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Reichlich beschwippst: der Cocktail

James Bond trinkt ihn geschüttelt, nicht gerührt, so viel ist klar. Dass Cocktail »Hahnenschwanz« bedeutet (aus englisch cock = Hahn und tail = Schwanz), steht auch fest. Ebenso, dass die Prohibition, das Alkoholverbot in Amerika zu Beginn des 20. Jahrhunderts, diese Möglichkeit der Promille-Tarnung aufblühen ließ - neben Cocktailpartys und -kleidern kamen über 3000 Rezepte in Mode. Was aber dazu führte, Mixgetränke mit einem Anteil Alkohol als Cocktails zu bezeichnen, darüber streiten sich die Gelehrten.

Die bekannteste Anekdote überliefert »Lederstrumpf«-Autor James Fenimore Cooper in seinem 1821 erschienenen Buch »Der Spion«: Danach gab es 1779, während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges gegen England, eine Taverne in Yorktown, in der die attraktive Wirtin Betsy Flanagan den amerikanischen und verbündeten französischen Soldaten ein beliebtes Mixgetränk servierte: den »bracer«, die »kleine Stärkung«. Betsys Nachbar war ein königstreuer Engländer, der einen Hahn mit herrlich buntem Schwanz besaß. Diesen stolzen Gockel fing die patriotische Wirtin ein, tischte ihn den Offizieren auf und dekorierte ihre »bracers« mit den Schwanzfedern. Worauf ein Franzose die schöne Gastgeberin mit dem Trinkspruch bedachte: »Vive le cocks tail!« - Es lebe der Hahnenschwanz!

Da Cooper indes die einzige Quelle dieser Geschichte ist und das Wort erst seit 1806 in einer New Yorker Zeitschrift nachzuweisen ist, darf sie lediglich als gut erfunden gelten. Viel besser wissen es die Sprachwissenschaftler aber auch nicht - gleich sieben Erklärungsversuche sind im Umlauf:

Der Begriff leitet sich ab vom gestutzten oder hoch gebundenen Schwanz eines nicht reinrassigen Rennpferdes - eines Mischlings also, der als Cocktail bezeichnet wurde.

Er stammt vom englischen Cock-Ale, einem seit 1648 bekannten, schmackhaften Bier, in dem man zehn Tage lang einen Sack mit einem gekochten Hahn und allerlei Gewürzen ziehen ließ.

Er rührt von den in England und Amerika beliebten Hahnenkämpfen her, vor denen die Tiere mit einem in würzigem Bier eingeweichtem Brot, dem »cock-bread-ale«, gefüttert wurden. Wenn man danach auf einen siegreichen Hahn trank, wurden in jedem Glas so viele bunte Bestandteile zusammengemixt, wie der Hahn noch Schwanzfedern hatte.

Cocktail könnte eine Kurzform von »cock-tailings« sein, den Resten aus verschiedenen Flaschen, die der Wirt kurz vor der Polizeistunde zusammengoss und zu einem günstigen Preis anbot.

Das französische »Coquetel«, der Name für ein weinhaltiges Mischgetränk aus der Gegend um Bordeaux, das die Franzosen 1777 nach Amerika brachten, stand Pate. Der französische Apotheker Antoine Amadée Peychaud, der seit 1795 in New Orleans lebte, servierte seinen Eigen-Mix »Peychaud-Bitter« im doppelseitigen Eierbecher, einem »coquetier«.

Doch wer will bei Cuba Libre, Campari Orange, Bloody Mary oder Gin Fizz schon darüber grübeln, welche Erklärung der Wahrheit nun am nächsten kommt?

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