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„Göttliche Komödie“

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„Dieses Werk behält seinen Ruhm, weil niemand es liest, und niemand es jemals lesen wird“, so urteilte Voltaire, nicht ganz unberechtigt, über ein Werk, das zahlreicher Vorzüge wegen vielfach gepriesen, jedoch vollständig nur selten gelesen wird. Dante Alighieri (12651321) verfasste sein Hauptwerk, das 1472 in Foligno und Mantua zum ersten Mal gedruckt und damit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich wurde, in seinen letzten Lebensjahrzehnten, von 13061321, als er, verbannt von seiner Heimatstadt Florenz als Exilierter von Stadt zu Stadt wandern musste, von Padua nach Verona, von Mantua nach Ravenna, um nur einige zu nennen. Dante nannte sein Epos schlicht und einfach „commedia“, weil es ein Gedicht ist, „in der Volkssprache abgefasst, das schlimm beginnt, aber gut endet“; erst spätere Bewunderer fügten das Epitheton „göttlich“ hinzu.
»Die göttliche Komödie« ist eine großartige Vision, in der der Verfasser, begleitet von dem römischen Dichter Vergil, den Dante bewunderte und verehrte, eine beschwerliche Wanderung durch die drei nach dem ptolemäischen Weltbild angeordneten und gegliederten Reiche des Jenseits unternimmt: durch die Hölle (L'Inferno), das Fegefeuer (Il Purgatorio) und das Paradies (Il Paradiso). Apokalyptische Schriften mit Schilderungen von Himmels- und Höllenreisen regten Dante an, in seiner Dichtung das theologisch-philosophische Wissen der damaligen Zeit zu verbinden und zugleich seine eigene Haltung zu bekannten Gestalten der Mythe, der Geschichte und der Mitwelt darzulegen. Zu bewundern ist, wie er das Abstrakte anschaulich macht, wie er das Vergangene lebendig werden lässt und in seine überwältigende Gesamtschau einordnet mit Ironie, Andacht und Verzweiflung.
Die Hölle (L'Inferno) symbolisiert den Durchgang des Menschen durch Sünde, Leid und Verzweiflung, und je tiefer die beiden schauenden Wanderer Dante an der Hand von Vergil in die 9 Kreise der Hölle gelangen, umso größer werden die Qualen, Strafen, Ängste und Verzweiflungen. Im 3. Höllenkreis z. B. liegen die Schlemmer im Kot, während Ungewitter über sie hereinbrechen und der Höllenhund Cerberus sie mit dreifachem Maule zerfleischt. In sich aufgeteilt ist der 8. Höllenkreis, in dem Simonisten und Schmeichler unerhörte Qualen erleiden, darunter auch Papst Nikolaus III. Einmalig, ja geradezu überwältigend ist die poetisch-visionäre Kraft und die krasse Realistik, mit der Dante die Hölle ausmalt, die Qualen und die Schrecken, die die Sündigen zu erleiden haben. Man wird hier an die malerischen Visionen von Hieronymos Bosch erinnert, der in seinen apokalyptischen Gemälden Ähnliches darzustellen unternimmt, wenn auch zwei Jahrhunderte später.
Nachdem Dante und Vergil auch den tiefsten Höllenkreis, in dem Luzifer sitzt, durchschritten haben, gelangen sie zum Fegefeuer (Il Purgatorio), ebenfalls in neun Kreise eingeteilt, das die Läuterung durch den Glauben bedeutet. Auf diesem Wege kann Vergil nicht mehr Begleiter sein, sondern an Dantes Seite tritt nun Beatrice, die ihm allmählich die himmlische Schönheit offenbart. Hier schlägt sich Dantes „Beatrice-Erlebnis“ nieder, die Verehrung für die schöne Florentinerin, die Huldigung an die Geliebte, die ihn bis ins Innerste bewegte und ergriff. Am schwierigsten für einen heutigen Leser zu verstehen ist das dritte Reich, das Paradies (Il Paradiso), in dem sich die Erlösung durch göttliche Offenbarung und Liebe ereignet. Auch hier geleitet ihn wieder Beatrice, aber der Weg durch die einzelnen Himmel mit ihren theologischen Bedeutungen und Anspielungen war für den zeitgenössischen Leser schon schwer zu verstehen, erst recht für einen heutigen.
Bewundernswert ist die Form des Epos: sein Aufbau, die tiefsinnige Zahlensymbolik, die sprachliche Gestaltung und die Allegorien. Jedes der drei Reiche umfasst 33 Gesänge mit jeweils 152155 Zeilen, insgesamt also 99 Gesänge mit einer Einleitung, so dass hundert erreicht werden, die Zahl der Vollkommenheit. Die Zahlensymbolik hier nur angedeutet spielt eine große Rolle: es sind drei Reiche (Zahl der Trinität), es sind neun Kreise in jedem Reich, aber auch die Siebenzahl hat ihre heilige Bedeutung. Die Strophen sind Terzinen: drei Zeilen zu einer Einheit zusammengefasst, mit je einem Reim darüber hinausweisend. Die Sprache des Epos ist entschieden, fast kantig, ausgesprochen bilder- und vergleichsreich, so dass eine starke Anschaulichkeit, ein vielfältiges Bild vergangener Zeiten erreicht wird. „Dante hatte eine Kultur von Jahrhunderten hinter sich“ so umschreibt Goethe sein tief schürfendes Epos.
das Hauptwerk von Dante Alighieri.

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