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75 Jahre Nürnberger Prozess

Geschichtsträchtige Anklage: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird den verantwortlichen Nationalsozialisten vor einem Ad-hoc eingerichteten Internationalen Militärgerichtshof der Prozess gemacht. In der Stadt, in der sich Hitler einst auf seinen Reichsparteitagen inszenierte, wird damit Geschichte geschrieben. Denn für das Kriegsvölkerrecht ist ein solcher Prozess ein absolutes Novum – eines, das die Entwicklung des Völkerrechts bis in die Gegenwart maßgeblich beeinflusst hat.
DAL, 29.09.2016

Die Anklagebank mit den zwanzig zur Verhandlung erschienenen Hauptkriegsverbrechern. Rechts unten erkennt man den auch als 'Aquarium' bezeichneten Dolmetscherbereich.

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Adolf Hitler und einige seiner engsten Verbündeten sind zwar schon tot, als sich die Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg für eine strafrechtliche Verfolgung der Kriegsverantwortlichen entscheiden. Doch auch, wenn der größte Nazi-Verbrecher nicht zur Verantwortung gezogen werden kann: Die Nürnberger Prozesse schreiben Geschichte. Denn zum ersten Mal überhaupt richtet eine siegreiche Nation oder ein Bündnis einen internationalen Strafgerichtshof ein, um dem Verlierer eines Krieges einen ordentlichen Prozess zu machen.

Umstrittener Plan

Der Plan, die Nationalsozialisten vor Gericht zu stellen, ist zunächst allerdings nicht unumstritten. Haben diese Verbrecher das überhaupt verdient? Der britische Premierminister glaubt das nicht. Er fordert, die Verantwortlichen stattdessen auf der Stelle zu erschießen. Auch Josef Stalin plädiert für eine weniger "langwierige" Strategie und Frankreich ist ebenfalls skeptisch.

Im Sommer 1945 gelingt es dem Richter am Obersten Bundesgericht der USA und späterem Hauptankläger, Robert Jackson, dann jedoch, alle Alliierten von einem Prozess zu überzeugen. Mit dem Londoner Abkommen einigen sich die Siegermächte auf die Grundregeln für das Verfahren und erstellen einen Katalog strafbarerer Handlungen. Als Verhandlungsort wählen sie Nürnberg – jene Stadt, in der sich Hitler einst auf seinen Reichsparteitagen inszenierte.

Die Richter wurden von den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges gestellt.

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Der Prozess beginnt

Am 20. November 1945 – nur ein knappes halbes Jahr nach der Kapitulation Deutschlands – beginnt schließlich der Prozess. Angeklagt sind 24 sogenannte Hauptkriegsverbrecher, darunter hochrangige nationalsozialistische Minister, Funktionäre und Militärführer. Auch führende Vertreter aus der Wirtschaft wie der Rüstungskonzern-Chef Gustav Krupp von Bohlen und Halbach stehen auf der Anklageliste.

Doch nicht alle des Kriegsverbrechens Bezichtigte stellen sich dem Prozess: Drei Plätze auf der Anklagebank bleiben leer. Der Führer der Deutschen Arbeitsfront Robert Ley hat sich wenige Wochen vor Prozessbeginn in einem Nürnberger Gefängnis das Leben genommen, von Krupp kann aus gesundheitlichen Gründen nicht am Prozess teilnehmen und ein dritter Angeklagter ist seit Kriegsende schlichtweg verschwunden: der Leiter der Partei-Kanzlei der NSDAP, Martin Bormann. Seine Leiche wird erst Jahrzehnte später in Berlin gefunden.

Anklage in vier Punkten

So sitzen am ersten Prozesstag nunmehr 21 der 24 Angeklagten tatsächlich im Gerichtssaal. Sie müssen sich in vier Punkten vor dem internationalen Gericht verantworten: Verschwörung gegen den Weltfrieden, Entfesselung und Durchführung eines Angriffskrieges, Verbrechen gegen das Kriegsrecht und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Doch niemand von ihnen will sich zunächst schuldig bekennen oder zeigt sich von den Geschehnissen sonderlich beeindruckt. Das aber wird sich bald ändern. Nach einer Eröffnungsrede, in der der US-amerikanische Chefankläger Jackson klar zwischen den nationalsozialistischen Verantwortlichen auf der einen und einer Mehrheit der deutschen Bevölkerung auf der anderen Seite unterscheidet, lässt er sämtliche Beweismittel im Gerichtssaal vorführen. Stück für Stück.

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