Lexikon

niederländische Literatur

Ursprünglich einheitlich, nahm die niederländische Literatur ihre Entwicklung seit der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, bedingt durch katholisch-protestantische Glaubensgegensätze, Reformation und Freiheitskriege, französische Einflüsse und andere politische Ereignisse, im nördlichen und im südlichen Teil des Sprachgebiets einen getrennten Verlauf. Im südlichen Teil, dem heutigen Königreich Belgien, entstand die flämische Literatur.
Die Überlieferung der niederländischen Literatur reicht, mit altfränkischen Sagenstoffen und Liedern, bis zum Ende des 12. Jahrhunderts zurück. Heinrich von Veldeke, der auch höfische Lyrik und Minnesang in der Mundart seiner limburgischen Heimat schuf, wurde mit dem Roman „Eneit“ (in mittelhochdeutscher Sprache überliefert) zum Vorbild der mittelalterlichen höfischen Dichtung.
Neben Schelmengeschichten und der satirischen Tierfabel „Van den Vos Reinaerde“ setzte um 1250 das lehrhafte Schrifttum ein, als dessen hervorragendste Gestalten der frühe Enzyklopädist Jan van Boendale und J. van Maerlant, der auch Gedichte und höfische Romane verfasste, zu nennen sind. Die Tradition der Jedermannspiele mitbegründet hat der altflämische „Elckerlijc“.
Besonders fruchtbaren Boden fand der Humanismus vor. Nach den Aufführungen lateinischer Terenzkomödien entstand mit dem „Acolastus“ des Gnapheus das humanistisch-christliche Theater; für das Schultheater waren die 12 Dramen des G. Macropedius von Bedeutung.
Nach 1400 entstand eine bürgerliche Dichtung, deren Einfluss sich auf zwei Jahrhunderte erstreckte. Von der französischen und italienischen Renaissance beeinflusst waren J. B. van der Noot und J. van Hout in ihren Sonetten, Oden und Elegien. Einen Höhepunkt erreichte die Dichtung nach 1600 mit der Lyrik von D. Heinsius, den Lustspielen G. A. Brederos, dem Prosawerk P. C. Hoofts, den zeit- und gesellschaftskritischen Gedichten C. Huygens, den volkstümlichen heiteren Erzählungen J. Cats und den Werken J. van den Vondels. Von geringerer Bedeutung war das 18. Jahrhundert.
Zur Romantik neigte am Beginn des 19. Jahrhunderts W. Bilderdijks ausdrucksstarke, von der Antike beeinflusste Dichtung; zu Tradition und Nationalgefühl wies J. Potgieter. Multatuli (E. D. Dekker) wandte sich gegen den Kolonialismus, N. Beets schilderte die kleinbürgerliche Welt. Auf der Grundlage der Nationalromantik bildete sich die Gruppe der „Tachtiger“ (um 1880) mit der Zeitschrift „De Nieuwe Gids“ 1885, die Persönlichkeit und das Lebensrecht jedes Menschen, Wortkunst und Lart pour lart betonte und bis weit ins 20. Jahrhundert nachwirkte. Schilderer des Bürgertums und Verfasser historischer Sittenromane war L. Couperus; führender Kritiker und Lyriker A. Verwey.
Nach 1900 nahm der Einfluss der Tachtiger ab. Eine neue Generation machte von sich reden: in der Lyrik traten A. Roland Holst, G. Gossaert mit formstrengen, oft mystisch-religiösen Dichtungen hervor, A. Schendel entwickelte sich vom Neuromantiker zum Skeptiker; der intellektuelle Kritiker S. Vestdijk lieferte bohrend aggressive Analysen der bürgerlichen Gesellschaft. Ein ewiger Glückssucher war J. Slauerhoff; die weite See ist Symbol seiner Sehnsucht nach Freiheit. Für G. Achterberg verkörperte seine verstorbene Geliebte eine reinere Welt. Das Werk von B. Aafjes wird durch die Spannung zwischen heidnischer Lebensfreude und christlichem Schuldgefühl beherrscht. W. F. Hermans schwankt zwischen Liebe zum Leben und zynischem Nihilismus. Marga Minco berichtet ohne Pathos von Judenverfolgungen und von der Deportation ihrer Familie. Eine Haltung des aggressiven Protests nehmen Autoren wie J. Wolkers, H. Raes und J. Cremer ein. Als Lyriker ist Lucebert bekannt geworden. In den 1960er Jahren wendete sich die niederländische Literatur der realistischen Verarbeitung des 2. Weltkriegs zu. Vergangenheitsbewältigung und die Schilderung der Nachkriegsgeneration bleiben auch in den 1980er Jahren bestimmende Themen. So u.a bei T. de Loo, A. F. T. van der Heijden u. L. de Winter. Einige Autoren wie H. Mulisch, C. Nooteboom und Maarten t Hart erreichten Ende der 1990er Jahre mit ihren Werken ein internationales Publikum und sind auch als Lyriker oder Essayisten von Bedeutung. Jüngere Autoren wie H. Brusselmans (* 1957), H. de Graaf (* 1951) oder K. Hemmerechts (* 1955) gehen mittels ironisierender Sprache oder knappem Stil auf Distanz zur literarischen Erzähltradition.
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