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Attentat in Solingen

Bei einem Brandanschlag in Solingen am 29. Mai 1993 auf das Wohnhaus der türkischen Familie Genç kommen zwei Frauen und drei Mädchen im Alter von vier, neun und zwölf Jahren ums Leben.

Chronik Verlag

Rund sechs Monate nach dem Brandanschlag auf ein von Türken bewohntes Wohnhaus in Mölln, bei dem drei Frauen getötet worden waren, wurden mit dem Brandanschlag in Solingen erneut ausländische Bürger Opfer eines vorsätzlich gelegten Brandes. In den folgenden Tagen kam es in Solingen zu zahlreichen Trauer- und Protestkundgebungen, bei denen Vertreter der türkischen Volksgruppe stärkeren Schutz vor rechtsradikalen Gewalttaten forderten. Auch in anderen Städten fanden nach dem Anschlag in Solingen Protestkundgebungen statt.

Bereits zwei Tage nach dem Brandanschlag nahm die Polizei einen 16-jährigen Deutschen, der der rechtsradikalen Szene von Solingen angehören soll, fest. Im Verhör gab er an, zusammen mit drei anderen Jugendlichen die Tat begangen zu haben. Der Anschlag sei jedoch nicht geplant gewesen. Die drei mutmaßlichen Mittäter seien am Abend vor der Tat von einer z.T. gewalttätig verlaufenen Familienfeier verwiesen worden. Voller Wut und Rachegfühle hätten sie den 16-jährigen getroffen, mit dem zusammen sie den Brand gelegt hätten.

Schwierige Verhandlungen

Gegen die vier Verhafteten wurde Anklage erhoben. Der Prozess vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gestaltete sich allerdings sehr schwierig. Der zuerst Festgenommene widerrief mehrfach seine früher vor der Polizei und im Gerichtssaal gemachten Aussagen; in einem umfassenden Geständnis bezeichnete er sich nach mehrmonatiger Verhandlungsdauer als Alleintäter, zog dieses Geständnis jedoch bald wieder zurück. Die drei Mitangeklagten bestritten während des gesamten Verfahrens jede Tatbeteiligung.

Am 13. Oktober 1995 wurden die vier Angeklagten schuldig gesprochen; drei erhielten 10 Jahre Jugendstrafe, der vierte wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt.

 

Asylrechtsdebatte heizte fremdenfeindliche Stimmung an

Politiker aller Parteien äußerten Abscheu über das Attentat von Solingen und drückten ihr Mitgefühl mit den Opfern und ihren Angehörigen aus. Auf der offiziellen Trauerfeier am 3. Juni 1993 in Köln rief Bundespräsident Richard von Weizsäcker die deutsche Bevölkerung zu mehr Wachsamkeit gegenüber gewalttätigen Rechtsradikalen auf und appellierte eindringlich, die "Freundschaft zwischen Deutschen und Türken" zu bewahren. In der Türkei wurde von offizieller Seite z.T. heftige Kritik am Verhalten der deutschen Behörden laut. So äußerte der türkische Ministerpräsident Erdal Inönü, notfalls müsse "vor jedes von Türken bewohnte Haus ein Polizist gestellt werden". Kritiker gaben außerdem zu bedenken, ob nicht die aufgeheizte Asyldebatte zum fremdenfeindlichen Klima in Deutschland beigetragen hat. Nur wenige Tage zuvor war das neue Asylrecht im Deutschen Bundestag verabschiedet worden, das das Anrecht auf Asyl durch neue Zusatzbestimmungen stark einschränkte. Für Irritation sorgte außerdem die Tatsache, dass Bundeskanzler Helmut Kohl nicht an den Beisetzungsfeierlichkeiten für die Opfer in der Türkei teilnahm.

Förderung der Integration

Am 26. Mai 2008 wurde der von der Türkisch Deutschen Gesundheitsstiftung (TDG) ausgelobte Genç-Preis erstmalig verliehen. Der Preis erinnert an den Brandanschlag in Solingen und wurde dem Oberbürgermeister Fritz Schramma für seinen Einsatz für die Integration verliehen.

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