Audio

Zucker - das süße Salz (Podcast 123)

0:00

Die meisten von uns essen ihn jeden Tag, auch wenn er in den Speisen nicht immer erkennbar ist – die Rede ist natürlich vom Zucker. Zucker versüßt unser Leben! Und kaum jemand dürfte lange Zeit auf ihn verzichten wollen. In seiner heutigen Form gibt es Zucker, das "süße Salz" wie es im 18. Jahrhundert genannt wurde, aber erst seit 200 Jahren – und das hat erstaunlicherweise mit Napoleon Bonaparte zu tun. Hören Sie unseren Beitrag "Zucker – das süße Salz".

 

Europa ohne Zucker

 

Die älteste Art und Weise, Speisen zu süßen, ist die Verwendung von Honig. Der süße Saft wurde bereits seit der Steinzeit genutzt. Um das 7. Jahrtausend vor Christus vermutet man in Anatolien den Beginn der gezielten Aufzucht von Bienen. Die organisierte Bienenhaltung, wie wir sie heute noch kennen, entwickelte sich parallel zur Entstehung der großen Kulturen in Ägypten und Mesopotamien um 2500 vor Christus


Doch bereits zum damaligen Zeitpunkt galt in anderen Ländern – etwa in Papua Neuguinea, in Indien und der arabischen Welt – längst eine andere Quelle als Süßelieferant schlechthin: der Rohrzucker. Rohrzucker ist dort seit mindestens 8.000 Jahren bekannt. In Persien goss man schon um 600 nach Christus heißen Zuckerrohrsaft in kleine Holz- oder Tonkegel, in denen die süße Masse zum Zuckerhut auskristallisierte. In dieser Form kam der Zucker jahrhundelang nach Europa – bis der Nachschub vom einen auf den anderen Tag abgeschnitten wurde...

 

Der Zucker und Napoleon

 

Die Verantwortung dafür, dass Rohrzucker plötzlich zur Mangelware erklärt wurde, trägt Napoleon! Und aus „süßer“ Sicht gebührt ihm dafür unser Dank!

Doch holen wir zunächst noch etwas weiter aus: Schon um 420 vor Christus beschreibt die griechische Literatur die Zuckerrübe als „vielseitige Gartenpflanze“. Im 15. Jahrhundert wurde sie in unterschiedlichsten Varianten in ganz Europa angebaut. Besonders bekannt ist übrigens die rote Sorte – genannt „Rote Bete“. Darauf, dass sich ein zuckerähnlicher Sirup bildet, wenn man die Runkelrübe kocht, war man schon vor langer Zeit gestoßen, jedoch schenkte man dieser Tatsache kaum Beachtung.

Es war das Jahr 1747, als der Chemiker Andreas Sigismund Marggraf in der Runkelrübe Saccharose entdeckte. Nutzbar machte diese Erkenntnis sein Schüler Franz Carl Achard.

Der deutsche Naturwissenschaftler entwickelte eine Technik, mittels derer aus den Rüben Zucker in sehr großen Mengen gewonnen werden konnte. 1802 errichtete er die erste funktionsfähige Zuckerrübenfabrik der Welt. Doch sein Produkt wurde verachtet und verschmäht – Rüben galten nämlich als Tierfutter – und konnte sich erst mit deutlicher Verspätung durchsetzen und das Monopol der Kolonialmächte beenden. Ohne Achard, der 1821 verarmt und vergessen gestorben war, würden wir womöglich heute noch mit Rohrzucker süßen.

Zu Dank sind wir – wie bereits angedeutet – aber eben auch Napoleon Bonaparte verpflichtet: Ohne sein strategisches Geschick und ohne seine Vormachtstellung in Europa hätte es keine Kontinentalsperre und somit seinerzeit auch kein „Zuckerrohr-Embargo“ gegeben: Die Wirtschaftsblockade richtete sich nämlich gegen England. Und hier saßen die Zuckerimporteure!

Die Kehrtwende in der Zuckerwirtschaft lässt sich also auf den 21. November 1806 datieren, als Napoleon die Kontinentalsperre verkündete und somit den englischen Schiffen das Anlaufen der europäischen Häfen verbot. Plötzlich verschwand der Zucker aus den Regalen und galt fortan als absolutes Luxusgut. Als man Napoleon zwei aus Zuckerrüben hergestellte Zuckerhüte überreichte, war dieser derart begeistert, dass er sofort den Anbau von Zuckerrüben veranlasste und die Gründung von Zuckerrübenfabriken aktiv unterstützte. Doch auch nach Aufhebung der Blockade im Jahre 1814 unterstützte die französische Regierung weiterhin den Anbau der Rüben und die Verbesserung der Techniken zur Zucker-Extraktion.

Heute decken die Rüben circa 40 Prozent des Zuckerbedarfs weltweit. Und Hauptproduzenten sind nach wie vor Frankreich und Deutschland. Zwar findet sich auch Rohrzucker noch in der Feinkostabteilung des Supermarktes, 90 Prozent des in Europa konsumierten Zuckers aber stammen aus heimischem Anbau.

 

Zucker und Süßstoffe

 

Zum Zucker, beziehungsweise zur Saccharose, gibt es Alternativen: Da sind zum einen die künstlich hergestellten Süßstoffe, die meist aus Diät-Gründen gewählt werden, da Zucker ein erstklassiger Energieträger ist. Der älteste künstliche Süßstoff ist Saccharin, das bereits 1878 entdeckt wurde und 300- bis 700-mal süßer ist als Zucker.


Zum anderen werden – beispielsweise im asiatischen Raum – bereits seit vielen Jahrhunderten Pflanzen genutzt, die andere, „natürliche“ Süßmittel als Saccharose bereitstellen. Die zu den Kürbispflanzen gehörende Luo Han Guo, eine sehr Vitamin-C-haltige Frucht, wird in China seit vielen Generationen sowohl zu Heilzwecken als auch zum Süßen der Speisen verwendet.

 

Zucker fürs Gemüt

 

Jeder kennt den Geschmack von Zucker – und doch wissen nur die wenigsten, dass es sich dabei um Saccharide handelt. Dabei sind Monosaccharide der Überbegriff unter anderen für Fructose, also Fruchtzucker, und die als Traubenzucker bekannte Glucose.

Was wir als Haushaltszucker kennen, ist Saccharose –  übrigens eines der wenigen Nahrungsmittel, die kein Mindesthaltbarkeitsdatum zu tragen brauchen, da Zucker nicht schnell verdirbt.

Was viele von uns am Zucker, zumal in Verbindung mit Schokolade, so lieben, ist der kleine Schub „Glückseligkeit“. Ein Schokoriegel zum Beispiel, also die Kombination von Kohlenhydraten und Fetten, stimuliert das Hormonsystem, quasi die Geschäftsführung unseres seelischen Haushalts. Die Wirkung ist leicht „antidepressiv“. Und nicht nur das: Die wohl dosierte Zufuhr an Kohlenhydraten steigert Reaktionsvermögen und Konzentrationsfähigkeit. Zucker hat also eine positive Wirkung auf Stimmungslage und Leistungsfähigkeit – kann aber auch abhängig machen. Denn er beeinflusst den Stoffwechsel einer bestimmten Substanz im Gehirn – genannt Serotonin. Serotonin ist der Botenstoff für gute Nachrichten. Und darauf, wie viel Serotonin gebildet wird, nimmt unser Speiseplan Einfluss. Essen wir Zucker, schüttet unser Körper Insulin aus, das wiederum dafür sorgt, dass im Gehirn Serotonin entsteht.

 

Zucker und Zähneknirschen

 

Doch kein Zucker-Glück ohne „bitteren“ Nachgeschmack: Zucker ist reich an Kalorien. In den letzten 150 Jahren hat sich der Zuckerkonsum um etwa das Zwanzigfache gesteigert und somit zur dramatischen Übergewichtsproblematik gerade der nahrungsmitteltechnisch hochentwickelten Industriestaaten erheblich beigetragen. Gerade Limonaden, „Energy Drinks“ und sogenannte  „probiotische“ Joghurtgetränke haben einen hohen Zuckergehalt, der schon im frühen Kindesalter – im wahrsten Sinne – schwere Folgen haben kann.


Dazu bewirkt Zucker Zahnkaries. Entsprechend sollte man sich beim Konsum zurückhalten – oder zumindest eine Zahnzusatzversicherung abschließen...

An der Zuckerkrankheit ist der Zuckerkonsum nach heutigem Wissensstand allerdings nicht direkt beteiligt. Hierbei handelt es sich entweder um eine Autoimmunreaktion (der sog. Typ 1) oder um eine genetische Disposition zur Insulinresistenz (der sog. Typ 2), die allerdings besonders durch Übergewicht und Bewegungsmangel zum Tragen kommen kann. Diese Krankheit wird auch bei jüngeren Menschen immer häufiger diagnostiziert. Es lohnt sich also, Risikofaktoren wie Übergewicht im Auge zu behalten – und dementsprechend auch mit dem Zucker sparsam umzugehen. Wer ihn gezielt und bewusst genießt, hat schlussendlich nämlich länger etwas davon!
 

Kai U. Jürgens, wissen.de-Redaktion

Mehr Artikel zu diesem Thema

Weitere Lexikon Artikel

Weitere Artikel aus der Wissensbibliothek

Weitere Artikel aus dem Wahrig Synonymwörterbuch

Weitere Artikel aus dem Wahrig Fremdwörterlexikon

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch