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Fußballgeschichte: Schon die alten Ritter kickten den Ball

Heute muss sich die deutsche Mannschaft bei der Fußball-EM gegen Nordirland bewähren. Grund genug für uns, einmal zurück in die Geschichte zu blicken – ganz weit zurück. Denn schon im Mittelalter wurde mit Begeisterung gekickt, teilweise sogar in großen Massenturnieren. Zimperlich durfte man dabei allerdings nicht sein, denn oft endeten diese Spiele sogar in Massenraufereien. Ein Blick zurück zu den Anfängen des Fußballs.
NPO / Universität des Saarlandes, 15.06.2016

Das Shrovetide-Fußballspiel im mittelenglischen Ashbourne findet seit dem 12. Jahrhundert alljährlich an Faschingsdienstag und Aschermittwoch statt und leugnet seine Ursprünge nicht.
Wer glaubt, heute ginge es auf dem Spielfeld grob zu, der würde sich über den mittelalterlichen Fußball wundern: Das Spiel stand den damals allseits beliebten Steinschlachten und Faustkämpfen in nichts nach. Es kam ohne Spielfeld aus, Stadttore dienten als Tor. Fußball wird seit Jahrhunderten gespielt, das beweisen alte Quellen. In England und Italien war dieser Sport spätestens seit dem zwölften Jahrhundert weit verbreitet. In der Renaissance erhoben ihn die Medici-Fürsten zum Nationalspiel. Der Kulturhistoriker Wolfgang Behringer von der Universität des Saarlandes hat die Geschichte des Fußballs vom ersten Auftauchen in den Quellen bis heute erforscht.

Rätselhafte Fenstergitter

Warum sind an manch altem Gemäuer in englischen oder italienischen Altstädten die Fenster auch der oberen Stockwerke vergittert? Warum betrieb man in schwindelnder Höhe solch teuren Aufwand? Der Kulturhistoriker Wolfgang Behringer von der Universität des Saarlandes hat darauf eine einfache Antwort: "Fußball!" Die Bewohner der Häuser wollten damals ihre teuren Fenstergläser vor den harten Bällen schützen.

Denn Fußball ist weit älter, als man vielleicht vermuten würde. Zwar ist er keine antike olympische Disziplin. Aber in Chroniken, Briefwechseln, Tagebüchern, Memoiren finden sich Nachweise, die bis ins Mittelalter reichen. "Ballspiele waren damals generell sehr beliebt. Etwa das dem Volleyball ähnliche Pallone, das in Deutschland und Italien die populärste Sportart war", erklärt Behringer. "Der vielleicht älteste handfeste Nachweis für Fußball stammt aus dem Jahr 1137: Es handelt sich um einen Bericht vom Tod eines Jungen, der beim Fußballspiel in England starb."

Bis ins 19. Jahrhundert hinein standen sich bei solchen wilden, ungeregelten Fußballpartien oft ganze Stadtviertel oder Dörfer gegenüber.

Historische Illustration

Mit vollem Körpereinsatz

Ab dem Spätmittelalter waren England, Italien und Frankreich die Fußball-Hochburgen – gar nicht so anders als heute. Wer damals mitspielen wollte, musste allerdings einiges an Ausdauer mitbringen. Denn ein Spiel dauerte oft den ganzen Tag, von morgens bis zum Einbruch der Dunkelheit. Gespielt wurde in den Straßen des Orts oder vor der Stadtmauer, die Stadttore dienten dann als Tor. Das Spielfeld war dabei manchmal kilometerlang.

Und große Fußballturniere gab es auch bereits – sie fanden oft an Feiertagen statt, Faschingsdienstag und Aschermittwoch waren beispielsweise beleibte Termine. Die Zahl der Spieler war bei diesen Massenturnieren nicht begrenzt und man ging auch nicht zimperlich miteinander um.

„Mord und Totschlag waren verboten, sonst war der Körpereinsatz nicht groß beschränkt", erklärt der Historiker. "Massenraufereien, Unfälle, sogar Tote waren nicht selten – auch Blutrache nach solchen Vorfällen ist bekannt." Kein Wunder, dass der Fußball häufiger sogar komplett verboten wurde, zwischen 1314 und 1667 war das insgesamt 30 Mal der Fall.

Das traditionelle Calcio wird in Florenz heute noch gespielt, oft in historischen Gewändern.
Italien: Nationalsport schon im 15. Jahrhundert

Im Italien der Renaissance traten ganze Dörfer und Stadtviertel im Fußball gegeneinander an. "Die Medici erhoben das Spiel in Zeiten der Renaissance zu ihrem Markenzeichen, machten ihn in Florenz zum Nationalsport", erklärt Behringer. Gleichzeitig zivilisierten sie das Calcio genannte wilde Spiel ein wenig. Zwar immer noch recht grob, aber bereits mit genauen Regeln, versuchten die 27 Spieler einer Mannschaft das gegnerische Zelt-Tor zu treffen. Der Ball, so eine Quelle aus dem Jahr 1625, war bereits aus weißem Leder und mit Luft gefüllt.

"Ein Anlass, ein großes Turnier zu veranstalten, wurde bei jeder Gelegenheit wahrgenommen, etwa bei Staatsbesuchen, Hochzeiten oder an Festtagen", sagt Behringer. Im Winter wurde das Spiel kurzerhand aufs Eis verlegt – so geschehen 1491, als in Florenz der Arno zufror. "Ebene, nicht zugebaute Flächen ohne Wälder waren selten, da wurde die freie Eisfläche sofort zum Fußballplatz erklärt", erläutert er.

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