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Immer mehr Singles: Droht eine Knappheit auf dem Partnermarkt?

Der Frühling ist die Zeit des Neuanfangs – und auch der Frühlingsgefühle. Aber was, wenn sich kein Partner finden will? Und warum nimmt die Zahl der Singles bei uns immer weiter zu? Ein Heidelberger Forscher hat die Ursachen dafür genauer untersucht – mit teilweise erstaunlichen Ergebnissen.
MAH

Auch bei jungen Menschen nimmt die Zahl der unfreiwilligen Singles weiter zu.

AntonioGuillem / thinkstock

Langzeitstudie gibt Aufschluss

Singles werden immer mehr - das mussten Wissenschaftler in den vergangenen Jahrzehnten feststellen. Ein Grund für den Heidelberger Soziologen Jan Eckhard sich mit der Frage nach dem „Warum“ zu beschäftigen. Er untersuchte daher gesellschaftliche Faktoren, die das Singledasein erklären könnten.

Hierfür nutzte er Deutschlands größte und längste Langzeitstudie, das Sozio-ökonomische Panel (SOEP). Tausende Deutsche werden dafür jährlich in Bezug auf Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung, Gesundheit und Lebenszufriedenheit befragt. Wichtig: Immer die gleichen Personen nehmen an der Umfrage teil. Nur so können Wissenschaftler Trends und Entwicklungen einzelner Lebensläufe oder gesellschaftlicher Gruppen aus den Daten ableiten.

Altersunterschiede bei der Partnerwahl sind Schuld

Bei diesen Analysen stieß der Forscher auf eine interessante Auffälligkeit:  „demografische Engpässe“. Aber was bedeutet das genau? Es bedeutet, dass aufgrund der Geburtenrate einige Altersklassen stärker vertreten sind als andere. Mitte der 1960er Jahre stieg beispielsweise die Geburtenrate stark an. Grund war das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit, das den Menschen Sicherheit und Wohlstand bescherte. Dann jedoch kam der "Pillenknick" und die Geburtenziffer sank um circa 40 Prozent.

Was hat das nun mit Singles zu tun? Ganz einfach: Wie man bereits herausgefunden hatte, orientieren sich Männer bei der Partnerwahl zwei bis vier Jahr nach unten, sie neigen dazu, sich eine etwas jüngere Frau zu suchen. Frauen haben dagegen häufiger Partner, die ein wenig älter sind als sie. Und genau das führt zu Engpässen. Plump gesagt heißt das nun: Für einige von uns gibt es einfach weniger mögliche Partner – nämlich dann, wenn zur Zeit unserer Geburt ein Babyboom stattfand.

Daher mussten beispielsweise die heute 50-Jährigen schon immer stärker miteinander konkurrieren, wenn sie um die Aufmerksamkeit der jüngeren oder älteren Singles buhlen. Davon gibt es nämlich relativ gesehen weniger. „Dies hat dazu geführt, dass diese Männer und Frauen im Laufe ihres Lebens sehr viel häufiger ohne Partner lebten als Menschen älterer Generationen“, erklärt Eckhard.

We can do it! – Emanzipation kann Singledasein fördern

Also müsste man doch im Grunde nur seine Zielgruppe ändern? Sich vielleicht mehr an Gleichaltrigen orientieren, oder? Leider nicht. Denn wie Eckhard herausgefunden hat, sind noch weitere Faktoren für die hohen Zahlen verantwortlich: Etwa die Emanzipation der Frau - auch wenn das viele nicht hören wollen.

Der gesellschaftliche und kulturelle Wandel begünstigt das Singleleben und zwar aus Gründen, auf die die moderne Frau durchaus stolz ist – und sein kann: „Durch das eigene Einkommen der Frauen verliert die traditionelle Versorgungsfunktion einer Beziehung an Bedeutung“, sagt der Wissenschaftler. „Beziehungen, die nicht funktionieren, werden nicht mehr wie in der Vergangenheit aus rein finanziellen Gründen aufrechterhalten.“

Es sind jedoch nicht nur die „Karrierefrauen“, die allein bleiben. Entscheidend ist ein generelles Einkommen, erklärt Eckhard. Mit der Emanzipation der Frau kam aber nicht nur das eigene Geld, sondern auch die Eigenständigkeit im Allgemeinen. Früher noch kaum vorstellbar, heute schon lange kein Drama mehr: alleinerziehende Frauen. Quasi schon mit der Muttermilch nehmen ihre Töchter die Verhaltensmuster und Bewältigungsstrategien der Mütter auf. Dazu gehört auch selbst die Ärmel hochzukrempeln, Werkzeug in die Hand zu nehmen und das Problem beim Schopf zu packen – ganz ohne Mann.

Gemeinsame Zukunftsplanung bei Arbeitslosigkeit schwierig

Neben den erstgenannten Gründen erkannte der Wissenschaftler noch einen weiteren gesellschaftlichen Faktor, der sich in den letzten Jahren enorm auf die Anzahl der Beziehungen auswirkte: die Arbeitslosenquote. Diese stieg seit Beginn der 1990er Jahre von 2,5 auf zeitweise 4,5 Millionen Berufsuntätige in Deutschland.

Gerade bei jungen Menschen machte sich dies bemerkbar und sorgte dafür, dass sich der Anteil der Singles bei den 20 bis 35 Jährigen im Jahr 2005 auf zwölf Prozent erhöhte. „Schlechte Arbeitsmarktchancen verlangen ein höheres Maß an Flexibilität und lassen eine gemeinsame Zukunftsplanung in einer stabilen Partnerschaft oft nicht zu“, erklärt Jan Eckhard.

Für die Zukunft: Den Hammer mal wieder abgeben

Ist also der gesellschaftliche Wandel schuld daran, dass wir Single sind? Nun ja, wohl nicht vollkommen, aber die Studie legt Gründe offen, die wir nicht verändern können und auch nicht immer wollen. Die Emanzipation der Frau ist im Zeitalter von Frauenquote und Vaterschaftsurlaub auf dem Vormarsch und nicht auf dem Rückzug. Und das ist auch gut so. Aber vielleicht lassen sich aus den erkannten Problemen Überlegungen und Lösungen ableiten - ob in der Gesellschaft oder im Alltag eines Jeden.

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