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Silberne Wunderscheibe!

Es waren aufregende Zeiten damals Anfang der 1980er Jahre als studentische Hilfskraft am Musikwissenschaftlichen Institut in Kiel. Insbesondere dann, wenn die Donnerstag-Vorlesung meines Professors Krummacher anstand und ich für ihn und das Plenum die Musikbeispiele einspielen durfte. Natürlich mithilfe zahlreicher altgedienter Langspielplatten. Und da begann dann das Drama, schließlich galt es, exakt jene Stellen der Werke anzusteuern, die via Folie als Notenbeispiel an die Wand geworfen wurden. Die Trefferquote lag - trotz einiger Übung - bei erniedrigenden 10 Prozent.

von Jörg Peter Urbach, wissen.de

Fantastisches Hörerlebnis

Und dann brach eine neue Zeit an - nicht nur für den "HiWi". Auch der "Chef" bejubelte die "silberne Wunderscheibe"! Die CD hielt Einzug und mit ihr jene Klangerlebnisse, die mir noch heute mehr als 20 Jahre später als Offenbarung im Ohr nachklingen. Kein Kratzen, kein Knistern, kein Knacken mehr! Kein Aufstehen nach 20 Minuten, um die LP zu wenden! Keine Unterbrechung an musikdramaturgisch unmöglichen Stellen! Stattdessen akustische Sternstunden, die vor allem in der sogenannten E-Musik bis dahin unerreicht waren. Meine LP-Sammlung, die übrigens noch heute weit über 300 Alben umfasst, geriet in Vergessenheit. Bis dann vor einigen Jahren die Lordsiegelbewahrer der schwarzen Scheibe wieder einmal aufbegehrten und von der "Unverwechselbarkeit", der "einzigartigen Atmosphäre" der analogen Aufnahmen auf Schallplatte, schwärmten. Ich konnte, kann und will diesen Retro-Trend, der sich heute ja auch in vielen weiteren Lebensbereichen durchzusetzen scheint, nicht mitmachen. Nicht, dass ich die historischen Errungenschaften der Schallplatte nicht schätzte. Ganz im Gegenteil: Ich habe die gut gepflegten und fachgemäß gelagerten Scheiben wieder aufgelegt. Allerdings ohne wirklichen Genuss-Gewinn.

Mit der Einführung der Super Audio-CD hatte die Schallplatte endgültig ausgespielt und für mich brach das akustische Paradies an! Die SA-CD ist perfekt und überraschend. Perfekt für jene, denen Mittelmaß in der Musikwiedergabe ein Grauen ist. Überraschend für diejenigen (Audiophilen), die gedacht hätten, Schallplatten seien das Höchste der Gefühle. Das fantastische Hörerlebnis über diese im Mehrkanalverfahren aufgenommenen Scheiben erfordert schließlich kein technisches Hexenwerk, keine Highend-Anlage und keine Studio-Atmosphäre, es bietet aber einen vielfältigen Genuss für Ohr und Seele. Eine berauschende Qualität, eine schier unendliche Vielfalt der Klangfarben und nuancierte Dynamik, die oftmals nur mit dem Live-Ereignis im Konzertsaal gleichzusetzen ist. Und ganz im Ernst: Haben Sie es im Konzert - abgesehen vom nervigen Husten des Nachbarn - schon mal kratzen, knistern und knacken hören? Lassen wir die Schallplatte also da, wo sie hingehort. Im Museum.


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