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Nebenberuflich selbständig – so fassen Jungunternehmer Fuß

Während die einen nach dem Abi die Welt bereisen und per Working Holidays im Ausland ihren Horizont erweitern, entscheiden sich die anderen dazu, sich direkt ins Arbeitsleben zu stürzen. Die Versuchung ist außerdem für viele groß, sich in der allgemeinen Aufbruchstimmung der Gründerszene selbständig zu machen. Es scheint so, als sei alles möglich: das Abi in der Tasche, den Kopf voller Ideen und noch jede Menge Zeit, um diese zu verwirklichen.

Aufbruchstimmung ist prima, sollte bei der Unternehmungsgründung aber nie der alleinige Maßstab sein.

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Doch bevor sich junge Menschen Hals über Kopf in ein finanzielles Abenteuer stürzen, sollten Sie lieber mit Kalkül herangehen. Denn es besteht grundsätzlich das Risiko, sich zu übernehmen und schon in jungen Jahren in die Verschuldung zu schlittern. Zum einen gibt es sinnvolle Regeln, die allzu unbedarfte Verbraucher vor einer vermeidbaren Verschuldung bewahren. Und zum anderen gibt es eine Strategie, wie sich bereits als junger Mensch ein Unternehmen gründen lässt, ohne große finanzielle Risiken tragen zu müssen. Das Zauberwort lautet „Nebenberufliche Selbständigkeit“.

Wie das gehen kann, ist Thema dieses Beitrags.

Selbständigkeit zunächst nicht als alleinige Einnahmequelle sehen

Während die Zahl der Selbständigen gemäß einer Publikation vom Statistischen Bundesamt aus dem Jahr 2013 (siehe Seite 484 Schaubild 1) nach einem Höchststand im Jahr 2005 geradezu absturzartig zurückgegangen ist und sich bis 2011 wieder erholte, so sinkt sie inzwischen langsam aber stetig im Vergleich zur Zahl der Arbeitnehmerinnen. Und das hat gute Gründe. Immerhin benennt das Bundeswirtschaftsministerium

  • finanzielle Fehlplanung und
  • Zahlungsunfähigkeit (auch aufgrund schlechter Zahlungsmoral der Kunden)

als häufigste Gründe, die ein Unternehmen in den ersten drei Jahren scheitern lassen. Dessen sollten sich gerade angehende Jungunternehmer bewusst sein. Trotzdem darf das finanzielle Damoklesschwert nicht dazu führen, dass die Gründungsbereitschaft zurückgeht. Es gilt, sich einen sicheren Rahmen zu schaffen, aus dem heraus die Existenzgründung gelingt und selbst, wenn das Projekt Selbständigkeit scheitert, nicht zu einem gesellschaftlichen, persönlichen und finanziellen Totalschaden führt.

Erst der Brot- und Butterjob, dann die Selbständigkeit

Eine sichere Basis ist es, aus einem festen Anstellungsverhältnis heraus die Selbständigkeit vorzubereiten. Wer sich beruflich nicht in einer anderen Firma verwirklichen will, sondern seine Anstellung als Brot- und Butterjob betrachtet, hat ausreichend Energie, nebenberuflich sein eigenes Unternehmen aufzubauen. Allerdings ist es ratsam, alleine schon aus Fairnessgründen, dem aktuellen Arbeitgeber gegenüber zu sagen, dass man nebenberuflich selbständig ist. Die Informationspflicht ist ohnehin in den meisten Arbeitsverträgen schriftlich fixiert und wer dagegen verstößt, riskiert, fristlos gekündigt zu werden.

Gründen mit Komponenten – ein erprobtes Modell der FU Berlin

Wer hauptberuflich das Geld als Angestellter verdient, hat naturgemäß nur wenige Stunden am Tag Zeit, um sich seiner nebenberuflichen Karriere zu widmen. Deshalb ist es hilfreich, einzelne Bausteine des Unternehmens auszulagern, in der Fachsprache „Outsourcing“ genannt. Professor Günter Faltin betreut an der Freien Universität Berlin den Arbeitsbereich Entrepreneurship. Dort lehrt er Studenten, wie sie eine Geschäftsidee marktreif entwickeln und ein Geschäftsmodell so gestalten, dass lediglich das Kerngeschäft beim Gründer bleibt und alle anderen Komponenten von professionellen Dienstleistern übernommen werden. Zu den Aufgaben, die sich outsourcen lassen, gehören unter anderem diese:

  • Internetauftritt
  • Logistik
  • Marketing
  • Buchhaltung
  • Onlineshop
  • Sekretariat

Am Beispiel der Sekretariatsdienstleistung soll erklärt werden, wie das von Professor Faltin bezeichnete „Gründen mit Komponenten“ funktioniert:

Beispiel: Ein Unternehmen sollte erreichbar sein. Das gilt nicht nur online, sondern auch per Telefon. Ist der Unternehmer einmal nicht erreichbar, wird die Telefonnummer auf ein externes Sekretariat umgeleitet. Dieses nimmt den Anruf entgegen und handelt im Sinne des Unternehmers – ganz so, wie es individuell vereinbart wird. Die Dienstleistung kostet kleines Geld und es gibt eine ganze Reihe von Dienstleistern, die bundesweit arbeiten. Ab ungefähr zwanzig Euro pro Monat ist eine Erreichbarkeit und professionelle Betreuung der potenziellen Kunden rund um die Uhr gewährleistet.

Persönlichkeit ist Trumpf – Auftrags-Booster Messeauftritt

Es ist verlockend, im Internet ein Unternehmen aufzusetzen und Marketing und Vertrieb komplett über virtuelle Kanäle zu betreiben. Doch auf, wenn das World Wide Web quasi in jeder Sekunde unseres Lebens präsent ist, so hat eines seine unersetzliche Durchschlagskraft nicht verloren: der persönliche Auftritt.

Wenn es Gründern gelingt, im Fernsehen in der Höhle der Löwen zu erscheinen, können Sie mit einem Auftragsschub rechnen. Wer den Weg dorthin nicht schafft, kann sich trotzdem interessierten Besuchern vorstellen. Auf einer Messe erscheinen Fachbesucher und Privatpersonen, die sich ausdrücklich für die Branche interessieren. Sich hier zu präsentieren wirkt ebenfalls als Auftrags-Booster. Sicherlich nicht so stark, wie ein Fernsehauftritt, der Millionen Menschen erreicht, dennoch gelingt es, neue Kunden zu akquirieren.

Auch in Zeiten der digitalen Kommunikation benötigen Unternehmen echte Marktplätze, um mit ihren Zielgruppen in Kontakt zu treten.

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Wichtig ist, einen professionellen Auftritt hinzulegen und sich mit einem stimmigen Messestand zu präsentieren. Dieser muss gar nicht zu teuer sein. Ausschlaggebend ist, dass der Messestand zum Umfeld passt und den Gründer adäquat in Szene setzt. Je nach Messe und Veranstaltungsrahmen sind schlichte Rollups in Kombination mit einem Stehtisch ratsam (z. B. bei der Präsentation im Rahmen der örtlichen Wirtschaftsförderung oder einer Veranstaltung in der lokal ansässigen Bank). Größere Messen mit überregionalem Charakter, auf denen mehr Platz zur Verfügung steht, sind eine gute Umgebung für eine Messetheke mit einem raumgreifenden Faltdisplay. Unterm Strich müssen sich Gründer mit dem Equipment wohl fühlen, dann wirken sie selbstsicher und können sich ganz auf die Repräsentation und die Gewinnung potenzieller Kunden konzentrieren.

Controlling einrichten und Umsatz- und Gewinnentwicklung verfolgen

Um aus der nebenberuflichen Selbstständigkeit Schritt für Schritt in eine völlig unabhängige Selbstähnlichkeit zu gehen, ist ein Controlling unverzichtbar. Dieses sollte bereits möglichst früh im Unternehmen eingerichtet werden. Gründer überblicken damit, wie sich die Umsätze und Gewinne entwickeln. Außerdem erkennen sie, mit welchen Maßnahmen sie die betrieblichen Kostenschrauben verstellen. Erst, wenn die Gewinne stabil sind und sich voraussichtlich nach oben entwickeln, sollten Gründer die stundenweise Reduzierung ihres Brot- und Butterjobs zugunsten der Selbständigkeit anstreben.

Tipp: Gründer sollten mit ihrer Krankenkasse klären, ab wann sie die Kosten für die Beiträge selber übernehmen müssen. Der Zeitpunkt hängt unter anderem vom zeitlichen Engagement in Kombination mit dem Einkommen ab. Ein Anruf bei der Kasse hilft dabei, die individuellen Rahmenbedingungen zu erfahren und die anfallenden Kosten im Finanzplan zu berücksichtigen.

Wer so umsichtig und vorausschauend plant, fasst als Jungunternehmer Fuß, ohne das existenzielle Risiko einer Insolvenz einzugehen.

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