vietnams" zu schaffen, war sein erklärtes Ziel. Doch gelang es ihm nicht für seine Mission Unterstützung zu finden. Die Menschen auf dem Land sprachen meist Ketschua und standen den fremden Kämpfern misstrauisch gegenüber.

Abgeschieden in den Bergwäldern kämpfte der auf 17 Mann geschrumpfte Trupp auf verlorenem Posten. Am 8. Oktober 1967 nahmen Angehörige der CIA und der bolivianischen Armee Che Guevara gefangen. Nur einen Tag später wurde er ohne Gerichtsverhandlung erschossen. Seinem Leichnam schnitt man die Hände ab als Beweis für den Tod des Comandante. Erst 1997 wurden die Gebeine entdeckt und nach Kuba überführt.

Nicht nur dort wird der ewige Revolutionär bis heute als Volksheld gefeiert. Nahezu alle linksgerichteten Protestbewegungen in der westlichen Welt trugen sein Porträt als Banner voran. Der ausdrucksstarke Schnappschuss entstand übrigens während einer Trauerfeier am 5. März 1960 zum Gedenken an einige von vielen Opfern der Revolution. Tags zuvor war im Hafen von Havanna ein Frachtschiff voll Waffen und Munition explodiert.

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