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3D-Hologramme

wissen.de-Autor Jens Ossa, Okt. 2012

Was gestern noch Science Fiction war, ist heute nur noch Science. Mit einer alten Technik, neu konzipiert, holt ein britisches Unternehmen tote Musiker wieder auf die Bühne – und zwar lebensecht. Eyeliner 3D Holographic Projection heißt das zukunftsträchtige System der Firma Musion. Entwickler wie Konzertveranstalter rechnen mit einem Bombengeschäft, gleichzeitig aber könnten Live-Auftritte von Stars ihren Wert verlieren. Inwieweit werden Hologramm-Shows den Musikmarkt verändern?

 

Von unglaublicher Klarheit

 

Es ist der 16. April 2012. Auf dem jährlichen Coachella Valley Music and Arts Festival erscheint ein Mann auf der Bühne, der eigentlich gar nicht da sein dürfte. Denn er ist zu diesem Zeitpunkt bereits seit fünfzehneinhalb Jahren tot. Der Mann heißt Tupac Shakur und ist Rapper. Zwei Stücke gibt er zum Besten, eines davon im Duett mit seinem alten Freund Snoopdog – "Two of Americaz Most Wanted". Allenfalls ein Umstand lässt erahnen, dass hier etwas nicht stimmt: Während Snoopdog durchweg Bodenhaftung hat, gleitet Tupac zuweilen seltsam über die Bühne. Klar wird es, als der am Ende seines Auftritts einfach verpufft.

Was ist geschehen? Natürlich war es nicht Tupac selbst, der da mit freiem Oberkörper gerappt hat – auch wenn ihm einige nachsagen, er lebe noch. Es war nichts weiter als sein Hologramm, die Projektion einer früheren Performance in den Raum hinein. Aber so täuschend echt?

Die verblüffende Qualität der Holo-Show beruht auf einem Patent der britischen Firma Musion Systems, der Trick selbst ist schon seit über 150 Jahren als Pepper’s Ghost bekannt. Im 19. Jahrhundert spiegelte der englische Chemiker John Henry Pepper seine Objekte noch mithilfe von Lichteffekten an einer Glasscheibe. Die Macher von Musion indes bedienen sich einer eigens entwickelten Folie. Auf der erzeugen sie mittels Industriestandard-Software und hochauflösenden Video-Beamern „virtuelle holografische Bilder in allen Größen und von unglaublicher Klarheit“, wie das Unternehmen auf seiner Webseite wirbt. Das Konzept heißt Eyeliner 3D Holographic Projection.

 

Madonna in Hintertupfingen

Konzertagenturen wittern aufgrund dieser Technik ein großes Geschäft. Schließlich kann die britische Rockband Queen fortan wieder mit ihrem Sänger Freddie Mercury auftreten – wenngleich mit großem Altersunterschied. Auch Elvis Presley, Michael Jackson oder die im vergangenen Jahr verstorbene Amy Winehouse können zurück auf die Bühne. Ein besonderes Argument hierbei: Tote Stars verlangen keine Gage. Allerdings kann der Dienst von Musion Systems je nach Aufwand mehrere hunderttausend Pfund kosten – noch! Denn konkurrierende Firmen wie AV Concepts oder Activ8-3D drängen bereits auf den Markt.

Wie verhält es sich aber, wenn Veranstalter nicht nur Tote zum Leben erwecken, sondern auch ein aktuelles Live-Konzert als Hologramm in mehrere Städte transportieren? Wenn Madonna in Hintertupfingen den örtlichen Festsaal zum Kochen bringt? Rein theoretisch könnte das die Ticketpreise senken. John Harris, Autor der Britpop-Dokumentation „The Last Party“ denkt hingegen, dass die Chancen der Technik vom Geschmack abhängen. „Bei Pop und R’n’B ist die Ästhetik viel wichtiger, die Show, die Tanzeinlagen, die Kostüme“, sagt er auf „Spiegel Online“. Im Rock hingegen sieht er die Bühne als einen Ort, wo echte, ehrliche Musik gemacht werde. Hier würde ein Holografie-Konzert wohl kaum echtes Live-Gefühl aufkommen lassen.

Zweifelsohne jedoch bietet die Technik unermessliche Möglichkeiten, und schaden wird sie der Musikbranche sicherlich nicht. Setzt diese doch in Zeiten, wo illegale Downloads die Verkäufe von CDs schmälern, vermehrt auf Konzerte.

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