Lexikon

finnische Musik

Die finnische Musik stützt sich in weitem Maß auf das alte Volksliedgut der Runengesänge, deren Tradition bis ins 1. vorchristliche Jahrtausend zurückreicht. Sie erzählen u. a. myth. Geschichten von der Erschaffung der Welt und griffen seit dem 12. Jahrhundert zunehmend historische Stoffe und Alltagsthemen auf. Einen Querschnitt dieser Gesänge bieten das Kalevala sowie die Volksmusiksammlung von Ilmari Krohn (* 1867,  1960), der über 5000 Melodien veröffentlichte. Die Lieder sind durch Pentatonik, 5/4-Takt und eine formelhafte Melodik gekennzeichnet und wurden als Solo oder im Chor vorgetragen. Daneben entstand seit dem 16. Jahrhundert eine Volksmusiktradition, die u. a. die Gattung des auch in der Popmusik verwendeten Rekilaulu („Schlittenlied“) hervorbrachte.
Durch die Christianisierung entstand in Finnland im Mittelalter erstmals ein Repertoire an liturgischer Musik (lateinisch). Parallel dazu entwickelte sich seit der Reformation im 16. Jahrhundert eine eigene Kirchenmusik in der Landessprache, die u. a. in der Kangasala-Handschrift dokumentiert ist. Darüber hinaus ist bis zum 18. Jahrhundert kaum eine nennenswerte eigenständige Musikkultur belegt, was nicht zuletzt in der mehr als 600-jährigen Fremdherrschaft begründet liegt. Kulturträger waren insbesondere Schulen und Kirchen, deren Organisten nicht nur kirchenmusikalische Aufgaben wahrnahmen. Während der Regierungszeit von Gustaf III. erlebte Finnland eine kulturelle Blüte (Konzerte, Volksmusik) mit Turku als musikalischem Zentrum

Goldenes Zeitalter

Ein erstarktes Nationalbewusstsein legte im 19. Jahrhundert den Grundstein für eine eigene finnische Musikkultur. Als Wegbereiter fungierten dafür der Klarinettenvirtuose Bernhard Henrik Crusell (* 1775,  1838)mit seinen Orchesterwerken im romantischen Stil sowie der deutschstämmige Fredrik Pacius (* 1809,  1891), der die erste finnische Oper (in schwedischer Sprache) und die finnische Nationalhymne schuf und ein landesweites Musikleben aufbaute. Zum Zentrum dieser Entwicklung wurde Helsinki, wo sich u. a. das erste finnische Opernensemble etablierte und auf Anregung von Robert Kajanus das Philharmonische Orchester Helsinki als erstes Sinfonieorchester gegründet wurde. All diese Initiativen haben den Grundstein für Finnlands „Goldenes Zeitalter“ in Kunst, Literatur u. Musik gelegt.
Identitätsstiftende musikalische Elemente waren insbesondere die Männerchöre, für die neben Pacius u. a. Pekka Juhani Hannikainen (* 1854,  1924)sowie zeitgenössische Tonkünstler wie Erik Bergman (* 1911,  2006) komponierten, sowie die Wiederentdeckung des Runengesangs; daneben entstanden v. a. kammermusikalische Werke als Beiträge zur Hausmusik. Von den Runengesängen inspiriert war u. a. Jean Sibelius, der mit Chor- und Orchesterwerken wie „Finlandia“ zum eigentlichen Begründer der finnischen Nationalmusik wurde. Seine Werke markieren zugleich den Beginn von Finnlands „Goldenem Zeitalter“ (rund 18901920) als kulturelle Manifestation der politischen Unabhängigkeitsbestrebungen. Neben ihm schufen u. a. Armas Järnefelt, Selim Palmgren und Leevi Antti Madetoja bedeutende nationalromantische Werke in einer Synthese aus zeitgenössischen europäischen Stilen und finnischer Volksmusik bilden. Parallel dazu entstand landesweit ein Netzwerk musikalischer Aktivitäten mit Amateurorchestern und Musikfestivals von Klassik bis Pop und Jazz. Emanzipationsbewegungen gab es auch in der Oper mit dem ersten Bühnenwerk in finnischer Sprache von Oskar Merikanto und der Eröffnung des ersten Opernhauses, der heutigen Finnish National Opera in Helsinki.

Moderne

Die finnische Musik seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde einerseits von europäischen Stile und Techniken beeinflusst: so Aarre Merikanto vom Expressionismus, Väinö Raitio (* 1892,  1945) vom Impressionismus, Joonas Kokkonen von der Zwölftontechnik, Einojuhani Rautavaara (* 1928) von serieller Musik und Osmo Lindeman (* 1929,  1987) von elektronischer Musik. Daneben entwickelte sich seit den 1930er Jahren ein antiromantischer Stil „neuer Einfachheit“ unter Einbeziehung der volksmusikalischen Wurzeln wie bei dem Liedkomponisten Yrjö Kilpinen. Eine zentrale Stellung nimmt seit den 1970er Jahren die Oper ein, zu deren führenden Vertretern neben Kokkonen und Rautavaara insbesondere Aulis Sallinen gehört. Viele dieser Bühnenwerke entstanden als Auftragswerke für das Opernfestival von Savonlinna.
Die aktuelle Musiksituation in Finnland ist durch eine stilistische Vielfalt gekennzeichnet, die nicht nur in der Kunstmusik hervortritt wie bei Erkki Salmenhaara (neotonale Werke), Magnus Lindberg (* 1958) oder Kaija Saariaho (* 1952; Klangfarbenexperimente). Daneben hat sich eine reichhaltige Pop-, Rock-, Jazz- und Volksmusikkultur etabliert. In den 1940er Jahren entwickelte sich eine finnische Variante des Tangos; international erfolgreiche Pop- und Rockkünstler sind Jari Sillanpää (* 1965) und die Band „The Rasmus“, außerdem existiert eine lebendige Big-Band- und Jazz-Szene.
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