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Maria Theresia: Der Mythos der makellosen Landesmutter

Von ihren Zeitgenossen wurde Maria Theresia als große Monarchin und vorbildliche Mutter schwärmerisch verehrt - und auch spätere Historiker stellten die Habsburgerin oft als perfekte Herrscherin und Weiblichkeitsideal in Personalunion dar. Doch was ist dran an den Klischees um eine der wohl mächtigsten Frauen der Geschichte? Eine neue Biografie zum 300. Geburtstag zeigt die Erzherzogin von Österreich von einer anderen, weniger stereotypenbehafteten Seite.
DAL, 12.05.2017

Porträt Maria Theresias (um 1752). Auf dem roten Kissen liegen die ungarische Stephanskrone, die böhmische Wenzelskrone und der österreichische Erzherzogshut als Symbole ihrer Macht.

Martin van Meytens / Gemeinfrei

Maria Theresia ging als die große Gegenspielerin des preußischen Königs Friedrich des Großen in die Geschichte ein. Als erste und letzte weibliche Herrscherin in der 650-jährigen Geschichte des Geschlechts der Habsburger übernahm sie nach dem Tod ihres Vaters im Alter von 23 Jahren die Regierung der habsburgischen Länder und wurde Erzherzogin von Österreich.

Mütterliche Kaiserin

Obwohl nie selbst gekrönt, wurde sie später als Kaiserin Maria Theresia berühmt. Denn der Tradition nach durfte sie sich so nennen, nachdem ihr Ehemann Franz Stephan 1745 zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gewählt worden war. Tatsächlich hatte Maria Theresia innerhalb dieser Verbindung in vielerlei Hinsicht das Zepter in der Hand. So war Franz Stephan formal zwar auch Mitregent in den Habsburger Erblanden. Ohne nennenswerte militärische oder politische Begabung überließ er die Regierungsgeschäfte der Habsburgermonarchie jedoch seiner Gattin.

Während ihrer Regentschaft machte sich Maria Theresia durch zahlreiche Reformen bei vielen ihrer Untertanen beliebt: Sie beschnitt die Rechte der Adligen, führte eine zentrale Staatsverwaltung ein, förderte Handel, Industrie und Landwirtschaft und ermöglichte auch den einfachen Bürgern eine Schulbildung. Nebenbei schenkte sie ihrem Mann insgesamt sechzehn Kinder und wurde als Folge zur symbolträchtigen Mutterfigur.

Maria Theresia von Österreich und Franz Stephan von Lothringen im Kreise ihrer Kinder.

Martin van Meytens / Gemeinfrei

Unhaltbare Klischees

"Der Mythos beschreibt Maria Theresia als Herrscherin der Herzen, die ihre Kinder und Untertanen liebte, als Heldin, die Recht gegen Macht verteidigte, als bieder-bürgerliche Reichshausfrau, die mit Privilegien und steifem Zeremoniell am Hof aufräumte, und als Begründerin des modernen Verwaltungsstaates", sagt Barbara Stollberg-Rilinger von der Universität Münster. Doch was ist dran an diesem makellosen Bild der treusorgenden Landesmutter, das auch Historiker oft von der Habsburger Kaiserin zeichnen?

Zum 300. Geburtstag Maria Theresias hat Stollberg-Rilinger eine Biografie verfasst, für die sie zahlreiche Quellen ausgewertet hat - von Archivalien in Zentralbehörden, über Gesandtenberichte, bis hin zu Tagebüchern und Briefen der Kaiserin selbst. Ihre Auswertung zeigt: Die von ihrem Volk geliebte Herrscherin hatte auch andere Seiten. "Viele der Stereotype lassen sich nicht halten", sagt die Geschichtswissenschaftlerin.

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