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Theter

[griechisch theatron, Schauplatz]
die Gesamtheit der aufführenden Künste (Schauspiel, Musiktheater, Tanz) sowie das Gebäude, in dem die Aufführungen stattfinden. Nach Art des Spielplans unterscheidet man Opernhaus, Schauspielhaus, Kammerspiele, Kleinkunstbühne u. a.
Der Theaterbetrieb steht unter der Leitung eines Intendanten, eines Direktors oder eines gewählten Kollegiums. In künstlerischen Fragen stehen dem Intendanten ein Schauspiel- beziehungsweise Operndirektor oder die Oberspielleiter des Schauspiels, der Oper und der Operette sowie der Dramaturg zur Seite.

Geschichte

Die Anfänge des europäischen Theaters liegen in Griechenland; hier entstanden aus dem Dionysoskult sakrale Spiele, bei denen vor dem Heiligtum ein Chor und ein Vorsprecher in der Maske des Gottes den Dithyrambos vortrugen. Das attische Theater der Blütezeit (500400 v. Chr.; Äschylus, Sophokles, Euripides, Aristophanes) kannte nur Freilichtaufführungen. Der Hellenismus brachte einen zunehmend realistischen Darstellungsstil. In dieser Spätform dominierten die Römer (Plautus, Terenz) die Theatertradition.
Äschylus
Äschylus
Obwohl die christliche Kirche des Mittelalters dem Theater feindlich gegenüberstand, duldete sie seit dem 10. Jahrhundert szenische Darstellungen biblischer Stoffe (Mysterien-, Oster-, Passions-, Fronleichnams- und Krippenspiele). Die Bühne des Mittelalters war entweder die Wagenbühne, bei der die einzelnen Schauplätze am Zuschauer vorübergefahren wurden, oder die aus mehreren Schauplatzgerüsten bestehende Simultanbühne, bei der die Zuschauer von einer Dekoration zur anderen wanderten. Daneben wirkte die Tradition des Mimus in volkstümlichen Spielen nach und führte zum deutschen Fastnachtsspiel (H. Rosenplüt, J. Wickram, H. Sachs), das von den Handwerkern in ihren Meistersingerschulen gepflegt, aber in seiner volkstümlichen Entwicklung durch die Schuldramen der Humanisten gehemmt wurde.
In England verbanden sich Moralitäten und Renaissancetheater zu den Historien, einer Gattung, die Shakespeare zu höchster Vollendung brachte. Die Aufführungen lagen in Händen von Berufsschauspielern, die schon 1585 auch in Deutschland als „englische Komödianten“ auftraten und die Gründung von Berufsensembles anregten. In Spanien traten schon im 16. Jahrhundert Berufsschauspieler auf Marktplätzen und in Gasthäusern auf. Seinen Höhepunkt erlebte das spanische Theater im 17. Jahrhundert mit bedeutenden Dramatikern wie Lope de Vega (Vega Carpio), Calderón und Tirso de Molina. In Frankreich (Molière) herrschten im 17. Jahrhundert ein nüchternes, gleichbleibendes Bühnenbild, uniforme Kostüme und eine streng geregelte Deklamation und Gestik. In dieser Zeit entstand auch die Guckkastenbühne. Italien wurde damals das Geburtsland der Oper. Neben ihr entwickelte sich die Commedia dellArte, die Masken- und Stegreifkomödie.
Eine Schwerpunktsverlagerung der deutschen Theaterverhältnisse begann von der Literatur her. J. C. Gottsched, der die Deutschen mit dem klassischen Drama der Franzosen (J. B. Racine, P. Corneille, F.-M. Voltaire) durch Übersetzungen bekannt machte, bekämpfte mit Hilfe der Neuberschen Truppe Hanswurstiaden und Staatsaktionen und schuf die Vorbedingungen für einen neuen Bühnenstil und einen neuen Darstellungstyp. In Reaktion gegen Gottscheds Akademismus entstanden das bürgerliche Trauerspiel und die offene Form des Sturm und Drang. G. E. Lessings aufklärerisch klassische Stücke und seine theaterdidaktischen Arbeiten (Hamburgische Dramaturgie 17671769) waren ebenso bedeutsam wie die an Shakespeare geschulten Originaldramen der Stürmer und Dränger. In Weimar entstand unter Goethes Leitung und Schillers praktischer Mitarbeit der „klassische Stil“ mit seinem strengen Formalismus, der in der Folgezeit vor allem an den Hoftheatern Nachfolge fand. Um 1800 hatten die meisten Wandertruppen ein festes Heim gefunden. Überragend war die Stellung des Wiener Burgtheaters (J. Schreyvogel), des Münchner Hoftheaters (A. La Motte-Houdart), neben denen private Theaterunternehmen sich nur allmählich durchsetzen konnten. Dramaturgische Impulse gingen vor allem von K. Immermann (Düsseldorf), E. Devrient (Karlsruhe), H. Laube (Leipzig und Wien), F. Dingelstedt (Wien) u. R. Wagner (Bayreuth) aus. Einheitlichkeit und historische Treue waren das Anliegen der Meininger (seit 1874), die das Ensemblespiel zu vorher nicht gekannter Höhe brachten. Die entscheidende Bühnenreform im 19. Jahrhundert führte O. Brahm mit der Gründung des Vereins Freie Bühne in Berlin 1889 durch. Er verhalf dem eine möglichst naturgetreue Menschendarstellung anstrebenden Naturalismus durch die Aufführung der Dramen H. Ibsens, L. N. Tolstojs, G. Hauptmanns, A. Schnitzlers u. a. zum Durchbruch.
Neuromantische Gegenströmungen fanden in M. Reinhardts Stimmungsbühne (seit 1905 im „Deutschen Theater“ Berlin) ihren Niederschlag, die alle technischen und künstlerischen Mittel in intuitive Inszenierungen einbezog und Farbigkeit und Musikalität der Dramatik betonte. Expressionistische Elemente wurden aufgenommen in die Regiekunst L. Jeßners, der nach ekstatischem und monumentalem Ausdruck strebte, und in die Inszenierungen E. Piscators, der ein proletarisches Theater anstrebte. Stärkste Anregungen für den Bühnenstil des Expressionismus gingen von der russischen Bühne (Tairows „entfesseltes Theater“ 1923) aus. Bestrebungen zur Loslösung des Theaters von der Guckkastenbühne erkennt man in den zahlreichen Freilichtaufführungen, im Zimmertheater und in den Studiobühnen, die auf Dekorationen weitgehend verzichten und nur Stück und Darstellung gelten lassen. Tendenzen des heutigen Theaters sind die intellektuelle Andeutung und die Neigung zum Stilisieren, besonders im Bühnenbild. Einen großen Einfluss übte B. Brecht mit seinen Modellinszenierungen aus. Die in den Zuschauerraum vorspringende Raumbühne will die scharfe Grenze zwischen Darsteller und Publikum aufheben und einen engeren Kontakt zwischen ihnen herstellen.
In den 1960er und 1970er Jahren herrschte das politische und dokumentarische Theater vor (R. Hochhuth, P. Weiss). Zu Beginn der 1980er Jahre wurde eine Wendung zur Subjektivität deutlich. Neue Wirkungsmöglichkeiten suchte sich das Theater durch die Erschließung weiterer Publikumsschichten (Kindertheater); auch versuchte man den Zuschauer außerhalb des Theatergebäudes anzusprechen (Straßentheater). Ferner versuchte sich das Theater aus dem Korsett des dramatischen Textes zu befreien und setzte verstärkt auf Formen der Collage, der Performance und der Entwicklung thematischer Projekte. Wegweisend dafür sind Regiearbeiten von R. Wilson oder Textfragmente von E. Jelinek oder H. Achternbusch. Zu Beginn des 21 Jahrhunderts hat sich die Bedeutung des Regisseurs (Regietheater) erneut verstärkt und zu einer großen Breite von individuell geprägten Inszenierungsarten geführt. Klassikerinszenierungen nehmen dabei nach wie vor einen großen Platz im Repertoire deutschsprachiger Bühnen ein. In Deutschland gibt es zurzeit 143 Theater in öffentlicher Trägerschaft, 179 Privattheater und 36 Festspielstätten.
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