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Aus der Frühzeit des Radsports

Monika Wittmann

Radfahren ist gefährlich, ungesund und schlecht für die Linie. Dieser Meinung jedenfalls war man(n) in der Frühzeit des Radsports. Das zarte Geschlecht sollte gefälligst auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Wenn die Damen unbedingt strampeln wollten, dann bitte an der Nähmaschine.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hieß es, der Drahtesel mache “dürr und eckig, unweiblich außen und innen.“ Gefürchtet wurde die “Katzbuckel-Haltung“ ebenso wie das “Bicycle-Gesicht“. Ein Gegner der neuen Frauenbewegung schnaubte: “Haben Sie jemals etwas Abstoßenderes, etwas Hässlicheres, etwas Gemeineres gesehen, als ein mit puterrotem Gesicht, vom Staube entzündeten Augen und keuchenden Lungen auf dem Zweirade dahinrasendes Frauenzimmer?“
Ärzte fürchteten um Leib und Seele der Radfahrsüchtigen. Sie erklärten die Manie “schlechthin zum Massenselbstmord“. Männliche Opfer des grassierenden Fiebers wurden eingehenden Tests unterzogen. Die Symptome waren alarmierend: Muskelkater, Atemnot, Pulsschläge über 160 und Herzrasen. Besonders besorgt waren die Mediziner wegen der Erschütterung der weiblichen Geschlechtsorgane und wegen einer möglichen Gefährdung der Gebärfähigkeit.
Auch Sittenwächter nahmen Anstoß an der Leidenschaft. Die Sitzhaltung auf dem Stahlross - “rittlings mit ausgespreizten Schenkeln“ - galt als unziemlich. Moralapostel warnten gar vor einem sexuellen Missbrauch des Fahrradsattels. Man munkelte, der Druck im auf die Genitalien wirke stimulierend.

Die radelnden Amazonen riefen wahre Schreckensvisionen hervor: Das starke Geschlecht zitterte, an der frischen Luft könne die Libido der Damen ins Unermessliche steigen. Wehe, wenn sie losgelassen!

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