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WTO

Abkürzung für World Trade Organization (Welthandelsorganisation), 1995 als institutioneller Rahmen für mehrere Freihandelsabkommen und das General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) geschaffen, das am 30. 10. 1947 von 23 Ländern in Genf als internationales Abkommen über den Abbau der Zoll- und Handelsschranken und die Vereinheitlichung der Zoll- und Handelspraxis im zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr unterzeichnet wurde; zuvor war die Schaffung der ITO (International Trade Organization) gescheitert, die die Bretton Woods-Organisationen IWF und Weltbank ergänzen sollte; das GATT war der erste Schritt zur Verwirklichung der freihändlerischen Havanna-Charta, die im März 1948 von 54 Ländern gutgeheißen wurde. Das GATT wurde in der Folgezeit von 125 Staaten ratifiziert. Die Bundesrepublik Deutschland wurde 1950 Unterzeichnerstaat.
Ziele und Grundsätze: Zur Verwirklichung des Freihandels im Rahmen des GATT waren die für die WTO auch heute geltenden Verhaltenskodizes maßgebend: Im Rahmen der Zollpolitik gilt der Grundsatz der unbedingten Meistbegünstigung, d. h., alle Zollvergünstigungen, die ein Mitglied einem anderen Partner gewährt, gelten sofort und ohne Gegenleistung auch für alle anderen Partner. Im Rahmen der Außenhandelspolitik der Mitgliedsstaaten sind Kontingentierungen grundsätzlich verboten. Ausnahmen gelten für den Agrarsektor, bei Mangellagen im Inland, bei drohendem Zahlungsbilanzungleichgewicht und zum Schutz einer noch im Aufbau befindlichen inländischen Industrie. Im Rahmen der Devisenpolitik wird der Abbau der Devisenbewirtschaftung angestrebt.
Entwicklung: Die Ziele der WTO, vor allem im Bereich der Zollsenkung, wurden in zahlreichen Zollkonferenzen ihrer Verwirklichung näher gebracht, den sog. Zollrunden von Genf (1947), Annecy (1949), Torquay (1950/51), der Dillon-Runde (1961/62), Kennedy-Runde (19641967), Tokyo-Runde (19731979) und Uruguay-Runde (19861994). Die Tokyo-Runde hatte zum Ergebnis, dass von 1980 an über 8 Jahre hinweg Zollsenkungen erfolgten. Darüber hinaus wurde der Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse (wie Beihilfen und Ausgleichszölle, technische Vorschriften und Importregelungen) sowie u. a. ein revidierter Anti-Dumping-Kodex beschlossen. Die Uruguay-Runde beschäftigte sich mit Regelungslücken des Freihandels: Dienstleistungen, Handel mit Textilien, Produkte der Telekommunikation, Schutz geistigen Eigentums. Im Zentrum der langwierigen Verhandlungen stand jedoch der Agrarprotektionismus, der angesichts der allgemeinen Tendenz zur Liberalisierung der Weltmärkte nach Ende der Ost-West-Spaltung der Welt überwunden werden sollte. Die Einigung in der Uruguay-Runde, die zur stärkeren Institutionalisierung durch Schaffung der WTO führte, war nur durch erste Zugeständnisse der USA und der EG-Mitglieder beim Abbau der Markt verzerrenden Subventionen ihrer eigenen Landwirtschaft möglich geworden. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre überwog angesichts der ökonomischen Globalisierung der Liberalisierungs- und Wachstumsglaube, ohne jedoch grundlegende WTO-Fortschritte zu bringen. Nach einem erstmaligen Scheitern eines WTO-Treffens 1999 in Seattle aufgrund von Protesten durch sog. Globalisierungsgegner liegt der Schwerpunkt der 2001 in Doha (Katar) begonnenen Handelsrunde (Doha-Runde) auf den anerkannten Anliegen der Entwicklungsländer (Doha Development Agenda). Die Doha-Runde sollte 2004 abgeschlossen werden und die Benachteiligung der Entwicklungs- und Schwellenländer beim beschränkten Zugang zu den Märkten der Industrieländer (vor allem USA, EU, Japan) abbauen, konnte jedoch auf den Ministerkonferenzen 2003 (Cancun) und 2005 (Hongkong) nur beschränkte Verhandlungsfortschritte besonders über die Frage der Agrarsubventionen der entwickelten Länder erzielen. Vereinbart wurde ein Auslaufen von Exportbeihilfen für Agrargüter bis Ende 2013. Ferner gab es einige grundlegende Verbesserungen für die ärmsten Entwicklungsländer („least developed countries“, LDC), für deren Exportgüter Importzölle der Industrieländer vollständig entfallen sollen. In den Kernbereichen der Doha-Runde (Landwirtschaft, Industriegüter, Dienstleistungen) steht der Verhandlungsdurchbruch jedoch noch aus, da der Umfang der Zugeständnisse der Industrie- an die Entwicklungs- und Schwellenländer weiterhin ebenso umstritten ist wie die Verteilung der Lasten unter den G8-Staaten. Durch die Bildung von festeren Verhandlungsgruppen unter den Schwellen- (G20) und Entwicklungsländern (G90) sind Verhandlungserfolge nur noch schwer zu erzielen.
Organisation: Die WTO, mit Sitz in Genf, verfügt über mehr Kompetenzen als das GATT und aufgrund der umfangreicheren Organisationsstruktur über eine verbesserte Arbeitsfähigkeit; sie kontrolliert die Einhaltung ihrer Regeln bei den Mitgliedsstaaten, beaufsichtigt deren nationale Handelspolitik und tritt bei Handelskonflikten zwischen den Mitgliedsstaaten als Schlichter auf. Für die Streitbeilegung wurde ein eigenes Schiedsgericht geschaffen (Dispute Settlement Body, DSB), dessen Entscheidungen für beide Seiten verbindlich sind; das DSB hat bisher in über 300 Handelsstreitigkeiten entschieden. Die nationalen Mitgliedsregierungen müssen die nationalen Regelungen und bilateralen Abkommen mit den WTO-Regelungen in Einklang bringen. Mit Gründung der WTO wurden die internationalen Vereinbarungen des GATT Grundlage für den Beitritt zur WTO und sind damit formalrechtlich unter eine internationale Organisation gestellt. Neben der Übernahme der GATT-Regeln bezieht die WTO das Allgemeine Abkommen über Handel mit Dienstleistungen (GATS) sowie das Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (TRIPS) als weitere Säulen des WTO-Regelungssystems ein. Die WTO hat zur Zeit 153 Mitglieder; Hauptorgane sind die Ministerkonferenz, die sich aus den Vertretern aller Mitgliedsstaaten zusammensetzt, sowie der Allgemeine Rat, der die Tagesgeschäfte führt. Den Allgemeinen Rat unterstützen der Rat für Warenhandel, der Rat für Dienstleistungshandel, der Rat für handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums, der Ausschuss für Handel und Entwicklung, der Ausschuss für Zahlungsbilanzen sowie der Ausschuss für Haushalt, Finanzen und Verwaltung. Das Sekretariat mit Sitz in Genf hat lediglich unterstützende Funktionen bei der Organisation der Aufgaben, Beratung der Mitglieder und Vorbereitung der Verhandlungen. Der Generalsekretär an seiner Spitze, derzeit der ehemalige EU-Kommissar Pascal Lamy, bereitet u. a. die Ministerkonferenzen vor. Die Europäische Union ist eigenständiges WTO-Mitglied; die EU-Mitgliedsstaaten führen, auch wenn jeder EU-Mitgliedsstaat selbst Mitglied der WTO ist, eine gemeinsame Außenhandelspolitik, die bei WTO-Treffen von der Europäischen Kommission wahrgenommen wird.
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