Lexikon

deutsche Revolution

die revolutionären Bewegungen in Deutschland 1848/49. Nach dem Sieg der Februarrevolution in Frankreich erreichten die liberalen und demokratischen „Achtundvierziger“ zuerst in Süddeutschland, dann auch in Österreich und Preußen bei nur schwachem Widerstand der Mächte u. Regierungen des Deutschen Bundes die Verwirklichung der „Märzforderungen“: Bürgerliche Freiheitsrechte wurden gewährt, Schwurgerichte eingerichtet, liberal-konstitutionelle Regierungen eingesetzt. In Österreich forderten die Nationalitäten ihr Recht; in Berlin erklärte König Friedrich Wilhelm IV., Preußen werde fortan in Deutschland aufgehen. Trotz der Wirtschaftskrise von 1847 und anfänglichen Bauernunruhen spielten soziale Forderungen keine bestimmende Rolle. Dafür rückten die Forderungen nach einem deutschen Nationalstaat in den Vordergrund, der den vornationalen, reaktionären und zu selbständiger Politik unfähigen Deutschen Bund ersetzen sollte.
Nach der frühen Ausschaltung der Republikaner um F. Hecker und G. von Struve bestimmten in der Frankfurter Nationalversammlung Persönlichkeiten wie A. Ritter von Schmerling u. H. von Gagern sowie die liberal-konstitutionelle Casino-Partei den Kurs, während R. Blum und die Demokraten des Deutschen Hofs die Opposition bildeten. Angestrebt wurde ein mächtiges konstitutionelles Deutsches Reich, das Mitteleuropa beherrschen sollte. Die Reichsverfassung wurde erst am 28. 3. 1849 vollendet. Die meist dem Bildungs- und Besitzbürgertum angehörenden Liberalen beanspruchten die führende Rolle im Staat, strebten langfristig aber eine klassenlose Bürgergesellschaft an. Sie konnten ihr nationales Programm nicht realisieren u. den Erfolg der Revolution nicht stabilisieren.
Obwohl sich in Frankfurt der Deutsche Bund auflöste und eine liberale Provisorische Zentralgewalt gebildet wurde, zeichnete sich seit Herbst 1848 ein Sieg der Konterrevolution ab, zumal die Zentralgewalt keine Kontrolle über das Militär der alten Mächte gewann. In der Habsburger-Monarchie wurden die revolutionären Kräfte in Prag im Juni, in Italien im Juli und in Wien im Oktober niedergeschlagen; die Erschießung R. Blums in Wien signalisierte die Kampfansage an Frankfurt. In Preußen gewann der König durch den von der Frankfurter Nationalversammlung initiierten Einsatz preußischer Bundestruppen in Schleswig und Holstein, aber auch durch das Wirken der preußischen Nationalversammlung, die erst den preußischen Staat stabilisierte und danach im November gewaltsam aufgelöst werden konnte, die Handlungsfreiheit zurück. Nachdem sich bereits Österreich der Gründung eines großdeutschen Staates versagt hatte, konnte Friedrich Wilhelm IV. am 3. 4. 1849 die ihm von der Frankfurter Nationalversammlung angetragene Kaiserkrone ablehnen. Damit war die in Frankfurt erarbeitete Übergangslösung hinfällig, wonach bis zur Verwirklichung eines großdeutschen Reiches zunächst ein kleindeutsches Reich errichtet werden sollte. Die folgende Reichsverfassungskampagne endete mit der Auflösung eines Rumpfparlaments in Stuttgart am 18. 6. und der Kapitulation der Festung Rastatt am 23. 7. 1849.
Die Gründung eines bürgerlichen Nationalstaats war gescheitert, ohne dass die außerdeutschen Großmächte über ein Eingreifen entscheiden mussten. Die Liberalen erlitten eine den Verlauf der deutschen Geschichte nachhaltig beeinflussende Niederlage. Die Demokraten wurden verfolgt und zur politischen Bedeutungslosigkeit verurteilt. Nach dem Scheitern des Erfurter Unionsparlaments 1850 und der Erneuerung des Deutschen Bundes auf den Dresdener Konferenzen 1850/51 setzte die Phase der Reaktion in Deutschland ein. Allerdings war die Tatsache, dass Preußen 1848 eine oktroyierte und 1850 eine vereinbarte Verfassung erhielt, ein wichtiger politischer Ansatzpunkt, von dem aus Ziele der deutschen Revolution wieder aufgegriffen werden konnten.
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