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Geschlechtsbestimmung im Ei

45 Millionen Küken werden in Deutschland jedes Jahr direkt nach dem Schlüpfen getötet: Weil sie männlich sind, stellen sie für Brütereien nur ein unerwünschtes Nebenprodukt bei der Legehennen-Zucht dar. Forscher aus Dresden und Leipzig arbeiten nun aber an einer Methode, mit der diese grausame Praxis bald der Vergangenheit angehören könnte. Das Ziel: Ab 2017 sollen erst gar keine ungewollten männlichen Küken mehr geboren werden.
DAL

Legehenne (Brown Leghorn)

Das Prinzip hinter der Idee klingt einfach: Wenn man schon lange vor dem Schlüpfen das Geschlecht der Küken bestimmen könnte, müssten Eier mit männlichen Embryos gar nicht erst ausgebrütet werden. Stattdessen könnten sie frühzeitig aussortiert und von der Industrie, zum Beispiel in der Futtermittelherstellung, weiter verwertet werden. Millionenfaches Kükenschreddern fiele auf diese Weise weg.

Methode gesucht

Mit welchen Analysemethoden das gelingen kann, testen Wissenschaftler zurzeit in einem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Verbundforschungsprojekt an den Universitäten Dresden und Leipzig. Die Aufgabenstellung für die beteiligten Forscher: Eine Methode entwickeln, mit der nicht nur das Geschlecht des Kükens sicher bestimmt werden kann, sondern die auch zu einem Zeitpunkt einsetzbar ist, an dem der Hühnerembryo noch kein Schmerzempfinden hat.

Um praktikabel zu sein, müsste das Verfahren zudem möglichst schnell, kostengünstig und präzise sein. Das Ministerium hat insgesamt bereits über zwei Millionen Euro in die Entwicklung dieser Forschung gesteckt. Und es sieht so aus, als hätte sich die Investition gelohnt. „Die vielleicht schwierigste Etappe, eine geeignete Methode zu finden, haben wir jetzt erreicht“, ließ Projektkoordinatorin Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns kürzlich anlässlich eines Besuchs von Bundesagrarminister Christian Schmidt verlauten.

Durchleuchtete Eier

Und so funktioniert die Geschlechtsdiagnose im Ei.

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

Als vielversprechendste Methode hat sich inzwischen ein spektroskopisches Verfahren herauskristallisiert – quasi eine Art Durchleuchtung der Eier. Damit könnten schon drei Tage lang bebrütete Eier getestet werden. Denn bereits nach dieser kurzen Zeit entwickeln sich kleine Blutgefäße, die sich für eine Geschlechtsbestimmung nutzen lassen. Der Schlüssel zur Diagnose ist die unterschiedliche Größe der Geschlechtschromosomen in den Blutzellen von männlichen und weiblichen Hühnern.

Um sie zu erkennen, bestrahlen die Forscher die Eier mit Licht aus dem nahinfraroten Bereich. Durch die Analyse des an den Blutzellen gestreuten Lichts mit einem Spezial-Mikroskop können sie dann erkennen, ob ein kleineres oder ein größeres Geschlechtschromosom vorhanden ist. So können sie das Geschlecht bestimmen. Für diese Analyse muss lediglich mit einem Laser ein winziges Loch in die Eierschale geschnitten werden, das anschließend wieder verschlossen wird.

Vom Laborversuch zur Praxis

Es geht nun noch darum, das Verfahren praxistauglich zu machen. Bis Ende 2016 wollen die Experten einen Geräte-Prototyp entwickeln, der automatisch das Geschlecht der Eier bestimmen und diese entsprechend sortieren kann. Im Idealfall könnte dieser Prozess dann in unter zehn Sekunden ablaufen – momentan dauert er noch etwa 15 bis 20 Sekunden pro Ei.

Parallel führen die Wissenschaftler Langzeit-Brutuntersuchungen durch. Sie wollen sicherstellen, dass die geschlüpften Küken keine Schäden durch den Eingriff in das Ei davontragen. Wenn das Vorhaben wie geplant gelingt, könnte das Töten von Eintagsküken in Deutschland schon bald ein Ende haben.

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