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Lernen mit TikTok
Ein Dialog:
Kunde: „Eine Tomate bitte.“ Verkäuferin: „Fleischtomate?“ Kunde: „Kein Fleisch bitte, ich bin Vegetarier.“ Verkäufer: „Nein, nein“ *zeigt auf Fleischtomaten* „Fleischtomaten“ *zeigt auf Datteltomaten* „Datteltomaten“. So beginnt eines der TikTok-Videos der Deutschlehrerin Maria von @dein_sprachcoach.
Mit solchen und ähnlich unterhaltsamen Videos teilt Maria auf der Plattform Tricks und Kniffe zum Deutschlernen. „TikTok hat so viel mehr zu bieten als lustige Videos. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, die Tipps, die mir damals beim Lernen der Deutschen Sprache geholfen haben, an andere Menschen weiterzugeben”, sagt die Influencerin dazu.
TikTok-Trend Wissensvideo
Deutschlernen ist derzeit nicht der einzige Wissenstrend auf TikTok: Auch Jura, Forschung und Medizin sind populär. Der Mediziner @doc.felix zum Beispiel klärt die Community in seinen Beiträgen über medizinische Zusammenhänge auf. „Was ist Migräne?“ ist der Titel eines seiner beliebteren Videos. Sein Kanal hat mittlerweile 770.000 Follower.
Die meisten Wissens-Clips haben die TikTok-typische Aufbereitung: kurze Videos, schnelle Fakten und lustige Dialoge. Bei TikTok konsumiert man Wissen in 30-sekündigen, unterhaltsamen, leicht verdaulichen Lernhäppchen. In Fachkreisen nennt man diese Art zu lernen „Edutainment“: Education plus Entertainment. Bei so viel Fun lässt sich die Aufmerksamkeit beim Lernen einfacher aufrecht halten, so die Idee dahinter.
#LernenMitTikTok
Auch die Biologiedoktorandin @dieWissenschaftlerin informiert ihre Community seit März 2020 in über 1500 Kurz-Clips über ihr Leben als Forscherin. Sie ist damit eine Frühstarterin der Wissensvideos auf TikTok: Der offizielle Startschuss für deutschsprachige Bildungsinhalte auf der App fand im Juni 2020 statt. Da kündigte die Plattform an, „in Deutschland rund 4,5 Millionen Euro in die Förderung von Creator*innen, die lehrreiche Kurzvideos erstellen“ zu investieren.
Das Programm trägt den Namen #LernenMitTikTok. Mit dieser Marketingstrategie will TikTok die im Zuge der Klimakrise und Corona gewachsenen Wissenschaftsbegeisterung nutzen und weitere Lerninhalte auf der Plattform fördern. Und es hat funktioniert: Videos mit dem Hashtag wurden bis heute über 16,7 Milliarden Mal angeschaut.
TikTok im Unterricht
Aber lassen sich die lustigen Kurzvideos auch in der Schule nutzen? Einiges spricht dafür: Da viele Jugendliche TikTok oft und gerne nutzen, sind die Lerninhalte für sie einfacher zugänglich. „Diese intrinsische Motivation, das Medium zu nutzen, kann man als Lehrkraft aufgreifen und sich zunutze machen. Denn die Hoffnung ist, dass so die Motivation der Schüler steigt, zu lernen.“ sagt dazu Claudia Wiepcke von der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe gegenüber fobizz.
Doch so ein TikTok-Experiment kann der Lehrperson auch schnell zum Verhängnis werden. „Der TikTok-Teil der Stunde ist vorbei, legt alle eure Handys weg, es geht weiter“, sagt Herr Schmidt. Als ob. Paul zeigt seinem Sitznachbarn noch schnell ein lustiges Video, Sina hat Mohammed sein Handy weggenommen und sie jagen sich durch die Klasse und Araya scrollt einfach weiter. Weil die App so viel Ablenkungspotential bietet, muss sie als Lehrmittel gut überlegt eingesetzt werden, so der Rat von Didaktik-Experten. Das funktioniert zum Beispiel, indem man eine komplette Stunde für die TikTok Nutzung einplant oder indem man nach der Nutzung der App zum Lernen die Handys einsammelt.
Feed-Falle Falschinformation
Auch Falschinformationen sind ein ernstzunehmendes Risiko: Spätestens wenn die charmante Frau im TikTok-Feed behauptet, Zähneputzen fördere Karies, sollte man hellhörig werden – nicht alles, was in der App gesagt wird, stimmt auch. Informationen und Meinungen können hier in Kurzvideos gegossen und ohne Filter über den Algorithmus verteilt werden – ob die Inhalte dann richtig oder falsch sind, müssen die Nutzer am Ende leider selbst einschätzen.
Diese Themen können Lehrer im Klassenraum als Chance nutzen: Sie können diese Fragen diskutieren und bei Schülern so einen kritischen Denkprozess anstoßen: Wer postet da und mit welchem Interesse? Stimmt das überhaupt, was ich sehe? Was sind deren Quellen? All diese Fragen lassen sich perfekt am 30-sekündigen Beispiel diskutieren.