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Raumfahrt-Jubiläum:

Fontänen aus Eis, Seen aus Methan und ganze Ozeane im Untergrund – der Saturn und seine Monde bieten ein ganzes Spektrum an bizarren, fremdartigen Welten. Dass wir heute so viel über den Ringplaneten und seinen Hofstaat wissen, verdanken wir einem ganz besonderen Besucher: der NASA-Raumsonde Cassini. Vor zehn Jahren traf das hausgroße Gefährt nach langer Reise am Ringplaneten ein und liefert seither immer neue spannende Daten und Bilder dieser fernen Welten.
NPO

Saturn im Gegenlicht
NASA/JPL-Caltech/SSI

Anfang Juli 2004 war es soweit: Nach einer fast siebenjährigen Reise und 3,5 Milliarden zurückgelegten Kilometern erreichte die Raumsonde Cassini den Saturn. Um überhaupt so weit zu kommen, hatten die Ingenieure und Wissenschaftler der NASA einen raffinierten Kurs ausgetüftelt, bei dem das sechs Tonnen schwere Raumfahrzeug unterwegs mehrfach bei anderen Planeten Schwung holen konnte. Nach einemletzten Bremsmanöver schwenkte die Raumsonde dann am 1. Juli 2004 in eine Umlaufbahn um den Saturn ein. Seither kreist sie als erster künstlicher Satellit durch das System des Ringplaneten.

Einzigartige Einblicke

Die Daten und Bilder der Sonde gaben und geben bis heute einzigartige Einblicke in die Phänomene und Prozesse, die den Saturn und seine Monde prägen. Sie enthüllten gewaltige Stürme und Polarlichter, zeigten neue Ansichten der Ringe und der Mondoberflächen und lieferten Hinweise darauf, wie sich die unzähligen Himmelskörper in diesem System gegenseitig prägten und beeinflussen. "Der Saturn ist wie ein Sonnensystem im Kleinen", erklärt Ralf Jaumann vom DLR-Institut für Planetenforschung. "Mit Cassini und der europäischen Tochtersonde Huygens, die auf dem Titan gelandet ist, haben wir fundamentale Einblicke in die Entwicklung unseres Sonnensystems  bekommen."

Titan: Eisige Seen aus Kohlenwasserstoffen

Titan, der größte der Saturnmonde, entzieht sich den Blicken der Cassini-Kamera – leider. Denn gerade dieser Trabant ist besonders spannend: Er ist nach dem Jupitermond Ganymed der zweitgrößte Mond im Sonnensystem und besitzt zudem eine dichte Atmosphäre, die viele organische Verbindungen enthält. Leider sorgt genau diese Hülle aus Stickstoff und Kohlenwasserstoffen auch dafür, dass die Oberfläche des Mondes vollkommen verdeckt ist.

Landeanflug
ESA/NASA/JPL/University of Arizona

Doch es gibt Abhilfe: Mit Hilfe von Radar und Infrarotspektrometer kann Cassini Signale von der Oberfläche auffangen. Hinzu kommt, dass die Sonde bei ihrer Ankunft am Saturn noch einen Begleiter dabei hatte – eigens zur Erkundung des Titan. Die Landesonde Huygens, entwickelt von der europäischen Raumfahrtorganisation ESA hat eigens zur Erforschung des Titan die Landesonde Huygens für die Mission entwickelt. Am 15. Januar 2005 schwebte sie an Fallschirmen durch diese fremdartige Atmosphäre und landete auf der minus 180 Grad Celsius kalten Eiskruste von Titan - ein Meilenstein in der Geschichte der unbemannten Raumfahrt.

Kreislauf aus Methan

Aus den eisigen Wolken des Titan regnet es Methan und Ethan. Diese Kohlenwasserstoffe werden bei Temperaturen von minus 182 Grad Celsius flüssig, also weit unter dem Schmelzpunkt von Wasser. Während des Landeanflugs entdeckte Huygens ein verästeltes Talsystem: Hinweis auf Niederschläge, die auf der Titanoberfläche abflossen und sich in Niederungen zu stehenden Gewässern sammelten. Wenig später entdeckten die Planetenforscher im infraroten Spektralbereich eine seltsam spiegelnde Oberfläche auf der Nordhalbkugel des Mondes: der erste außerirdische See. Er ist nicht mit Wasser gefüllt, sondern mit gefrorenen Kohlenwasserstoffen - eine kleine wissenschaftliche Sensation.

Und nicht nur das: Auf dem Titan gibt es auch Flüsse, die in verästelten Betten fließen und in Seen münden. "Inzwischen ist klar, dass es, abhängig von der Jahreszeit, Methan und Ethan regnet, das als Flüssigkeit über die Oberfläche fließt und wieder verdampft", erläutert Ralf Jaumann. "Titan hat einen Flüssigkeitskreislauf wie die Erde." Bei diesem bildet allerdings nicht Wasser die Basis, sondern Kohlenwasserstoffe wie Methan und Methan. Und wegen der tiefen Temperaturen läuft in diesen Kreislauf alles sehr langsam ab.

Saturnmond Enceladus
NASA/JPL/Space Science Institute

Eisige Fontänen auf Enceladus

Eine der verblüffendsten Entdeckungen gelang an einem der kleineren Monde des Saturn: Aus dem nur 500 Kilometer großen Eismond Enceladus wird Wasser aus Hohlräumen unter der Eiskruste an die Oberfläche gepresst und in Fontänen ausgestoßen. Die Wasserpartikel gefrieren nach ihrem Austritt aus den mehrere hundert Kilometer langen Spalten am Südpol sofort und rieseln zum einen als kleine Eisflöckchen auf die Oberfläche von Enceladus nieder. Einige verlassen aber auch das geringe Schwerefeld des Mondes. Sie liefern dem hauchdünnen E-Ring Nachschub, der den Saturn weit außerhalb der Hauptringebene umgibt.

Diese Wasserfontänen sind rätselhaft, denn Enceladus müsste wegen seiner geringen Größe eigentlich vollständig durchgefroren sein. Doch offensichtlich ist dies nicht der Fall. Es muss ein Reservoir flüssigen Wassers unter seiner eisigen Oberfläche geben. Enceladus reiht sich damit ein die Liste der Monde im Sonnensystem, auf denen es solche subglazialen Ozeane gibt - neben Enceladus vermutet man dies auch beim Titan, den Jupitermonden Ganymed und Europa und dem Zwergplaneten Ceres. "Das macht diese Monde neben dem Planeten Mars, auf dem es zumindest früher einmal größere Mengen von Wasser gegeben hat, interessant", sagt Jaumann. Denn wo es Wasser gab oder gibt, da könnte theoretisch auch Leben existieren, zumindest in primitiver Form.

Wie immer bei diesen faszinierenden Missionen stehen am Ende viele neue Erkenntnisse, aber zugleich tun sich auch eine ganze Menge neuer Fragen auf. "Diese Mission war und ist jedenfalls einmalig und wird es in dieser Dimension kaum ein zweites Mal geben", so Jaumann. Ein ähnliches, wenn auch nicht ganz so großes Projekt bereitet gegenwärtig die ESA für das kommende Jahrzehnt vor: Die Erforschung der großen Jupitermonde mit der Sonde JUICE, dem Jupiter Icy Moon Explorer. Der Start ist für 2022 geplant, die Ankunft für 2030.

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