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Aokigahara – Japans Selbstmörder-Wald

Nur rund 100 Kilometer von Tokyo entfernt, am Fuße des Fuji, liegt ein dichter und dunkler Wald – der Aokigahara. Sollten Wanderer vorhaben, die gekennzeichneten Pfade zu verlassen, könnte dieser Ort allerdings unangenehme Überraschungen bereithalten. Denn regelmäßig erhängen sich Menschen dort an den Bäumen. Aokigahara rangiert nach der Nanjing Yantze Brücke in China und der Golden Gate Bridge auf Platz drei in der makabren Weltrangliste der sogenannten "Suicide Spots".
SRE, 13.01.2020

Der Aoikigahara ist ein Teil der seenreichen Landschaft rund um den Vulkan Fuji, die zu den urwüchsigsten Regionen Japans gehört.

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Vor allem im Zuge einer schweren Depression, aber auch bei unheilbaren Krankheiten suchen manche Menschen einen Ausweg im Freitod. Im christlichen Europa galt der Selbstmord allerdings als Sünde und noch heute gilt dieses Thema vielfach als tabu. In Japan hingegen ist der Suizid wesentlich weniger tabubehaftet als bei uns, der Inselstaat zählt zu den Ländern mit den meisten Suiziden weltweit. Die Praxis des Harakiri - der Rettung der Ehre durch Selbstmord – ist auch heute noch stark in der japanischen Kultur verankert.

Ein Wald als Freitod-Kulisse

Doch es gibt Japaner mit Selbstmord-Absichten, die für ihren Freitod eine spezielle Kulisse wählen – einen Wald. Es ist erstaunlich, dass gerade diese abgeschiedene Gegend bei Selbstmördern so beliebt ist. Warum suchen sie gerade dieses Gebiet auf? Begeben wir uns auf eine Spurensuche…

Ein bisschen düster ist er schon, der Aokigahara-Wald, denn die Bäume stehen hier so dicht, dass das Sonnenlicht kaum den Boden erreicht und man sich fernab der Pfade leicht in diesem „Meer aus Bäumen“ verläuft. Dieser Wald am Fuße des Fuji ist vor allem in den westlichen Medien als Selbstmörder-Wald bekannt.  Warum aber suchen sich Menschen ausgerechnet dieses Gebiet als Ort für ihren Freitod?

Dass sich Menschen bevorzugt hier umbringen, ist zwar ein Phänomen der Neuzeit, doch düstere Legenden erzählt man sich schon lange über die Gegend. So sollen die Geister von Leuten, die zum Sterben im Wald zurückgelassen wurden, noch heute im Wald umherspuken. Im 19. Jahrhundert ließ man im Rahmen der sogenannten „Ubasute“-Praxis Alte, Gebrechliche und Kleinkinder zum Sterben im Wald zurück, damit die kargen Vorräte während des Winters zumindest für den Rest der Familie reichten.

Blick vom an den Wald grenzenden Shoji-See auf den Fuji

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Werther-Effekt treibt Selbstmörder in den Wald

Die moderne Suizid-Welle im Aokigahara-Wald geht jedoch vor allem auf einen Roman des Schriftstellers Matsumo Seichō aus dem Jahr 1957 zurück. In seinem Werk "Nami no tō" - der Wellenturm – tötet sich eine junge Frau aus Liebeskummer im Aokigahara. Matsumo bezeichnet den Wald im seinem Werk als „den perfekten Ort, um alles zu beenden“. Prompt nahm in den folgenden Jahrzehnten die Zahl der Selbsttötungen in dieser Gegend kontinuierlich zu.

Eine ähnliche Suizid-Welle nach einer Romanveröffentlichung, in der der Protagonist des Buches sich umbringt, ist auch aus Deutschland bekannt. Nach der Veröffentlichung von Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ im Jahr 1774 nahmen sich ebenfalls viele Leser das Leben. Offenbar besteht ein Nachahmungseffekt bei Menschen, die ohnehin zu Depressionen neigen. Um diesen „Werther-Effekt“ zu vermeiden, berichten Medien hierzulande nur eingeschränkt über Selbstmorde.

Besonders der bodennahe Bereich ist dicht und üppig mit Moosen und Farnen überwuchert, an vielen Stellen hängen Flechten herab und verleihen dem Waldesinneren ein urwaldhaftes Aussehen.

Hundert Tode pro Jahr

Doch zurück nach Japan: Seit Anfang der Siebziger Jahre ist die Anzahl der Selbstmorde im Aokigahara so hoch, dass ganze Polizeikompanien den Wald regelmäßig nach Leichen durchkämmen.  Die Zahl der gefundenen Leichen liegt in jedem Jahr bei etwa hundert, auch wenn die lokalen Behörden seit 2003 keine Zahlen mehr veröffentlichen. Da man aufgrund des dichten Unterholzes vermutlich nicht alle Toten findet, könnte die Dunkelziffer noch wesentlich höher liegen.

Befeuert wird die Zahl der Selbstmorde offenbar durch das kontroverse Werk „The Complete Manual of Suicide“, in dem der Ort als perfekt zum Sterben bezeichnet wird. Oft findet man Ausgaben des Werks in der Nähe der menschlichen Überreste. Zudem kursieren in der heutigen Zeit in zahlreichen Internetforen makabre Tipps für die besten Suizidmöglichkeiten, durch die der Ort zu einer traurigen Berühmtheit gelangte. Mittlerweile gibt es sogar einen gewissen Nervenkitzel-Tourismus für Leute, die die makabere Atmosphäre des Ortes reizt.

«Das Leben ist etwas Wertvolles»: Mit Schildern wie diesem versuchen die lokalen Behörden Suizidgefährdete von ihrer Tat abzuhalten.
Telefonseelsorge am Waldrand

Die lokalen Behörden beschränken sich mittlerweile nicht nur auf die pragmatische Beseitigung der menschlichen Überreste, sondern versuchen – auch aus Imagegründen – die Anzahl der Suizide zu verringern. Am Eingang des Nationalparks stehen Schilder, auf denen darauf hingewiesen wird, dass das Leben ein kostbares Geschenk ist. Darunter befinden sich Hinweise auf die Angebote der Telefonseelsorge. Neben den Polizeibehörden durchkämmen auch zahlreiche Freiwillige jedes Jahr den Wald und Sicherheitskräfte patrouillieren an seiner Grenze.  Das Personal ist- ebenso wie die Einheimischen - professional im Umgang mit Suizidgefährdeten geschult.

Mit geführten Touren durch den Wald versuchen die Einheimischen außerdem, ihn Touristen als das zu zeigen, was er in erster Linie ist – ein wunderschönes Stück Natur.

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