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August – der Monat mit den zwei Gesichtern

Wenn die Sonne scheint und sich der wohlhabende Teil der Weltbevölkerung in Wellness aalt, schaut niemand genau hin. Deshalb haben Mächtige und Aufbegehrer im August Hochkonjunktur.
von wissen.de-Redakteurin Alexandra Mankarios, August 2013

„Lieber Herr Obama, ich Bombe Terror Pakistan encrypted hähä selbst Schuld du Schnüffler.“ Anfang August  habe ich kurz darüber nachgedacht, fortan so ein beklopptes Kauderwelsch unter jede meiner E-Mails zu schreiben. Als Zeichen zivilen Ungehorsams, um die Datenspione der National Security Agency zu verwirren und ihnen unnötige Arbeit zu bescheren. Da hatte Edward Snowden gerade die Welt über die Spionagesoftware XKeyScore informiert, nach PRISM im Juli.

Whistleblower Edward Snowden
Picture-Alliance GmbH, Frankfurt/ The Guardian
Leider bringt diese Strategie des Widerstands aber verschiedene Probleme mit sich. Unter anderem ist es ziemlich peinlich, sämtliche E-Mail-Kontakte mit explosiven Quatschsätzen zu belästigen. Außerdem habe ich eigentlich gar keine Lust, dass sich irgendwelche Geheimdienste mit meinen Daten befassen.

Aber ich will mich online frei fühlen! Fast wünschte ich, ich hätte nie erfahren, dass auch Informationen über meine persönlichen E-Mails, meine Facebook-Posts, meine Internet-Suchabfragen irgendwo auf der Welt von einer undurchsichtigen Organisation namens NSA im Namen des Kampfs gegen den Terror gespeichert werden. Aber nur fast wünsche ich mir das – und ziehe damit voller Hochachtung den Hut vor Edward Snowden, der den Mächtigen mächtig eins ausgewischt hat, als er das Ausmaß der NSA-Spionage in der Welt öffentlich gemacht hat.

 

Snowden ist der dumme August

Auch wenn er damit schon im Juli begonnen hat, eigentlich ist Edward Snowden eine typische August-Figur – wie der dumme August im Zirkus nämlich, Betonung auf der ersten Silbe.

Dessen Geschichte geht so: Es war einmal im 19. Jahrhundert ein typischer, strenger Weißclown, der sich September nannte. September trat immer mit einem Partner auf – August. August ist tollpatschig, aber guten Willens, er will es September recht machen. Aber September ist nie zufrieden. Deshalb wird der scheinbar dumme August irgendwann renitent und beginnt, dem weißen Clown Streiche zu spielen. Mit der Zeit findet er richtig Gefallen daran, ihm hinterrücks eins auszuwischen – ganz klar, welcher Figur in der Manege die Sympathie der Zuschauer gehört.

Gut, dass der dumme August heute im Zirkus eine feste Größe ist. Noch besser, dass er, siehe Snowden, auch auf der politischen Bühne auftritt und die mächtigen Weißclowns der Erde deshalb manchmal ganz schön lange Gesichter ziehen müssen.

 

August – Monat der Weltherrscher und Machthungrigen

Kaiser Augustus (63 v. Chr.-16 n. Chr)
wissenmedia, Gütersloh
Dass aber der Monat überhaupt August heißt und sich besagter Clown überhaupt so nennen konnte, hat ganz andere Gründe. Auch die sind politisch. Des Monats Namensgeber ist nämlich der römische Kaiser Augustus. Ursprünglich hieß er mal Gaius Octavius, aber um seine Macht zu festigen und aus dem Schatten seines Vorgängers Julius Cäsar herauszutreten, ließ er sich den Namen Augustus – der Erhabene – verleihen. Und benannte im Jahr 8 v. Chr. gleich auch noch den Monat Sextilis in Augustus um – so wie Cäsar 36 Jahre vorher aus dem Quintilis einen Iulius gemacht hatte.

Wer hätte nicht gern einen schönen Sommermonat als Denkmal? Genützt hat es dem ruhmhungrigen Augustus posthum wenig: Jedem Schulkind fällt heute eher Cäsar als Augustus ein, wenn es um römische Kaiser geht.

 

Die dunkle Seite des August

US-Verteidungsminister Robert McNamara erklärt den Tonkin-Zwischenfall.
Corbis-Bettmann, New York
Aber auch wenn er es auf dem Weltruhmtreppchen nicht ganz noch oben geschafft hat, die Züge Augustus’ geben dem Monat August bis heute ein Gesicht. Welche Zeit des Jahres eignet sich schließlich besser für hinterlistige Schachzüge, um die eigene Macht zu mehren, als der August?

Der betuchtere Teil der Weltbevölkerung macht dann nämlich Ferien, Politiker machen Sommerpause, die Nordhalbkugel der Erde liegt im Dornröschenschlaf. Aber irgendwo lauert garantiert jemand, der nur darauf gewartet hat, dass sich der gemeine Bürger in Wohlgefühl aalt und nicht so genau hinsieht.

So zum Beispiel im August 1964. Damals traten die USA nach dem so genannten Tonkin-Zwischenfall in den Vietnamkrieg ein. Das Perfide: Den Zwischenfall gab es so gar nicht, jedenfalls nicht den am 4. August, bei dem angeblich ein Kriegsschiff der USA angegriffen worden wurde. Alles ausgedacht, um den Kriegseintritt der USA zu legitimieren. Und wer hat’s erfunden? Die NSA. Die hatte nämlich damals, wie 2005 herauskam, Funksprüche absichtlich falsch übersetzt und den Eindruck eines Angriffs erzeugt.

Wie gut, dass das 2013 nicht mehr passieren kann. Planen die USA heute, ohne UN-Mandat ein Land, sagen wir Syrien, anzugreifen, dann nicht nur, weil dort wirklich Giftgas eingesetzt  wurde, sondern auch, weil definitiv das Assad-Regime dafür verantwortlich ist. Warum die USA letzteres sogar schon wissen, bevor die UN-Chemiewaffenexperten ihren abschließenden Bericht vorlegen? Fragen Sie doch mal die NSA.

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