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Mythos Unsportlichkeit

Wenn Peter nicht gerade vor seinen Hausaufgaben sitzt, findet man ihn fast immer auf den Sportplätzen seiner Stadt. Er spielt Fußball, wirft Körbe, klettert Seile hoch, und im Schulsport hängt er regelmäßig seine Mitschüler ab. Eine von Ihnen ist Ines. Wenn die anderen am Reck schwingen oder ihren Kraul-Stil verfeinern, möchte sie sich am liebsten im Geräteraum verstecken oder abtauchen. Sport ist so gar nicht ihr Ding. Sie sagt, sie sei unsportlich, als wäre das eine unveränderbare Eigenschaft wie die Hautfarbe oder die Körpergröße.
von wissen.de-Autorin Nicole Simon

Menschen wie Ines und Peter gibt es wahrscheinlich an jeder Schule und in jeder Stadt. Manche von uns können sich ein Leben ohne Sport nicht vorstellen, andere verzichten liebend gern auf Schweißtropfen auf der Stirn und einen pochenden Puls. Aber woran liegt das? Gibt es tatsächlich unsportliche und sportliche Menschen? Werden einige Menschen zum Spitzensportler geboren, während andere dazu verdammt sind, eine lahme Ente zu bleiben? Fragt man Wissenschaftler, fällt die Antwort eindeutig aus: Unsportlichkeit als angeborene Eigenschaft gibt es genauso wenig wie Sportlichkeit. Allerdings gibt es viele Gründe dafür, warum mache Menschen sich mehr bewegen als andere.

 

Aus sportlichen Kindern werden sportliche Erwachsene

Den größten Einfluss hat das Umfeld auf uns, unsere Eltern, unsere Freunde. Wer von ihnen lernt, dass Sport zum Alltag dazu gehört, der baut Bewegung ganz selbstverständlich in sein Leben ein. Kinder, die viel herumtoben, schon früh in einem Verein Sport treiben, entwickeln spielerisch Fitness, Kraft, Gleichgewicht und einen Sinn für Koordination. Ihr Körper richtet sich noch im Wachstum darauf aus, sich viel zu bewegen. „Aufholen lässt sich der Unterschied kaum noch. Die Strukturen aus Nerven und Muskeln bilden sich vor allem im Kindesalter“, sagt Prof. Dr. Rüdiger Reer, stellv. Leiter der Abteilung Sport- und Bewegungsmedizin der Universität Hamburg. Wer in diesen Jahren seine Begeisterung für Sport entdeckt, sorgt für den Rest seines Lebens vor.

 

Nicht jeder muss Spitzensport treiben

Kind macht einen Kopfstand
shutterstock.com/Suzanne Tucker

Die Kinder, die sich nach Jahren ohne viel Bewegung im Schulsport messen sollen, kommen sich dagegen oft ziemlich hilflos vor. Ihnen fehlt die Leichtigkeit, die Selbstverständlichkeit, ihren Körper einzusetzen. Nach ein paar blöden Sprüchen von den Mitschülern möchten sie sich am liebsten verkriechen. Doch das muss nicht so bleiben. Selbst wer spät anfängt, kann noch ein guter Sportler werden, sich einen fitten und gesunden Körper antrainieren.

Einige Menschen glauben jedoch, ihnen liege Sport einfach nicht. Tatsächlich spielen die Gene eine Rolle dabei, wie gut jemand in bestimmten Sportarten werden kann. „Extreme Beweglichkeit wird zu einem gewissen Anteil vererbt. Das gleiche gilt für die weiße Muskulatur, jenem Teil der Muskeln, den wir zum Sprinten benötigen“, so Reer. Wer hier benachteiligt ist, wird wahrscheinlich nie einen Weltrekord laufen.

Eine Ausrede für Sportmuffel ist das trotzdem nicht. Zum Joggen ist jeder gesunde Körper geeignet. Die Muskulatur lässt sich in jedem Alter aufbauen und mit ein wenig Training, bekommt man auch einen Handstand auf die Reihe. Das größere Problem ist der innere Schweinehund, der sagt: „Du hast keine Zeit.“. „Das Wetter ist zu schlecht.“. „Das wird doch wieder so anstrengend.“ Genau deshalb ist es wichtig, dass man sich einen Sport sucht, der einem Spaß macht und der zu einem passt.  

 

Sport macht Spaß und sogar schlau

Selbst wer mit der Koordination von Bällen so seine Schwierigkeiten hat, kann laufen gehen, klettern oder Skatebord fahren. Und wer sich schwer tut, sich auf Anhieb für einen Sport zu entscheiden, hat nur eine Wahl: Ausprobieren. Der Körper wird sich für den Einsatz bedanken.

Denn Rumsitzen ist nicht nur eintönig, sondern auch ziemlich ungesund. Forscher haben berechnet: Jährlich sterben rund fünf Millionen Menschen, weil Sie sich zu wenig bewegen. Trägheit spielt eine wichtige Rolle bei ganz verschiedenen Krankheiten. Dazu zählt die Zuckerkrankheit Diabetes, ein krankes Herz, verstopfte Adern oder starkes Übergewicht. Als Kind sitzt man in der Schule und bei den Hausaufgaben. Für viele geht es danach direkt an den Computer oder vor den Fernseher. Dabei giert der Körper jetzt nach Bewegung. Also rauf auf das Fahrrad oder mit den Freunden zum Fußballplatz! Die Bewegung wirft wichtige Stoffwechselvorgänge in Gang – von den Knochen bis zum Herz. Am besten, sagen Wissenschaftler wie Reer, bewegt man sich jeden Tag mindestens eine halbe Stunde. Auch Fahrradfahren zur Schule zählt. Mit so viel Bewegung profitiert auch das Gehirn. Denn beim Sport verknüpfen sich Nervenzellen, neue Wege für Informationen werden angelegt, andere umgebaut. Das kann sich sogar auf die Schulnoten auswirken.

 

Trendsportarten machen Lust auf den Sportunterricht

Wer Sport macht, dem fällt es oft leichter zu lernen und sich zu konzentrieren. Außerdem steigern Erfolge das Selbstbewusstsein. Und wer merkt, dass sich der Einsatz lohnt, traut sich das auch außerhalb des Sports zu. Das haben auch einige Schulen verstanden und verbannen Medizinbälle und Kästen auf die Ersatzbank. Auf dem Lehrplan steht dagegen, was im Trend liegt. Schüler lernen Inline-Skating, Street-Basketball oder Beach-Volleyball. Schulen bieten AGs an für weniger verbreitete Sportarten wie Ultimate Frisbee, Baseball, Jonglieren oder Akrobatik. In Gruppen fällt es Kindern leichter, regelmäßig etwas für ihren Körper zu machen und sich auch mal auszupowern. Und wenn die ersten Erfolge kommen, die Mitschüler sehen, was man alles geschafft hat, dann hat auch der Schweinehund nichts mehr zu sagen.

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