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Was fehlende Instagram-Markierungen in uns auslösen
Gruppenfotos oder Stories vom gemeinsamen Abend mit Freunden sind auf Instagram keine Seltenheit. Egal ob Anstoß-Boomerang oder Bilder vom gemütlichen Beisammensitzen: Wir freuen uns, wenn wir uns in den Beiträgen unserer Freunde wiederfinden und markiert werden, um es vielleicht auch in unserer eigenen Story posten zu können. Aber was ist, wenn ausgerechnet wir im Bild nicht markiert sind – womöglich sogar als Einzige? Welche Gefühle löst dies bei uns aus und wie tiefgreifend beeinflusst diese Form der virtuellen Zurückweisung oder Ausgrenzung unsere Psyche?
Dieser Frage sind zwei Psychologinnen aus Basel und Koblenz nachgegangen. Sie haben in ihrer Studie insgesamt 1.149 Personen dazu befragt, wie sie sich in einer entsprechenden Situation fühlen würden. Die Befragten sollten sich in verschiedene Szenarien hineinversetzen, in denen sie einerseits in einem Beitrag nicht markiert wurden und andererseits am Rand eines Gruppenfotos abgeschnitten wurden. Zusätzlich sollten sie angeben, wie groß sie ihr grundsätzliches Zugehörigkeitsbedürfnis einschätzen.
Evolutionäres Grundbedürfnis
Das Verlangen dazuzugehören ist übrigens auch evolutionär bedingt und spielte früher eine entscheidende Rolle, um zu überleben: Nur wer Teil einer Gruppe war, bekam von der Jagdbeute ab und fand in der Gruppe Schutz vor Raubtieren oder Feinden. In der heutigen Zeit sind wilde Tiere zwar weniger das Problem, aber das instinktive Bedürfnis nach dem Dazugehören hat sich erhalten. Deshalb sorgt Ausgrenzung für einen mangelnden Selbstwert und kann sogar unser Gefühl für eine sinnvolle Existenz bedrohen. Der soziale Status ist also durchaus ein wichtiger Faktor, wenn es um unser Wohlbefinden geht.
Und genau dieses wird offenbar durch fehlende Instagram-Markierungen verletzt. Die Studie der Psychologinnen zeigt, dass sich besonders Menschen mit einem hohen Zugehörigkeitsbedürfnis bei ausbleibenden Markierungen schlecht und sogar bedroht fühlen. Wenn andere sie bei einem Gruppenfoto abschneiden ist dieses Gefühl noch stärker ausgeprägt. Dann ist es auch egal, wie groß das grundsätzliche Bedürfnis, dazuzugehören, ist.
„Ich war verletzt“
„Wir erklären diesen Unterschied damit, dass das Abgeschnittensein so schmerzhaft ist, dass auch individuelle Unterschiede wie das Zugehörigkeitsbedürfnis keine Rolle mehr spielen“, erklärt Christiane Büttner von der Universität Basel. Eine Person in der Studie, die schon einmal am Rand eines Posts abgeschnitten wurde, sagte dazu: „Es gab mir das Gefühl nicht zur Gruppe zu gehören. Ich war verletzt und habe die Freundschaft hinterfragt.“
Ungefähr die Hälfte der Befragten gab an, schon einmal in einer Story oder einem Post nicht markiert worden zu sein. Ein Drittel sagte, dass dies sogar schon öfter vorgekommen ist. Die fehlende Markierung in einer Story war für die Teilnehmer allerdings noch etwas harmloser. „Es war nicht so schlimm, wie in einem Post nicht getaggt zu werden, weil die Story ja nur kurzfristig verfügbar ist. Trotzdem war ich enttäuscht“, sagt ein Studienteilnehmer.
Markierungen sind öffentliches Signal
Die Psychologinnen begründen die Ergebnisse insgesamt damit, dass Markierungen die Zugehörigkeit von Personen zu Gruppen öffentlich ausdrücken. Sie sind nach außen hin ein Signal für Zusammenhalt und die Relevanz einer Beziehung. Außerdem zeige die Markierung anderen, dass die Person ein interessanter und begehrter sozialer Interaktionspartner ist. Wenn jemand nicht getaggt wird, kann es entsprechend negative Gefühle und Unsicherheiten hervorrufen.
„Besonders gefährlich wird es für die ausgegrenzte Person, wenn Beobachtende vermuten, es könnte einen guten Grund geben, dass sie nicht markiert oder abgeschnitten wurde“, sagt Christiane Büttner. „Wenn andere daraus schließen, dass diese Person ein schlechter Interaktionspartner ist, dann bedroht dies potenziell weitere Beziehungen.“