Lexikon
Soziạlgeschichte
im engeren Sinne eine Teildisziplin der Geschichtswissenschaft, entstanden im 19. Jahrhundert als Gegenströmung zur „allgemeinen Geschichte“, die sich in erster Linie mit der Geschichte der Politik und der Staaten befasste. Sozialgeschichte als Teildisziplin beschäftigte sich zunächst mit Lage und Geschichte der Unterschichten, dann auch der übrigen Klassen und Schichten, der gesellschaftlichen Organisationen und Bewegungen und der vorstaatlichen und nichtstaatlichen Institutionen wie Verbände, Vereine, Familie u. a.
Im weiteren Sinne bezeichnet Sozialgeschichte einen methodischen Ansatz, bei dem politische, ideologische oder kulturelle Vorgänge mit sozialökonomischen Faktoren in Verbindung gebracht und ökonomisch und soziologisch analysiert werden. Eine enge Zusammenarbeit mit den systematischen Sozialwissenschaften ist daher notwendig.
Sozialgeschichte als Aspekt, nicht als Teildisziplin, wird auch als Strukturgeschichte betrieben. Sie will alle Wirklichkeitsbereiche der Geschichte wie Wirtschaft, Gesellschaft, Staat, Recht, Ideen, Außenpolitik u. Ä. unter Betonung der überindividuellen Strukturen und Prozesse erfassen und die Abhängigkeit individueller Handlungen und Ereignisse von vorgegebenen und dem Handelnden oft unbewussten Strukturen und Verhältnissen herausarbeiten. Sozialgeschichte als Strukturgeschichte (gelegentlich als „historische Sozialwissenschaft“ bezeichnet) ist zu verstehen als Gegenposition zur individualisierenden Methode des Historismus und zur Ereignisgeschichte. Besonders einflussreich für die Entwicklung dieser Richtung ist die seit 1930 in Frankreich entstandene Schule der Annales.
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