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Zwischen den Jahren – Rauhnächte und Lostage

Wir nennen diese Zeit meist "zwischen den Jahren", doch für unsere Vorfahren waren die zwölf Tage zwischen Heiligabend und dem sechsten Januar eine ganz besondere Zeit: die Rauhnächte. In dieser Zeit gingen nachts gefährliche Gestalten um und das Wetter hatte seine ganz eigene Bedeutung. Wir erklären, was es mit diesen zwölf Tagen und Nächten auf sich hat und warum sie altem Volksglauben nach sogar einen Vorausblick auf das kommende Jahr geben.

In der Zeit vom 24. Dezember bis zum 6. Januar wimmelt es dem Volksglauben nach nur so vor finsteren Gestalten, zwielichtigen Hexen und seltsamen Bräuchen. Der Grund dafür liegt wahrscheinlich schon Jahrtausende zurück. Denn im Altertum richteten einige Kulturen ihren Kalender nach dem Mond. Weil das Mondjahr aber zwölf Tage kürzer ist als das Sonnenjahr, wurden zum Jahresende zwölf "Schalttage" eingeschoben – die Zeit zwischen dem Ende des alten Mondjahres und dem Beginn des Neuen.

Die Wilde Jagd nach einem Gemälde aus dem 19. Jahrhundert.

Johann Wilhelm Cordes / Historisch

Auch die Römer kannten diese Zeit "zwischen den Jahren". Denn nach dem julianischen Kalender begann das neue Jahr am 6. Januar, das Jahr endete dagegen am 24. Dezember. Als sich dann das Christentum ausbreitete, übernahm die Kirche den Sonderstatus dieser zwölf Tage und widmete sie zum Dodekahemeron um – zwölf besonders heiligen Tagen zwischen Heiligabend und dem Dreikönigsfest am 6. Januar.

Die Wilde Jagd

Und in dieser Zwischenzeit, so glaubte man, war die Trennung zwischen dem Reich der Götter und Geister dünner als sonst. Für die Germanen waren diese zwölf Nächte die Zeit, in der die "Wilde Jagd" umgeht, in Skandinavien nannte man es nach dem nordischen Göttervater "Odins Zug". Dem Volksglauben nach rasten dabei Götter, aber auch die Geister von Verstorbenen oder Dämonen durch die Luft und wer sich nachts draußen befand, riskierte, mitgerissen zu werden.

In den sogenannten Rauhnächten galt es daher als ratsam, drinnen zu bleiben und am besten auch nicht aus dem Fenster zu schauen – vor allem dann nicht, wenn sich das wilde Heer durch Rasseln, Stöhnen, Heulen oder andere seltsame Geräusche bemerkbar machte. In Wirklichkeit wurden diese Geräusche vermutlich eher von Winterstürmen, ziehenden Seevögeln oder anderen natürlichen Phänomenen verursacht.

Traditionelle Masken beim Schiechperchten in St. Johann im Pongau

Die Perchten gehen um

In Süden Deutschlands und im Alpenraum gehen in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr dem Volksglauben nach die "Perchten" um. Diese Horden seltsamer Tiere, Geister und dämonischer Gestalten werden von der Perchta angeführt, einer Sagenfigur, die der Frau Holle aus Grimms Märchen entspricht. Dem Brauch nach bestrafen die Perchta und ihr Gefolge Faulheit und böse Taten, belohnt aber Fleiß und Hilfsbereitschaft.

In Anlehnung an diesen alten Glauben werden im Alpenraum und in Süddeutschland noch heute Perchtenläufe durchgeführt: In den Rauhnächten, meist aber am Abend des 5. Januar zieht die maskierte und kostümierte Perchtenschar durch den Ort und macht meist ordentlich Lärm dabei. Damit sollen böse Geister des Winters ausgetrieben werden. Je nach Region gibt es dabei sowohl "gute" Schönperchten als auch "böse" Schiechperchten.

Auch bei einigen traditionellen Veranstaltungen verschmelzen die historischen Figuren Krampus und Percht zu Schreckgestalten, die sich an modernen Fantasy-Filmen orientieren.

iStock.com, Foottoo

Lostage: Omen für das nächste Jahr

In einigen Bauernkalendern galten die zwölf Tage "zwischen den Jahren" dagegen als Lostage – als Tage, die Ereignisse im kommenden Jahr anzeigen. Jeder Tag steht dabei für einen Monat des folgenden Jahres. Scheint an einem dieser Tage die Sonne, dann bedeutet dies gutes Wetter und Glück für den entsprechenden Monat. Noch heute soll es einigen in ländlichen Gebieten Europas Bauern geben, die sich deshalb das Wetter in dieser Zeit genau aufzeichnen.

Einem anderen Brauch zufolge sind den einzelnen Lostagen keine Monate, sondern ganz bestimmte Bedeutungen zugeordnet. So kündigt Sonnenschein am 28. Dezember Streitigkeiten im nächsten Jahr an, Sonne am 30. Dezember verspricht dagegen eine gute Obsternte. Wieder andere glaubten, dass man in diesen Tagen keine Türen knallen dürfe, sonst gebe es im nächsten Jahr Blitz und Donner.

Heute ist klar, dass weder die wilde Jagd, noch die Perchten oder die Lostage real sind. Dennoch ist auch für uns die Zeit "zwischen den Jahren" oft eine willkommene Verschnaufpause: Der Weihnachts-Stress liegt hinter uns und das Neue Jahr hat noch nicht begonnen. Viele von uns haben in dieser Zeit Urlaub und nutzen die freie Zeit, um sich endlich ein wenig zu erholen und neue Kraft zu schöpfen. Auch ohne Aberglauben und Wilde Jagd spricht daher einiges dafür, diese Zeit ruhig angehen zu lassen.

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