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Auf den Spuren des dänischen Märchendichters in Odense

Hans Christian Andersen kam am 2. April 1805 als Sohn des armen Schuhmachers Hans Andersen und seiner Frau Anne Marie Andersdatter in Odense zur Welt. Wo genau, ist bis heute unbekannt - Andersens Eltern, knapp zwei Monate verheiratet, hatten keinen festen Wohnsitz. Erst, als Andersen 1867 bereits Ehrenbürger von Odense war, wurde das kleine, gelb gestrichene Fachwerkhaus an der Ecke Hans Jensen Stræde und Bangs Boder als Geburtshaus festgelegt. Seit 1908 Museum, gibt das Hans-Christian-Andersen-Haus mit Briefen und Bildern, Scherenschnitten und Zeichnungen, wertvollen Werksausgaben und Zitaten von Zeitzeugen Einblicke in das Leben des dänischen Dichters.

Hilke Maunder, © Visit Denmark

Ein wunderlicher Stubenhocker

Bei der Geburt Andersens ist Odense nach Kopenhagen die zweitgrößte Stadt Dänemarks. Rund 6.000 Menschen lebten hier - die Hälfte wie Andersens Eltern in Armut. Im spätromanischen Taufbecken der St. Hans Kirche, im 13. bis 15. Jahrhundert als Gotteshaus zum Johanneskloster errichtet, wird Andersen getauft. Als der Junge zwei Jahre alt ist, zieht die Familie in die Munkemøllestræde 3-5. Das Haus, in dem der Blondschopf bis zum 14. Lebensjahr aufwächst, ist heute als H. C. Andersen Barndomshjem eine Außenstelle des Andersen-Museums. Drei Familien mit zwölf Personen teilen sich das Fachwerkhaus. Andersens leben in einer kleinen Kammer mit angrenzender Küche, Werkstatt, Wohnzimmer und Schlafstube zugleich.

Hier spielt Andersen mit dem Puppentheater, näht Kostüme, betrachtet Bilder, liest Shakespeare und lauscht seinem Vater, der ihm aus 1001 Nacht und anderen Märchen vorliest. Andersen ist ein Stubenhocker, der es genießt, seinen Fantasien nachzuhängen. Lieber ist er drinnen allein, als mit anderen Kindern draußen zu spielen. Doch es gibt zwei Orte in der Stadt, die ihn faszinieren - das Gefängnis und das Armenhospital, in dem seine geliebte Großmutter arbeitete. Während er sich vor dem Trakt mit den Verrückten fürchtet, ist er im Spinnraum der alten Frauen ein gern gesehener Gast. Zum Dank für sein Kommen erzählen sie ihm Märchen.

1810 wird Andersen eingeschult, wechselt binnen kürzester Zeit mehrfach die Lehranstalt und endet schließlich in der Armenschule Påskestræde. Rechnen, schreiben, lesen stehen auf dem Lehrplan, buchstabiert wird von der Klasse im Chor. 1812 entdeckt Andersen seine Liebe zum Theater. Er sammelt die Eintrittskarten des Odenser Stadttheaters und beginnt in seiner Fantasie, für die Bühnenfiguren neue Stücke zu entwerfen. Als er als Zehnjähriger mit seinen Eltern endlich eine Vorstellung besucht, ist seine lebenslange Leidenschaft für die Bühne geboren. Das Lob über seine schöne Sopranstimme, mit der er in Bürgerhäusern singt und deklamiert, verstärken seine Sehnsucht nach einer Karriere am Theater. Nach dem Tod des Vaters beginnt die Mutter, als Waschfrau zu arbeiten, um das fehlende Einkommen zu ersetzen. Andersen ist jetzt noch mehr allein als zuvor.

Doch schon bald soll auch der Elfjährige zum Familieneinkommen beitragen. Das erste Arbeitsverhältnis bei der Odenser Tuchfabrik Koch & Hirschfeld in der Klaregade dauert nur wenige Tage. Weinend kehrt der schmächtige Junge aus dem Werk heim - die Kollegen hatten ihn als „Mädchen“ gehänselt und ihm die Hosen heruntergezogen. So schickt seine Mutter ihn zu Laurids Ørnstruds Tabakfabrik in der Vestergade. Doch auch hier leidet Andersen unter seiner Umgebung, und nach einigem Hin und Her gibt die Mutter nach und lässt ihren Sohn daheim lesen.

Die erneute Heirat seiner Mutter - im Juli 1818 ehelicht sie den Schuhmacher Niels Jørgensen Gundersø - ändert Andersens Alltag kaum. Wohl aber der Konfirmationsunterricht, den der Junge mit 13 Jahren beginnt - als einziges armes Kind in einer Gruppe von Kindern aus gutem Hause. Andersen würde sich über seinen sozialen Status hinaus weiterentwickeln, erkennt sein Pastor, Propst Tetens. Die Konfirmation am 18. April 1819, kurz nach seinem 14. Geburtstag, wird ein großes Fest. Der Höhepunkt: sein erstes eigenes Paar Stiefel.

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