Lexikon

Haartracht

die Art u. Weise, in der das Haar zur Frisur geordnet wird. Die H. hängt bei allen Völkern u. zu allen Zeiten vom Schmuckbedürfnis der Menschen sowie von der mytholog. u. sozialen Bedeutung ab, die dem Haar gegeben wird. Nach dem Bericht der Bibel verlor Samson mit seinem Haar auch seine Stärke, denn langes Haar war den Männern der Assyrer, Babylonier, Perser u. Ägypter ein Zeichen der Körperkraft; sie pflegten es mit wohlriechendem Öl, lockten es oder legten es in Flechten u. trugen bei Kahlköpfigkeit Perücken. Ebenso sorgfältig pflegten die Frauen dieser Völker ihr Haar u. gaben ihm mit Goldstaub Glanz. Im antiken Griechenland galt langes Haar als Geschenk der Götter für die Freien, deshalb wurde es den Sklaven abgeschnitten. Um 450 v. Chr. kürzten auch die Freien ihr Haar, während es die Frauen in langen zopfartigen Locken trugen, es später zu einem Schopf oder Knoten am Hinterkopf zusammenfassten u. mit einem Haarnetz oder breitem Band hielten. Die Römer übernahmen das kurze, gelockte Haar der Griechen; später wurde die H. des Kaisers Vorbild. Römerinnen entwickelten zur Kaiserzeit kunstvolle Haartrachten aus über der Stirn hoch aufgesteckten Locken u. Zöpfen, die durch falsches Haar verstärkt, auch häufig gebleicht oder gefärbt wurden. (Blondes Haar der Germaninnen wurde sehr geschätzt.)
Die Kelten trugen das Haar kurz, die Germanen, je nach Stammeszugehörigkeit, halblang bis lang oder seitlich zu einem Knoten zusammengedreht; bei den Franken hatte nur der König langes Haar. Die Frauen ließen das Haar lang herabfallen oder steckten es mit Haarnadeln auf. Mit Übernahme der christl. Kultur durch die Franken setzte sich allgemein die kurze H. bei den Männern durch. Karl d. Gr. verzichtete als erster König auf sein Haarprivileg. Im Hoch-MA legten Mädchen ihre langen, von Goldbändern oder Perlschnüren umwickelten Zöpfe vorne über die Schultern, verheiratete Frauen trugen das Haar unter schleierartigen Hauben („unter die Haube gekommen“) oder unter dem Gebende, im 15. Jh. unter der Hennin u. Hörnerhaube mit hoher, ausrasierter Stirn. Im 16. Jh. fiel das lange Haar mit einem Mittelscheitel (Madonnenscheitel) seitlich herab u. wurde hinten aufgesteckt oder geflochten; in Dtschld. blieb es meist unter der Kugelhaube verborgen. In der 2. Hälfte des 16. Jh. brachte die spanische Mode die gewellte, hoch aufgesteckte Kegelfrisur, die in Frankreich im Hochbarock zugunsten von seitlich herabfallenden gepufften Stoppellocken aufgegeben wurde, im Spätbarock gefolgt von der Fontange. Der Herr trug das Haar vom späten MA bis anfangs 17. Jh. kurz, mit Ausnahme langer, frei wallender Haare um 1500; danach kinn- bis schulterlang, bis sich im Spätbarock die Allongeperücke durchsetzte. Im 18. Jh. trug der Herr Haarbeutel oder Zopf. Gleichzeitig wandelte sich die schlichte Damenfrisur des frühen Rokoko zur voluminösen, gepuderten Hochfrisur. Die Französ. Revolution machte den übertriebenen Frisuren ein Ende. Männer trugen um 1800 den röm. Tituskopf, Frauen kurzes gelocktes oder aufgestecktes Haar. Im Biedermeier entwickelte sich um 1830 die H. zu kunstvoll arrangierten, hoch stehenden Haarschleifen, abgelöst von einem Knoten und seitlich herabhängenden Stoppellocken, die zugunsten leicht gewellter zurückgesteckter Haare aufgegeben wurden; nach 1860 rutschte der Knoten in den Nacken (Chignon); 1870 herrschten breite Zopfreihen oder ondulierte Haare vor, kunstvoll vom Oberkopf bis in den Nacken fallend gesteckt; Ende des 19. Jh. kamen straff nach rückwärts gekämmtes Haar u. hoher, schlichter Knoten auf, der anfangs des 20. Jh. von einer gewellten, lockeren Aufsteckfrisur verdrängt wurde. In den 1920er Jahren setzte sich erstmals allgemein die Kurzhaarfrisur für die Frau durch: Pagen- u. Bubikopf, Eton-Stil, in den 1930er Jahren das leicht gewellte Haar (Dauerwelle), das gegen 1939 Stirn u. Ohren freilassend am Hinterkopf aufgebauscht oder zu einem glatten Knoten mit Stirnlöckchen gesteckt wurde. In den 1950er Jahren war die vorherrschende H. leicht gewelltes kurzes Haar oder Knoten, Mädchen trugen Pferdeschwanz; von 1959 bis etwa 1963 waren in Mode die Farah-Diba-Frisur, danach eine kurze glatte Föhnfrisur, die Löwenmähne oder glattes, langes Haar, in den 1970er Jahren luftgetrocknete Krause, sowohl komplizierte Zopffrisuren als auch knabenhafte Kurzhaarschnitte. Der Herr trug im 19. u. 20. Jh. meist kurzes Haar, wobei Bart oder Koteletten den modischen Wandel gaben. Nach 1963 wurde der Männerhaarschnitt allgemein etwas länger gehalten, beeinflusst durch die Beatle-Frisur. Zu Beginn der 1980er Jahre ging der Trend wieder zum Kurzhaarschnitt. Die 1990er Jahre brachten farbige Strähnen u. die Frisur wurde mit Gel oder Haarlack in Form gehalten.
H. Möller, W. Domnick, Stilkunde, Frisurenkunde. 71977. R. T. Wilcox, The mode in hats and headdress. New York. 1959.
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