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Interview mit Erika Archibald von der Dian Fossey-Stiftung

Sie ist Pressesprecherin des “Dian Fossey Gorilla Fund International“ (DFGFI), der 1978 von Dian Fossey gegründeten Stiftung zur Rettung und zum Schutz der Berggorillas. Die gemeinnützige Organisation, ursprünglich nach Fosseys Lieblingsgorilla “Digit Fund“ genannt, trägt seit 1992 den Namen ihrer Gründerin und bemüht sich um eine Fortsetzung der Arbeit in Fosseys Sinn. Wir sprachen mit Erika Archibald über die aktuelle Situation der Berggorillas und die Aufgaben, die die Stiftung heute wahrnimmt.

Schutz der Berggorillas

Frau Archibald, wie steht es derzeit um Dian Fosseys Berggorillas?

Ganz gut, wenn wir von den Tieren sprechen, die wir mit unserer Organisation beobachten. Der Bestand ist etwas gestiegen in den letzten Jahren, wir haben viele Geburten registriert. Wir hoffen, dass es bei den anderen Populationen, die wir nicht so im Blick haben, ähnlich aussieht.

Wie viele Berggorillas gibt es denn noch in dem von der DFGFI beobachteten Gebiet?

Wir schätzen etwa 350 Tiere. Genauere Zahlen gibt es nicht, weil in letzter Zeit keine genauen Erhebungen durchgeführt wurden.

Sind Sie die einzige Organisation, die sich um die Gorillas kümmert?

Nein, aber wir sind die Einzigen, die die Tiere hier im Virunga-Park auch regelmäßig beobachten, ihre Standorte ermitteln, ihren Weg verfolgen und sie gegen Wilderei schützen

Wie schützen Sie die Gorillas?

Zunächst einmal unterhalten wir Patrouillen für das Tracking der Gorillas und gegen die Wilderer in Ruandas Nationalpark der Vulkane. Wir arbeiten auch mit anderen Organisationen zusammen, wie tauschen unsere Kenntnisse aus und wir treiben gemeinsame Monitoring-Protokolle voran.

Wie viele Gorillagruppen beobachten Sie denn?

Das sind insgesamt drei Gruppen, von denen wir regelmäßig Basisdaten aufnehmen.

Was tun Sie noch, um diese Menschenaffenart vor dem Aussterben zu schützen?

Das Wichtigste ist, dass wir verstehen, wie sie leben. Deshalb erforschen wir gemeinsam mit großen Wissenschaftsinstituten und Universitäten die Affen und ihre Umwelt. Außerdem betreiben wir eine Beratungsstelle, um unser Wissen und unsere Erfahrung auch in den anderen Gorilla-Gebieten in Afrika zu verbreiten. Wir veranstalten Erziehungsprogramme in Afrika und weltweit, die das Bewusstsein für die Situation der großen Affen schärfen. Und schließlich unterstützen wir lokale Entwicklungsprogramme in den Gemeinden um die Gorilla-Gebiete herum.

Sie helfen den Menschen in den Dörfern, die mitverantwortlich für die Lage der Gorillas sind?

Ja, natürlich, denn nur wenn es diesen Menschen gut geht, sinkt der Druck auf die Gorilla-Gebiete. Gleichzeitig steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie uns helfen werden, die Gorillas zu retten. Auch bei den Menschen in Ruanda hat sich das Bewusstsein für die großen Affen sehr verbessert. Wir, die Regierung und andere Organisationen haben viele Aufklärungskampagnen in den Schulen und sogar in der Universität von Ruanda durchgeführt.

In Ruanda gibt es immer wieder politische Unruhen. Schon Dian Fossey hatte damit zu kämpfen. Wie ist die Situation derzeit?

Die Unruhen Anfang der neunziger Jahre haben unsere Arbeit schon erschwert. Zum Glück hat sich das Land beruhigt. Die Lage ist stabil und wir arbeiten eng mit der Regierung zusammen bei allem, was wir hier tun.

Was sind die größten Gefahren, denen die Gorillas ausgesetzt sind?

Das Hauptproblem ist der Druck auf ihren Lebensraum. Zum Glück ist der Virunga-Park, was diesen Punkt angeht, inzwischen ziemlich gut etabliert. Früher hat es Übergriffe durch die Bauern gegeben, vor allem durch die Viehbauern mit ihren Herden, und natürlich durch Wilderer.

Welche Rolle spielt der Ökotourismus für den Schutz der großen schwarzen Riesen?

Es gibt immer wieder Vorbehalte von Seiten einiger Wissenschaftler, aber die meisten Forscher, die hier arbeiten, stellen fest, dass, obwohl es Nachteile gibt, die Vorteile der Besucherprogramme überwiegen.

Hätte Dian Fossey Ökotouristen gemocht?

Das kann ich nicht sagen, ich möchte da auch nicht für Dian Fossey sprechen. Das sollten Sie in “Gorillas im Nebel“ nachlesen.

Was ist der größte Verdienst Dian Fosseys?

Wohl der, dass sie die Berggorillas in das Bewusstsein der Menschen weltweit brachte und sie für die Not dieser Tiere sensibilisierte. Sie hat unmissverständlich klar gemacht, dass sie geschützt werden müssen. Vor allem hat sie den Grundstein gelegt für eine inzwischen beachtliche Datenbank an Informationen über die Berggorillas.

Dian Fossey war eine der drei “Amazonen“ bei den großen Menschenaffen, die ihr Mentor der bekannte Anthropologe Louis Leakey ausgesucht hatte. Sind heute Frauen immer noch in der Mehrheit?

Nein, die Tracker und die Mitglieder der Anti-Wilderer-Patrouille sind ruandesische Männer. Die beiden letzten Direktoren des Karisoke Forschungszentrums waren Frauen. Wir haben einen männlichen Chef-Wissenschaftler und Chef-Konservator. Ich kann da kein Muster erkennen.

Gorillas gehören mit den Schimpansen, Bonobos und Orang-Utans zur selben Familie Hominidae wie wir Menschen. Wir teilen etwa 95 Prozent mit unseren nächsten Verwandten. Was ist das Menschliche an Gorillas?

Die meisten Menschen erzählen, dass sie eine tiefe, innige Verbindung sehen und spüren, wenn sie einem Gorilla in die Augen blicken. Klar ist, dass sie intelligent sind. Was aber mehr Mensch und was mehr Gorilla ist, darüber werden Wissenschaftler wohl ewig diskutieren können.

Mögen sie eigentlich den Film “Gorillas im Nebel“ mit Sigourney Weaver?

Ja, schon. Er vermittelt ganz gut wie Dian Fossey gelebt und gearbeitet hat, und er hat noch einmal das Bewusstsein für die Lage der Gorillas geschärft. Sigourney Weaver ist Ehrenvorsitzende unserer Organisation. Sie interessiert sich sehr für die Gorillas und für Ruanda.

Brauchen die Gorillas eine zweite Dian?

Nein, ich glaube nicht. Das Bewusstsein für die Not der Tiere bleibt jetzt auf einem hohen Level, dank der Arbeit die Dian Fossey begann. Es ist heute auf einer ganz anderen Ebene als vor ihrer Zeit, es hat eine viel breitere Basis. Auch im wissenschaftlichen Bereich ist das Wissen viel größer, vor allem dank ihrer Pionierarbeit.

Was bedeutet es, wenn die Welt eine Art wie die der Berggorillas für immer verliert?

Berggorillas gehören zu den am meisten gefährdeten Arten auf diesem Planeten. Ihr Niedergang geht uns alle an: Wenn wir die Vielfalt des Lebens der Erde verlieren ist die Gesundheit unseres Planeten und all ihrer Kreaturen in Gefahr.

Werden unsere Kinder noch Berggorillas erleben, die in Freiheit geboren werden und dort überleben können?

Das ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu sagen. Wenn die Situation so bleibt wie sie ist und keine größere Katastrophe wie ein Krieg oder eine Krankheit eintritt, wird die Population ausreichen, um fortzubestehen. Sollte es aber zu einem solchen Desaster kommen, wer weiß?

Die Fragen stellte Marcus Anhäuser.

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