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"Man muss die Menschen mitnehmen ..."
Herr Pescht, wie haben Sie den 9. November 1989 erlebt?
Am Abend des 9. November 1989 war ich, wie eigentlich immer donnerstags während meiner zehnten Klasse, zu Hause. Auf dem Lande abseits der urbanen Zentren tickt das Leben ja prinzipiell etwas anders. In meinem kleinen 200-Seelen-Dorf Blankenburg gab es zu DDR-Zeiten natürlich auch Vermutungen, wer bei der Stasi ist und man benahm sich dem ABV [Abschnittsbevollmächtigten, Anm. der Redaktion] gegenüber anders als vertrauten Nachbarn, aber Friedensgebete und Montagsdemos gab erst es in der Kreisstadt, 20 Autominuten entfernt.
Das erste Zeichen, dass da eine neue Freiheit ist, war für mich das Fehlen eines Mitschülers am Freitag. Wir dachten uns schon, dass er mit seiner Familie gleich über die offene Grenze ist, um "den Westen" mal auszuprobieren und die 100 DM abzuholen. Etwas besonderes gefühlt habe ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Auch war mir damals die Tragweite dieses Moments nicht bewusst. Für mich persönlich bedeutete es nur, dass ich von nun an ohne Formalitäten meine Großtante im Teutoburger Wald besuchen konnte.