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So sexistisch ist die Online-Bildersuche
In unseren Köpfen ordnen wir Berufe oft als reine Männer- oder Frauensache ein. Derjenige, der unser brennendes Haus löscht, ist in unserer Vorstellung eher ein Mann, während derjenige, der unsere Kinder betreut, am ehesten eine Frau ist. Zwar stimmt es, dass einige Berufe eher männer- und andere eher frauendominiert sind. So gibt es zum Beispiel deutlich mehr männliche Kfz-Mechatroniker als weibliche und unter Sprechstundenhilfen in Arztpraxen sind Männer eher eine Seltenheit.
Doch indem wir verschiedenen Berufen von vorneherein ein solches Geschlechts-Label verpassen, könnten wir junge Menschen daran hindern, ihrer wahren Leidenschaft zu folgen, weil sie vielleicht nicht zu der von der Gesellschaft vermittelten Geschlechterrolle passt. Das geschickte Mädchen, das schon als Kind Spaß an handwerklichen Tätigkeiten hatte, schreckt so womöglich vor der Tischlerausbildung zurück und der Junge, der gut mit Menschen umgehen kann, hat Angst, als Altenpfleger oder Kindergärtner nicht „männlich“ genug zu wirken.
Online-Bildersuche befeuert Stereotype
In den vergangenen Jahren hat sich in dieser Hinsicht bereits einiges getan. So versuchen Berufsberater an Schulen zum Beispiel, möglichst geschlechtsneutral verschiedene Karrierewege aufzuzeigen und dadurch Vorurteile und Hemmnisse abzubauen. Dabei helfen ihnen einzelne charismatische Vorbilder, die in einem für ihr Geschlecht untypischen Bereich arbeiten. Gleichzeitig soll das Gendern dafür sorgen, dass wir bei dem Wort Arzt nicht mehr nur an einen Mann denken, sondern mit Ärzt*innen direkt beide Geschlechter mitdenken.
Doch diese Bemühungen sind längst noch nicht in allen Lebensbereichen angekommen, wie eine Studie nun zeigt. Demnach ist vor allem die Bildersuche im Internet nach wie vor von geschlechtsspezifischen Unterschieden geprägt. Sucht man etwa nach dem Wort Arzt, dann zeigt die Mehrheit der gefundenen Bilder einen Mann im weißen Kittel. Und das obwohl hierzulande statistisch betrachtet genauso viele Männer wie Frauen den Beruf ausüben.
Nun könnte man argumentieren, dass das Wort Arzt grammatikalisch betrachtet das Geschlecht bereits im Namen trägt, was die Bildersuche dementsprechend verzerrt. Doch die Studie fand im englischsprachigen Bereich des Internets statt. Dort gibt das Wort „doctor“ keinerlei Hinweis auf das Geschlecht der Person – und trotzdem dominieren die Bilder männlicher Ärzte. Konkret konnte das Forschungsteam diesen männlichen Überschuss bei der Google-Bildersuche, aber auch bei Wikipedia und der Internet Movie Database (IMDb) nachweisen. Anders herum waren Männer bei vermeintlich weiblichen Suchbegriffen wie „Model“ häufig unterrepräsentiert.
Nachrichtentexte sind gleichberechtigter
Interessanterweise zeigte sich diese Verzerrung jedoch kaum bei Texten und Nachrichten-Artikeln über bestimmte Berufe. Dort war das Verhältnis zwischen Mann und Frau relativ ausgeglichen – häufig selbst dann, wenn es eigentlich nicht der statistischen Geschlechterverteilung in einem bestimmten Beruf entsprach. So konnten die Forschenden lediglich bei 56 Prozent der Texte von Google News eine männliche Überrepräsentation feststellen, während diese bei der Google-Bildersuche bereits bei 62 Prozent lag.
Dass ausgerechnet bei der Bildersuche eine ausgeprägtere Verzerrung herrscht, könnte großen Einfluss auf unser Denken haben, wie die Forschenden erklären: „Von Jahr zu Jahr verbringen die Menschen weniger Zeit mit Lesen und mehr Zeit mit dem Betrachten von Bildern“. Bilder beeinflussen uns also allein deshalb stärker, weil wir ihnen im Alltag mehr Zeit schenken.
Doch gleichzeitig wirken die auf ihnen abgebildeten Motive auch deutlich nachhaltiger auf unsere Psyche als ein überflogener Artikel. In einem Begleitexperiment hatten diejenigen, die gezielt nach Bildern zu verschiedenen Berufen gegoogelt hatten, selbst drei Tage später noch stärkere geschlechtsspezifische Vorurteile als diejenigen, die lediglich berufsbezogene Texte gelesen hatten.
Noch mehr Verzerrung durch künstliche Intelligenz?
„Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Online-Bilder und damit die Online-Welt nicht nur stark geschlechtsspezifisch geprägt sind, sondern dass diese geschlechtsspezifische Prägung auch weitere geschlechtsspezifische Verzerrungen im Alltag beeinflussen könnte“, schreiben Bas Hofstra und Anne Maaike Mulders von der Radboud University in Nijmegen in einem begleitenden Kommentar zur Studie. Das könnte wiederum die klassische Unterteilung in Männer- und Frauenberufe weiter befeuern.
Mit dem Voranschreiten künstlicher Intelligenz könnte das sogar zu einem noch größeren Problem werden. Denn wenn eine KI Bilder generiert, dann nimmt sie dabei Online-Bilder als Vorlage. Sind diese bereits verzerrt, ist es auch die KI-generierte Variante. Zu einem gewissen Teil wären damit die bisherigen Bemühungen zur beruflichen Geschlechtergleichheit wieder zunichte gemacht.