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2 DM pro Nacht

Für die meisten Deutschen war eine Reise im Sommer 1948 in die bekannten und beliebten Urlaubsorte der Alpen sowie an der Nord- und Ostseeküste immer noch ein unerschwingliches Vergnügen. In den Zeiten des Hungers und Elends lagen zudem Gedanken an einen erholsamen Ferienaufenthalt fern.

Chronik Verlag

Währungsreform löst Krise aus

Mit der Währungsreform im Juni änderte sich dieses Bild radikal: Die meisten Gäste verließen überstürzt ihr Urlaubsdomizil; allein 30 000 in der Gegend um Garmisch-Partenkirchen. Sie fürchteten, am nächsten Tag nur noch wertloses Papier in der Brieftasche zu tragen. Dabei spielten sich auf den Bahnhöfen häufig groteske Szenen ab. Es kam zu Tumulten: Für einen Platz in den überfüllten Zügen wurden den Schaffnern bis zu 3000 RM geboten.

Für Hotel- und Restaurantbesitzer in den Urlaubszentren hatte die Währungsreform zunächst katastrophale Folgen. Viele Hotels standen leer, Personal musste entlassen werden. So waren z. B. in Bad Reichenhall über 11 000 Betten frei. Lediglich die Gäste aus den USA, die, wie die US-amerikanischen Besatzungssoldaten, über die begehrten US-Dollars verfügten, blieben den Urlaubsgebieten treu.

Auch die Reichsbahn spürte die Auswirkungen der Währungsreform. Weil das Geld plötzlich knapp geworden war, blieben die Züge leer. Sie verkündete daraufhin drastische Tarifsenkungen. Der Preis für Fernfahrkarten wurde um 25 %, der für Gesellschaftsfahrten um bis zu 50% gesenkt. Gleichzeitig wurde auch der Komfort der Reisezüge deutlich verbessert. Auf einigen Strecken setzte die Mitropa wieder Speise- und Schlafwagen ein.

Urlaub auf Balkonien

Kurverwaltungen und Reisebüros entschlossen sich nach der Währungsreform, bei den Deutschen wieder die Reiselust zu wecken. Große Reklameaktionen wurden gestartet und ungewöhnliche Billigangebote offeriert. So konnte man mitunter in den besten Hotels ein feudales Schlafgemach schon für 2 DM pro Nacht mieten! Trotzdem blieben im Sommer 1948 die meisten Deutschen während ihres Urlaubs zu Hause. Sie suchten an den nahen Ufern von Flüssen und Seen Erholung oder verbrachten die Ferien ganz einfach auf dem heimischen Balkon. Die Ausnahme: Deutschlands Kur- und Urlaubsorte wie z. B. Berchtesgaden oder Westerland auf Sylt, konnten sich dennoch über fehlende Gäste zunächst nicht beklagen. Neben einigen wenigen Gutsituierten waren es jedoch vor allem Schwarzhändler und Großschieber, die Hotels und Pensionen bevölkerten.

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