Lexikon

österreichische Literatur

das Schrifttum der zum heutigen Österreich gehörenden Länder. Die Frage, ob und ggf. seit wann die österreichische Literatur gegenüber der deutschen Literatur einen Sondercharakter und besondere Ausdrucksformen aufweist, wird unterschiedlich beantwortet. Eigenständige Strömungen können zwar seit dem Auseinanderfall des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und mit der wachsenden Differenzierung des österreich-ungarischen Vielvölkerstaates beobachtet werden, doch existierte nie eine völlig von der deutschen Literatur losgelöste Entwicklung.
Die ältesten erhaltenen Werke der östlichen Marken (vom 9. Jahrhundert an) sind geistliche Dichtungen („Wiener Genesis“, Frau Ava, Heinrich von Melk). Es folgte die weltliche Liedkunst (Dietmar von Aist, Kürenberg) und am Hof der Babenberger der höfische Minnesang (Reinmar der Alte, Walther von der Vogelweide u. a. bis zum Ausklang bei dem Südtiroler Oswald von Wolkenstein). Fast gleichzeitig entstanden die auf germanische Sagen zurückgreifenden Heldendichtungen (Nibelungenlied, Kudrun, Dietrich-Epik). Kennzeichnend für das Spätmittelalter war neben den Werken des „letzten Ritters“ Maximilian I. („Ehrenpforte“ 1515 ff.; „Weißkunig“ 1514; „Theuerdank“ 1517) die Entwicklung des Volkslieds und die Ausbildung von theatralischen Spielformen wie Passionsspielen, Prozessionsspielen und Volksschauspielen. Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts war die Schwankliteratur weit verbreitet (Philipp Frankfurter, um 1450).
Durch die Habsburger wurde Wien zur Hauptstadt eines Kaiserreichs und eines Vielvölkerstaats, was sich auch literarisch auswirkte. Besonders an der Wiener Universität (gegründet 1365) wurde der Humanismus gepflegt: K. Celtis, J. Cuspinian, J. Vadianus. Nach dem Zwischenspiel der Reformation fand die Gegenreformation ein reiches Wirkungsfeld, wobei die volkstümliche Predigt bedeutsam wurde (Abraham a Santa Clara).
In der Barockzeit entwickelte sich das höfische Repräsentationstheater der Haupt- und Staatsaktionen und die prunkvolle Oper; daneben stand das Stegreifspiel, die volkstümliche Hanswurstkomödie, das Singspiel und schließlich das Wiener Volksstück, das mit seinen Zauberspielen und sozialkritischen Komödien im frühen 19. Jahrhundert zu jener Glanzzeit des Wiener Volkstheaters führte, in der F. Raimund seine Zauberkomödien und J. N. Nestroy seine Possen und Lustspiele schrieben und spielten. Andererseits gewann das 1776 zum Hof- und Nationaltheater erklärte Wiener Burgtheater literarischen Rang und Bedeutung; Werke von J. Schreyvogel, F. Halm, H. Laube, F. Grillparzer, F. Hebbel und E. von Bauernfeld wurden hier uraufgeführt.
Auf die napoleonische Zeit, in der vaterländische und religiöse Gefühle geweckt wurden (C. H. von Ayrenhoff, H. J. von Collin, J. Freiherr von Zedlitz), folgte das Biedermeier als Erbe der Klassik und Romantik mit dem Lebensstil eines sich bescheidenden Bürgertums (E. Freiherr von Feuchtersleben, J. G. Seidl, Johann Nepomuk Vogel [* 1802,  1866]). In dieser Zeit begannen auch der Dramatiker F. Grillparzer, der Lyriker N. Lenau und der Epiker A. Stifter ihr Schaffen. Den Orient erschlossen J. von Hammer-Purgstall und J. P. Fallmerayer. Der Mundartdichter F. Stelzhamer, der steirische Volkserzähler P. Rosegger und der Volksdramatiker L. Anzengruber thematisierten das bäuerliche Leben. Den Zerfall der Monarchie beschrieben J. Roth, O. Stoessl; der führende Satiriker war K. Kraus; die Lebenskultur schilderten A. Lernet-Holenia und R. Musil, eine gegenwärtige Vergangenheit H. von Doderer; in barockem Geist schrieb E. von Handel-Mazzetti.
Vom Wiener Impressionismus kamen R. Beer-Hofmann, die Skizzenkunst P. Altenbergs, der Dramatiker A. Schnitzler und S. Zweig. Die „Neuromantik“ als Summe der Zeitströmungen repräsentierte H. von Hofmannsthal. Weltgeltung erlangte R. M. Rilke. Surrealistische Einflüsse zeigen A. Kubin, M. Brod, F. Kafka und H. Broch.
H. Bahrs Schrift „Expressionismus“ (1920) beeinflusste die Dichtung des folgenden Zeitraums: G. Trakl, T. Däubler, A. Ehrenstein, den Lyriker F. Werfel, O. Kokoschka, A. P. Gütersloh.
Die Zwischenkriegszeit prägten G. Fussenegger, Ö. von Horváth, J. Weinheber und der Nobelpreisträger (1981) E. Canetti.
Vielgestaltig entfaltete sich die Literatur nach 1945. Lyrik: Christine Lavant, P. Celan, Christine Busta, I. Bachmann, Gerhard Fritsch, E. Jandl, F. Mayröcker. Dramatik: Rudolf Bayr, F. Hochwälder, H. Weigel. Erzähler: G. von Rezzori, I. Aichinger, H. Eisenreich, R. Brunngraber, M. Dor. T. Bernhard ist gleicherweise als eigensinnig-provokanter Erzähler wie als Dramatiker bekannt geworden.
Aichinger, Ilse
Ilse Aichinger
Experimentelles und Eigenständiges vor und ab 1960 schufen in und außerhalb der „Wiener Gruppe“ H. C. Artmann, Gerhard Rühm, Friedrich Achleitner. Hohen Bekanntheitsgrad über Österreich hinaus erreichten u. a. P. Handke u. E. Jelinek (Nobelpreis 2004), deren Werke kontrovers diskutiert werden. Die jüngste Generation österreichischer Autoren wird u. a. repräsentiert durch die Dramatikerin M. Streeruwitz, die Prosaisten und Lyriker M.-T. Kerschbaumer, R. Schrott und C. Ransmayr, deren Literatur sich durch Bildmächtigkeit und politisches Bewusstsein auszeichnet oder durch den Romancier A. Geiger.
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