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Autofahren der Zukunft – Visionen mit Risiken

Selbstständig einparken, auf der Autobahn die Spur halten und den Fahrer daran erinnern, eine Pause zu machen: Moderne Autos sind längt mit intelligenten Systemen ausgestattet, die das Autofahren vereinfachen. Autonomes Fahren soll zukünftig menschengemachte Unfälle verhindern. Doch die Digitalisierung von Autos bringt auch Risiken mit sich – zum Beispiel steigt die Gefahr von Hackerangriffen. Aber wie können sich Autofahrer davor schützen?
ABO, 14.09.2020

Nach der auf breiter Front erfolgten Einführung von Fahrerassistenzsystemen, beginnen große Autohersteller nun auch mit der digitalen Vernetzung der intelligenten Autos.

istock.com, JIRAROJ PRADITCHAROENKU

"Künstliche Intelligenz nimmt schon heute einen enormen Stellenwert in der Automobilbranche ein", erklärt Jan Burgard, Partner der Strategieberatungsfirma Berylls Strategy Advisors. "Aktuell konzentrieren sich Hersteller unter anderem auf natürliche Spracherkennung für die Infotainment-Steuerung sowie auf Bilderkennung, die in Fahrassistenzsystemen zum Einsatz kommt." Zusätzlich beginnen große Autohersteller nun auch mit der digitalen Vernetzung der intelligenten Autos.

Per Programm gesteuert

Intelligente Autos sind mit Radar, Kameras und Laserscannern ausgestattet, um ihre Umwelt wahrnehmen zu können. Diese Sensoren senden ständig Daten an im Fahrzeug integrierte Rechner, die die Verkehrssituationen bewerten, Handlungen planen und im Extremfall auch Gaspedal, Bremse und Lenkung steuern. Um den Rechnern kognitive Fähigkeiten – wie das Sehen - anzutrainieren, entwickeln IT-Experten spezielle Programme.

Und die Computer durchlaufen einen ständigen Lernprozess: Die Software ist nicht festgeschrieben, sondern entwickelt sich weiter. Programmierer installieren nicht das Verhalten für jede mögliche Verkehrssituation, sondern speisen unzählige Datensätze und einen selbstlernenden Algorithmus in den Computer ein. Dieser analysiert schließlich durch Bildaufnahmen bestimmte Gefahren oder trifft Voraussagen über das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer. Die Funktionsweise dieser Programme lässt sich mit der Arbeit des menschlichen Gehirns vergleichen: Je mehr Beispiele das Programm lernt, desto besser wird es.

Tritt zum Beispiel ein Fußgänger an einem Zebrastreifen auf die Straße, erkennt das Auto, dass die Person die Straße überqueren will – und bremst bis zum Stillstand ab. Auch bei der Sprachsteuerung, dem Navigationssystem oder der Bilderkennung von Verkehrsschildern spielt künstliche Intelligenz (KI) eine Rolle.

Intelligente Autos sind mit einer ganzen Batterie von Sensoren ausgestattet, um ihre Umwelt wahrzunehmen.

Wenn Autos kommunizieren

Und autonome Fahren birgt noch mehr Möglichkeiten: Mit dem Smartphone können Autofahrer bereits heute ihre Tankfüllung überwachen und Temperaturen sowie Beschleunigung ablesen und speichern. Auch Bremswege können nachverfolgt werden. Volkswagen entwickelte ein System, bei dem der Kilometerstand genau zurückverfolgt und gespeichert wird. Manche Programme merken sich sogar, an welchem Tag zu welcher Uhrzeit ein Autofahrer eine bestimmte Person anruft oder einen bestimmten Weg fährt. "Wer beispielsweise häufig dienstags auf dem Nachhauseweg mit seiner Mutter telefoniert, bekommt an diesem Wochentag deren Telefonnummer auf dem Display vorgeschlagen", sagt Steven Peters, Entwicklungsingenieur bei Daimler.

„In der Zukunft werden die Fahrzeuge auch untereinander Informationen austauschen“, sagt Markus Maurer von der Technischen Universität Braunschweig. Dabei würden die Autos wissen, wo sich andere Autos befinden und wohin sie fahren. Auf diese Weise könnten sie die Route genau an das aktuelle  Verkehrsaufkommen anpassen und die Geschwindigkeiten berechnen, so der Experte. Forscher gehen davon aus, dass dadurch weniger Staus oder Wartezeiten vor roten Ampeln entstehen – und der Verkehrsraum optimal genutzt wird.

"Zu den Vorzügen von Systemen, die mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sind, gehört ihre grenzenlose Belastbarkeit. Das System lässt sich nicht ablenken, wird nicht müde und bleibt auch in unübersichtlichen Situationen voll konzentriert", erklärt Andre Roskopf, KI-Experte bei BMW. Forscher erhoffen sich, dass Unfälle, die durch menschliche Fehler entstehen, mithilfe der modernen Systeme verhindert werden können. Zusätzlich könnte das Autofahren in Zukunft möglicherweise auch ohne Führerschein bedienbar sein.

Maschinelles Lernen spielt auch in Fahrzeugassistenzsystemen eine immer größere Rolle.

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Die andere Seite der Medaille

Und obwohl die Innovationen vielversprechend und komfortabel klingen, haben sie auch Risiken und Sicherheitslücken: Denn "letztendlich braucht künstliche Intelligenz immer die Beteiligung des Menschen und fußt auf menschlicher Entwicklung", so  Peters. Die Maschinen seien nur so intelligent wie ihre Programmierer – sie entwickeln weder ein eigenes Bewusstsein noch schreiben sie selbstständig Programme. Forscher der TU Berlin und Vertreter der Max-Planck-Gesellschaft sagen, dass nicht alle Daten zu einem aus menschlicher Sicht logischen Lösungsweg führen. Werden beispielsweise Fotos nur anhand des Kontextes bewertet, kann es sein, dass eine Bildaufnahme von Schienen dem Kontext “Zug” zugeordnet wird – ganz gleich, ob sich ein Übergang dazwischen befindet oder ein Auto darauf parkt.

Auch Manipulationen und Hackerangriffe gefährden die Sicherheit von intelligenten Autos. Ein Beispiel brachte US- Sicherheitsforscher Stephen Checkoway: Er deaktivierte aus der Ferne die Bremsen eines fremden Fahrzeuges– und das in voller Fahrt des Wagens. Dies gelang über die im Auto installierte Software zum Abspielen von Musik und einem damit verbundenen Smartphone. Für die Hersteller vernetzter Autos wird die Absicherung von gelernten Algorithmen deshalb eine zentrale Herausforderung.

Forscher vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz entwickelten dafür eine Software, die Hackerangriffe auf Autos verhindert. Informationen aus dem Fahrzeugnetz werden nur dann verarbeitet und übernommen, wenn der Sender die richtigen Authentifizierungscodes an die Nachricht anhängt. So verarbeitet die Bremse zum Beispiel nur Befehle, die den korrekten Geheimschlüssel enthalten. Weitere Attacken, wie das Mitschneiden von Nachrichten oder das mehrfache Verschicken, unterbinden die Forscher, indem sie den Befehlen einen Zeitstempel anhängen. Ist er nicht aktuell, fällt das auf. Autohersteller können ihre Fahrzeuge kostenlos - per Download im Internet - mit der Software nachrüsten.

Eine Verschlüsselung der Daten soll auch mithilfe der Blockchain-Technologie möglich sein. Dahinter steckt eine ständig erweiterbare Liste von Datensätzen, die miteinander verknüpft sind, aber auf verschiedenen Datenbanken gespeichert sind. Jede Manipulation oder Kopie eines dieser Datensätze macht sich dank einer komplexen Verschlüsselungstechnik sofort bemerkbar. Wenn Informationen, wie zum Beispiel tägliche Autorouten oder Kontostände, auf vielen Computern - statt auf einem zentralen - verteilt sind, können Angreifer sie nicht ohne weiteres abrufen.

Einzelne Hersteller erarbeiten weitere Ansätze, um Manipulationen zu verhindern: Autohersteller Porsche entwickelt zum Beispiel einen virtuellen Zusatzschlüssel, der zum autonomen Autofahren benötigt wird – vergleichbar mit dem üblichen Autoschlüssel zum Öffnen eines Fahrzeugs. Der chinesische Hersteller Byton plant eine Fahrzeug-Entriegelung per Gesichtserkennung. Experten fordern zusätzlich stärkere Kontrolle der Programme und umfangreiche Tests neuzugelassener Fahrzeuge – in Simulation und im realen Verkehr.

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