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200 Jahre Rudolf Virchow - Pionier der Zellbiologie und Medizin
Heutzutage lernen wir schon in der Unterstufe, dass sich Lebewesen aus verschiedenen Zellen zusammensetzen. Als Rudolf Virchow 1821 geboren wird, glauben die meisten Mediziner noch, dass Menschen aus den Lebenssäften Blut, Schleim und Galle bestehen und dass diese die Gesundheit, dass Aussehen und sogar die Persönlichkeit prägen. 18 Jahre später werden das erste Mal biologische Zellen als Grundlage des Lebens erkannt. Dies fasziniert den jungen Mediziner und inspiriert ihn dazu die Forschung an Zellen fortzuführen.
Mit 37 Jahren schreibt er in seinem Buch den Satz, der um die Welt geht und die Medizin für immer verändert: „Omnis celula e celula“ – „Jede Zelle geht aus einer Zelle hervor.“ Die Zellteilung als Grundsatz der Biologie war bis zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt. Als wäre das noch nicht genug, erkannte Virchow im gleichen Zuge, dass auch Krankheiten auf Zellebene entstehen. Durch diese Erkenntnis hat er die Pathologie, also die Krankheitslehre, revolutioniert. Auch die Entdeckung der Krankheiten Thrombose und Leukämie gehen auf Virchows Kappe.
Rechtsmedizin und Sozialpolitik
Doch neben seiner medizinischen Pionierarbeit hat Virchow auch die Gerichtsmedizin geprägt: Er kam als erster auf die Idee, bei einem Mordfall die Haare auf der Leiche als Beweismittel zu untersuchen.
Durch seine medizinische Tätigkeit findet Virchow auch in die Politik. Als er den Ursprung einer Typhus-Epidemie untersuchen soll, fällt ihm der miserable Zustand der Infrastruktur auf. Er lässt sich ins Berliner Abgeordnetenhaus wählen und setzt sich dort für öffentliche Krankenhäuser und eine vernünftige Kanalisation ein, was viele andere Politiker jedoch ablehnen. Nach einem weiteren Ausbruch der Fieber-Krankheit Typhus folgen die Abgeordneten in Berlin zähneknirschend Virchows Vorschlag und lassen eine Kanalisation bauen. Sie diente anschließend als Vorbild für viele andere deutsche Städte.
Gezielt gegen Rassismus
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts breiten sich im deutschen Reich antisemitische und rassistische Strömungen aus. Virchow setzt sich gezielt gegen diese ein. Er warnt davor, Menschen auf ihre körperlichen Eigenschaften zu reduzieren und manche Gruppen als minderwertig zu betrachten. Der Mediziner liefert zudem schon früh den Beweis, dass "der Deutsche" keineswegs blond, blauäugig oder gar "reinrassig" ist – seine vergleichenden Studien an Schulkindern widerlegen diese damals aufkommende Rassentheorie der völkischen Ideologen.
Mit körperlichen Eigenschaften verschiedener Volksgruppen kannte sich Virchow übrigens ebenfalls bestens aus. Seine anthropologische Sammlung umfasste über 5.000 Skelette und Schädel aus aller Welt. Diese hat er sich unter anderem von Forschungsreisen mitbringen lassen und sorgfältig katalogisiert. Über die Hälfte der Sammlung liegt heute noch in der Humboldt-Universität zu Berlin. Bei seinen Untersuchungen hatte er jedoch primär wissenschaftliche und nicht rassistische Motive.
Ziemlich gut, aber nicht perfekt
Rudolf Virchow wusste zwar ziemlich viel, aber auch er irrte sich in manchen Aspekten. So glaubte er beispielsweise anfänglich nicht an die Existenz von Bakterien und verspottete seinen ehemaligen Schüler und späteren Nobelpreisträger Robert Koch für dessen Untersuchungen zu dem Thema. Insgesamt soll es ihm schwergefallen sein, die Arbeit von Kollegen anzuerkennen. Auch die Evolutionstheorie von Virchows Zeitgenosse Charles Darwin ist für ihn erstmal nur ein Denkmodell und keinesfalls erwiesen.