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Was ist ein Zinstief?

Kaum ein Wort polarisiert mehr als der Begriff "Zinstief". Und kaum ein Prozentsatz bringt mehr Freud und Leid gleichermaßen wie die hier angezeigten null Prozent. Der Leitzins liegt bei null Prozent. Ähnlich mau sind die Renditechancen für konservative Anleger. Konsumenten hingegen freuen sich über Null-Prozent-Finanzierungen.

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Die Entwicklung, die sich hinter dem Begriff „Zinstief“ versteckt, bedeutet für Verbraucher Fluch und Segen gleichermaßen. Ein Segen ist das Zinstief für all diejenigen, die gerade im Begriff sind, eine Immobilie zu kaufen – und dabei von niedrigen Zinsen profitieren können. Ein Fluch ist das Zinstief hingegen für die Sparer, die nur schwerlich Optionen finden, um ihr Erspartes durch clevere Anlageoptionen zu mehren. Beide Seiten sollen in diesem Beitrag beleuchtet werden.

Die Deutsche Bundesbank verkündet diese EZB-Zinssätze

Der Satz der Einlagefazilität liegt bei minus 0,4 Prozent. Der Satz der Hauptrefinanzierungsgeschäfte liegt bei null Prozent. Der Satz der Spitzenrefinanzierungsfazilität liegt bei 0,25 Prozent. Diese Werte verkündet die Deutsche Bundesbank hier. Das sind die drei Leitzinsen, die die EZB, die Europäische Zentralbank, bestimmt. Was die drei Leitzinsen unterscheidet, zeigen diese Definitionen.

  • Der Hauptrefinanzierungs-Zinssatz wird in der Umgangssprache als „der“ Leitzins beschrieben. Und der liegt im historischen Tal – und zwar bei null Prozent. Zu diesem Zinssatz erhalten Geschäftsbanken Geld von der Zentralbank.
  • Der Spitzenrefinanzierungs-Zinssatz liegt aktuell bei 0,25 Prozent. Zu diesem Prozentsatz können Banken Geld aus dem Eurosystem leihen – und zwar über Nacht. Auch die Verbraucher kennen diesen Zinssatz. Er stellt in aller Regel die oberer Zinsgrenze für Anlagen auf dem Tagesgeldkonto dar.
  • Der Einlage-Zinssatz ist der Zinssatz, zu dem Banken Guthaben aus der Zentralbankverteilung im Eurosystem anlegen können. Minus 0,4 Prozent ist dabei ein mächtig unattraktives Anlageangebot.

Der konservative Parkplatz für das Angesparte ist das Sparbuch.

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Die Deutsche Bank beobachtet Vogel-Strauß-Taktik bei der Anlagestrategie

Abwarten und auf Zinsen warten. Nach diesem Prinzip verfahren – laut einer repräsentativen Umfrage der Deutschen Bank – 48 Prozent der Befragten. Dieses passive Verhalten ist allerdings keineswegs auf den Optimismus zurückzuführen, dass die Menschen daran glauben, es gehe zinstechnisch wieder bergauf – ganz im Gegenteil: 64 Prozent schätzen, dass das Zinstief derart massive Folgen haben wird, dass der Wert des Vermögens sukzessive verfallen wird. 40 Prozent der Befragten rechnen mit einem Zinstief, das die nächsten ein bis drei Jahre andauern wird. Die Pessimisten (circa ein Drittel der Befragten) rechnen sogar mit vier bis zehn Jahren Zinsflaute.

Die eingangs erwähnte Vogel-Strauß-Taktik zeigt sich – trotz dem allgegenwärtigen Bewusstsein – dann vor allem in den Folgehandlungen: Kaum ein Bürger will abrücken von den traditionellen und sicheren Anlageformen. 20 Prozent der Befragten setzen weiterhin auf Spareinlagen. 19 Prozent legen ihr Geld als Tages- oder Festgeld an. 14 Prozent der Befragten halten an Lebens- und Rentenversicherungen fest. Der Grund für dieses sicherheitsbewusste Denken wurde ebenfalls abgefragt und hat dieses Ergebnis hervorgebracht:

  • Für 73 Prozent der Befragten ist die größtmögliche Sicherheit der Geldanlage entscheidend.
  • 62 Prozent lehnen Anlagen in Wertpapieren ab. 56 Prozent tun dies aus Sorge oder Angst.
  • Für 55 Prozent der Befragten sind Zertifikate, Fonds und Aktien inhaltlich schwer nachvollziehbar. Aktien gelten für 47 Prozent der Befragten als Anlageform der Reichen.

:Der Kauf von Aktien ist risikoreicher und verspricht mehr Rendite.

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Geraten wird in Zeiten der Anlageflaute zu einem Investitionsmix: Zu sicheren Anlagen (langfristigen Sparanlagen) dürfen gerne unsichere Varianten gemischt werden – allerdings muss das Nervenkostüm diesen Ansatz auch aushalten. Nur wer auch eine längere Durststrecke überwinden kann, der kann Schwankungen langfristig nivellieren. In aller Regel entwickeln sich Aktien nämlich durchaus positiv. Allerdings gilt auch: Nur wer riskiert, kann in Zeiten des Zinstiefs das eigene Vermögen mehren.

Der Wunsch nach einem Eigenheim wird im Zinstief realisierbarer

Einerseits klettern die Immobilienpreise kontinuierlich in die Höhe. Andererseits jedoch locken besonders attraktive Kreditzinsen die Verbraucher buchstäblich an. Dass dieser Ausgangspunkt für die Bürger besonders attraktiv ist, ist erstmal unbestritten. Über die Gefahren für die Banken denken indes nur wenige nach.

Der BR beleuchtet gerade diese Seite und erklärt: „150 bis 200 Banken stehen unter verschärfter Kontrolle der Finanzaufsicht BaFin. Das hängt damit zusammen, dass ältere Kreditforderungen, die zu einem niedrigeren Zinssatz abgeschlossen wurden, an Wert verlieren, sobald die Zinsen steigen. Besonders betroffen sind Banken, die ausgerechnet im Zinstief ihre Kreditvergabe stark ausgeweitet haben. Das sind nicht wenige. Wenn es also aufwärts geht mit den Zinsen, geht es abwärts mit zahlreichen Banksicherheiten. Bundesbank und BaFin stellen den Banken deshalb viele neue Fragen bei ihrer dritten Niedrigzinsumfrage.“

Das Zinstief hat auch Auswirkung auf die Gesellschaft und den Konsum der Deutschen. Verbraucher sind deutlich weniger kreditscheu als in den Jahren zuvor. Die Gesamtkreditsumme belief sich im Jahr 2016 auf 141,3 Milliarden Euro – 9,2 Prozent mehr als im Jahr 2015. Der Hauptteil des geliehenen Geldes fließt im Übrigen nicht in die Finanzierung von Eigenheim, sondern in den Kauf eines Autos. Ebenfalls erfreulich ist der Rückzahlungswille der Deutschen, denn 98 Prozent der Kredite werden ordnungsgemäß zurückbezahlt.

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