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Auslaufmodell Beziehung: Warum Bindung an Attraktivität verliert

Die Suche nach einer monogamen und nach Möglichkeit auch lebenslang anhaltenden Beziehung rückt in Deutschland immer mehr in den Hintergrund. Der schnelllebige Alltag, Karriereziele und auch persönliche Wünsche und Vorstellungen gehören zu den bedeutendsten Ursachen. Viele Frauen und Männer entscheiden sich daher deutlich später für Ehe oder Lebenspartnerschaft – und scheinen damit glücklicher zu sein.

Beziehungen können einschränkend wirken

Ein Punkt, der Beziehungen zum Auslaufmodell macht, ist der grundsätzliche Rahmen einer monogamen Partnerschaft. Viele Frauen und Männer wissen, dass zum Gelingen einer langfristigen Beziehung mehr notwendig ist als bloßes Gefühl. So ist auch die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen und die eigenen Bedürfnisse weniger wichtig zu nehmen, der Schlüssel für andauernde Partnerschaften. Das aber will in Deutschland bei Weitem nicht jeder.

Beziehungslosigkeit kann Freiheit bedeuten.

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Insbesondere junge Menschen, die sich gerade im Studium befinden oder in die Kategorie der Berufseinsteiger fallen, verzichten lieber auf enge Beziehungen. Der Grund: Sie schätzen ihre Freiheit und wollen auch spontane Entscheidungen ganz ohne Rücksicht auf einen möglichen Partner treffen können. Lange oder auch kurze Reisen, Umzüge, Jobwechsel und sogar der ganz gewöhnliche Alltag – so scheint es – machen ohne einen Partner in vielen Fällen mehr Spaß. Kein Wunder also, dass das Eingehen von Langzeit-Partnerschaften an Attraktivität verliert.

Das Singleleben wird daher heute nicht mehr als notwendiges Übel auf dem Weg hin zu einer Beziehung gesehen, sondern ist zum anerkannten und gesellschaftsfähigen Lifestyle geworden. Wunderweib.de beschreibt in einem Artikel sogar, warum gerade das Single-Dasein vorteilhaft sein kann. Und tatsächlich: Im Vergleich zum Leben in einer unglücklichen oder einschränkenden Partnerschaft glänzt das Leben als Single mit einigen Vorzügen.

Auch die Sexualität verändert sich

Ein wichtiger Aspekt, der auch die Entscheidung zwischen Bindung und Single-Dasein beeinflusst, ist die Sexualität. In einer großangelegten Umfrage mit mehr als 2.500 Personen aus Deutschland zeigte sich: Nur 57 Prozent der Probanden befanden sich in einer festen Partnerschaft und lediglich vierzig Prozent dieser Teilnehmer bezeichneten ihre Beziehung als monogam. 56 Prozent der Menschen in einer Beziehung hatten mit ihrem Partner keinerlei Vereinbarung über mögliche Kontakte mit Dritten getroffen. Die Option, sich in sexueller Hinsicht ausleben zu können, scheint also immer bedeutsamer zu werden.

Das wurde im Rahmen derselben Studie ebenfalls deutlich. Hier gaben 17 Prozent der Teilnehmer an, schon mindestens einmal fremdgegangen zu sein. Sieben Prozent gaben sogar zu, in ihrer aktuellen Beziehung fremd zu gehen. Die Monogamie als feste Vorgabe verliert auch angesichts dieser Zahlen an Boden. Ob sich die Abkehr von christlichen Werten oder schlicht die neu gewonnene Vielfalt an Möglichkeiten hiermit besonders in Verbindung bringen lässt, darüber kann nur spekuliert werden.

Monogamie verliert zunehmend an Bedeutung.

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Ein Punkt, der monogamen Beziehungen jedoch tatsächlich in die Quere kommen kann, ist das heutige Berufsleben vieler Frauen und Männer. An nur einem Standort zu arbeiten, ist längst nicht mehr normal, denn Geschäftsreisen und längere Aufenthalte in anderen Städten gehören zu den Aufgaben zahlreicher Arbeitnehmer in Deutschland. Wer den eigenen Partner nur noch selten sieht, findet im Rahmen der eigenen Beziehung keine ausreichenden Möglichkeiten, ein zufriedenstellendes Sexualleben zu pflegen. Daher gibt es in vielen Großstädten Escort Agenturen, die insbesondere auf die Bedürfnisse von Reisenden abzielen. Doch Escort wird häufig missverstanden. Hier nämlich geht es nicht nur um erotische Kontakte, sondern vielmehr auch um zwischenmenschliche Erlebnisse. So beschreibt ein Escort Service, dass auch Theaterbesuche, Abendessen im Restaurant oder andere Freizeitaktivitäten fernab des Bettes zu den Möglichkeiten gehören, die in Anspruch genommen werden können.

Es gibt also durchaus Möglichkeiten, auch ohne eine Beziehung zwischenmenschliche Kontakte zu pflegen und Gefühle von Verliebtheit oder Intimität zu genießen. Auch das dürfte dafür sorgen, dass das Eingehen einer festen Bindung nicht mehr als zwingend notwendig erachtet wird. Der Aufwand, eine Beziehung lebendig zu halten, erscheint in manchen Fällen schlicht zu groß.

Dennoch: Das Leben zu zweit als Zukunftsvision

Bei Betrachtung all dieser Fakten scheint es fast so, als würden Beziehungen in der Zukunft immer weiter verdrängt werden. Das aber stimmt nicht. In einer Umfrage nämlich wurde deutlich, dass eine gute Beziehung von ganzen 95 Prozent der Teilnehmer als persönliches Lebensziel angesehen wird. Geringfügig mehr Probanden beschrieben gute Freundschaften als wichtiges Lebensziel. Der Teufel steckt hier allerdings im Detail: So ist es nicht die Beziehung per se, auf die Männer und Frauen hinarbeiten, sondern die „gute“ Beziehung.

Die Familiengründung steht in vielen Fällen dennoch ganz oben auf der Liste persönlicher Lebenswünsche.

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Kompromisse einzugehen, nur um einen Partner zu haben, ist also tatsächlich nicht mehr üblich. Das dürfte auch erklären, warum das Heiratsalter in Deutschland immer weiter in die Höhe steigt. Wer den Bund der Ehe eingeht, will sich mehr als nur sicher sein, den richtigen Partner hierfür gefunden zu haben. In Verbindung hiermit steht auch das Elternglück: Ntv.de berichtet darüber, dass Mütter immer älter werden. Eine schlüssige Konsequenz, wenn alle zuvor genannten Aspekte Berücksichtigung finden.

Es mag letztlich also sein, dass die Beziehung in ihrer Rolle als höchstes Gut keinen Bestand haben wird. Auch in der Zukunft werden die Singlezahlen in Deutschland vermutlich weiterhin steigen. Am Schluss aber – und das ist entscheidend – laufen auch die Menschen mit dem größten Bindungs-Unwillen früher oder später in den Hafen der Lebenspartnerschaft, Ehe oder auch Familie ein.

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