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Erste Helfer erreichen Erdbeben-Gebiet

10. Oktober 2005. Das schwere Erdbeben in Südasien hat allein in Pakistan voraussichtlich mehr als 30.000 Menschen das Leben gekostet. Indiens Behörden meldeten 600 Tote. Der pakistanische Militärherrscher Pervez Musharraf bat um internationale Hilfe. Die Himalaja-Region gilt als erdbebengefährdet, weil hier der indische Subkontinent an die eurasische Landmasse stößt. 2001 wurde das Erdbeben im indischen Gujarat mit 20.000 Toten durch die gleiche tektonische Reibung ausgelöst.

Die US-Regierung sagte dem Land Hubschrauber zu, um Rettungs- und Bergungsteams in die bergigen Regionen nahe dem Epizentrum in Kaschmir zu bringen. Das Erdbeben der Stärke 7,6 hatte am Samstagmorgen den Norden Pakistans und Indiens sowie den Nordosten Afghanistans erschüttert. Zunächst war nur von 1000 Toten die Rede gewesen. Die Zahl der Opfer erhöhte sich Sonntag jedoch dramatisch, als erste Bergungskräfte in entlegenere Regionen vordrangen

22 Nachbeben
Am Sonntag gab es 22 Nachbeben mit Stärken bis 6,2. Ganze Dörfer wurden unter Gerölllawinen verschüttet. Die Erdstöße waren bis in die indische Hauptstadt Neu-Delhi zu spüren - 740 Kilometer vom Epizentrum entfernt.

Die größte Verwüstung entstand im pakistanisch kontrollierten Teil der zwischen Indien und Pakistan umstrittenen Region Kaschmir. In der Provinzhauptstadt Muzaffarabad mit 125.000 Einwohnern wurde am Sonntag mit 11.000 Toten gerechnet. Die Stadt wurde nach Militärangaben zu 70 Prozent zerstört.

Schlimmste Katastrophe seit Staatsgründung
Für Pakistan ist das Beben die schlimmste Naturkatastrophe seit der Gründung des Staates 1947. Die Folgen und der Wiederaufbau der zerstörten Regionen werden die Finanzkraft des armen Landes nach Ansicht von Beobachtern bei weitem überfordern. Dabei kommt das Beben in einer Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs in dem Land. Die pakistanische Volkswirtschaft war nach Angaben des Internationalen Währungsfonds 2004 um 7,1 Prozent gewachsen.

Der Schaden an Pakistans ökonomisch wichtiger Infrastruktur dürfte sich jedoch in Grenzen halten. Die Wirtschaftszentren wie Karatschi und Lahore waren kaum betroffen. Die Infrastruktur in den zerstörten Gebieten im Norden hat nach Ansicht des Wirtschaftswissenschaftlers und früheren Handelsministers Zubair Khan mehr militärische als ökonomische Bedeutung.

Test für die verfeindeten Staaten
Die Katastrophe dürfte auch zum Test für die Bereitschaft der verfeindeten Staaten Indien und Pakistan werden, die Hilfe auf beiden Seiten der Kaschmir-Grenzlinie zu koordinieren. Potenzielle Schwierigkeiten zeichneten sich bereits ab. So kündigte Musharraf zwar an, die Annahme von indischen Hilfsangeboten zu erwägen. Allerdings lehnte er den Einsatz von Hubschraubern der indischen Luftwaffe über dem militärisch sensiblen Gebiet ab.

Stattdessen setzt Musharraf auf die Hilfe von US-Präsident George W. Bush. Der sagte am Sonntagabend die Entsendung von Chinook-Hubschraubern zu, die in Afghanistan stationiert sind. Die Weltbank sagte Pakistan 20 Mio. Dollar zu. Die Europäische Kommission stellte 3,6 Mio.Euro für Medikamente, Notunterkünfte und Nahrungsmittel zur Verfügung. Das Auswärtige Amt in Berlin stellte am Sonntag Soforthilfe in Höhe von 1 Mio. Euro für Pakistan bereit. Das Technische Hilfswerk entsandte ein 15-köpfiges Bergungsteam.

Zerstörungen in der Hauptstadt
Auch in der 90 Kilometer vom Epizentrum entfernten pakistanischen Hauptstadt Islamabad richtete das Beben schwere Zerstörungen an. Beim Einsturz eines Hochhauskomplexes kamen mindestens 25 Menschen ums Leben. Im Nordwesten des Landes starben Hunderte Kinder beim Einsturz von Schulen.

Die Angaben der Behörden über die Zahl der Toten und Verletzten waren am Sonntag noch widersprüchlich. Pakistans Innenminister Ahmed Khan Sherpao bestätigte am Sonntag, dass 19.400 Menschen getötet und etwa 42.000 verletzt worden seien. Der Kommunikationsminister im pakistanischen Teil Kaschmirs, Tariq Farooq, sprach von 30.000 Toten in seiner Provinz.

© Financial Times Deutschland

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