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Bereit für die Zukunft

Am 19. Juli 1956 unterzeichnete Franz Josef Strauß, damals Bundesminister für Atomfragen, die Gründungsurkunde der „Kernreaktor Bau- und Betriebsgesellschaft mbH“. Neben Karlsruhe hatten sich auch Aachen und München um den ersten deutschen Eigenbau-Reaktor beworben. Die Standortfrage wurde schließlich von Bundeskanzler Konrad Adenauer persönlich zu Gunsten von Karlsruhe entschieden.

© Forschungszentrum Karlsruhe

In einer ersten Ausbaustufe sollte das Forschungszentrum, das sich zunächst noch bescheiden „Reaktorstation Karlsruhe“ nannte, aus dem Forschungsreaktor, der notwendigen Infrastruktur und vier wissenschaftlichen Instituten bestehen.

Heute ist das Forschungszentrum Karlsruhe, Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, mit 3800 Mitarbeitern und einem Jahresetat von rund 400 Millionen Euro eine der größten unabhängigen Forschungseinrichtungen in Europa. Mitarbeiter des Forschungszentrums, verteilt auf 22 wissenschaftliche Institute und verschiedene Infrastrukturabteilungen, arbeiten derzeit in fünf Forschungsbereichen, die aber künftig auf 3 große Aufgaben konzentriert werden sollen: auf Energieforschung, auf die Schlüsseltechnologien Nanotechnologie und Mikrosystemtechnik sowie – grundlagenorientiert – Struktur der Materie. Kennzeichen der Arbeiten des Forschungszentrums ist ein hohes Maß an Interdisziplinarität, eine langfristige Zielsetzung und die Dimension der Projekte.

Das Aufgabenspektrum des Forschungszentrums Karlsruhe hat sich im Lauf der Jahre grundlegend gewandelt. Bis in die 80er Jahre standen die Entwicklung und der Betrieb verschiedener Reaktortypen im Vordergrund. Gemeinsam mit der Industrie plante und errichtete das „Kernforschungszentrum“ fünf kerntechnische Versuchsanlagen – vier kleine Kernkraftwerke unterschiedlichen Typs sowie die Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe.

Aus den im Forschungszentrum Karlsruhe entwickelten Technologien gingen immer wieder neue Forschungsfelder hervor, die ab Mitte der 80er Jahre verstärkt wurden. Der Wandel vom Kernforschungszentrum zur multidisziplinären Forschungseinrichtung wurde –  nach dem Ausstieg Deutschlands aus dem Konzept des geschlossenen Brennstoffkreislaufs –  bis Mitte der 90er Jahre abgeschlossen. Als thematische Schwerpunkte bildeten sich neben Energie- und Umweltforschung vor allem Schlüsseltechnologien wie Nanotechnologie und Mikrosystemtechnik heraus.

Heute steht das Forschungszentrum vor einer Fülle großer und faszinierender Herausforderungen, die das Arbeitsprogramm der kommenden Jahre prägen werden:

  • Die Messung der Neutrinomasse, eine der spannendsten Fragen der heutigen Physik, ist Ziel des im Aufbau befindlichen Experiments KATRIN.
  • Mit dem internationalen Pierre-Auger-Projekt, das im November 2005 in Argentinien eingeweiht wurde, geht das Forschungszentrum auf die Suche nach dem Ursprung der rätselhaften höchsten Energien in der kosmischen Strahlung.
  • Mit dem Instrument MIPAS an Bord des europäischen Umweltsatelliten ENVISAT trägt das Forschungszentrum zur Aufklärung der für unsere Klimaentwicklung wichtigen Zusammensetzung der Atmosphäre bei. Ab 2006 wird das Höhenforschungsflugzeug HALO als neues Großgerät der Helmholtz-Gemeinschaft dazu kommen.
  • Der Forschungsbereich Gesundheit zielt auf die Erforschung häufiger und komplexer Erkrankungen, die bisher weder zufriedenstellend behandelt, noch mit konventionellen Methoden geheilt werden können. Das Forschungszentrum entwickelt beispielsweise Gewebestrukturen als Organersatz oder entschlüsselt Proteome zum Verständnis von Abläufen in Zellen.
  • Das Forschungszentrum entwickelt neue Technologien und Konzepte, um aus biologischen Abfällen (beispielsweise Stroh und Holz) moderne Hochleistungsbrennstoffe und Ausgangsmaterialien für die chemische Industrie zu erzeugen.
  • Im Juni 2005 fiel die Entscheidung für Cadarache in Südfrankreich als Standort für das Fusionsexperiment ITER. Ziel der Fusionsforschung, die als internationales Großprojekt angelegt ist, ist der Bau eines Kraftwerkes, um das Sonnenfeuer auf die Erde zu holen: eine Option für die Energieversorgung künftiger Generationen. Hier hat das Forschungszentrum mit der Konzentration auf Technologieentwicklungen eine Rolle übernommen, die mit dem Bau von ITER weiter an Bedeutung gewinnen wird
  • Weiterhin setzt das Forschungszentrum auf einen angemessenen Anteil an Kerntechnikforschung, um dieser Technologie, die in Deutschland ihren Ursprung genommen hat, in den nächsten Jahrzehnten eine ausreichende Wissensbasis zu sichern. Schwerpunkt der Arbeiten liegen in der Sicherheits- und Endlagerforschung.
  • Als Energieträger der Zukunft gilt die Wasserstofftechnologie. Das Forschungszentrum arbeitet an den Themen Wasserstofferzeugung und Wasserstoffspeicherung, aber auch an Sicherheitsaspekten dieser neuen Technologie sowie der Technologiebewertung.
  • Im Forschungszentrum entsteht mit GridKa der deutsche Knoten des Grid-Computing, der nächsten Generation des Internet. Datenspeicherung und Rechenleistung sollen dabei auf ein weltweites Computernetz verteilt werden und rund um die Erde – wie Strom aus der Steckdose – zur Verfügung stehen.
  • Gemeinsam mit dem Center for Functional Nanostructures an der Universität Karlsruhe hat sich das Forschungszentrum zum führenden Standort für Nanotechnologie in Deutschland entwickelt und ist Zentrale des deutschlandweiten Netzwerks für Materialien der Nanotechnologie (NANOMAT).
  • Das Forschungszentrum Karlsruhe betreibt das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag und berät die Abgeordneten bei wissenschaftlichen und technologischen Fragestellungen. Im Jahr 2005 wurde diese Aufgabe auch für das europäische Parlament übernommen.

Im Rahmen der in den letzten drei Jahren durchgeführten Begutachtung der Helmholtz-Gemeinschaft durch hochrangig besetzte internationale Gutachterkommissionen haben alle großen Programme des Forschungszentrums lückenlos mit hervorragenden Noten abgeschlossen. Der thematische Wandel über die Jahrzehnte ist gelungen.

Im Jubiläumsjahr 2006 sind Ausstellungen mit Kunst und Wissenschaft, Vortragsveranstaltungen zu spannenden wissenschaftlichen Themen und vieles andere geplant. Schon seit dem 1. März läuft das Internet-Gewinnspiel FZKWISS (www.fzkwiss.de), eine Herausforderung im Themenfeld Naturwissenschaft und Technik. Am 19. Juli wird der Geburtstag mit einem Festakt gefeiert, zu dem hochrangige Gäste aus Politik und Wissenschaft erwartet werden. Ein weiterer Höhepunkt des Festjahres wird ein „Tag der offenen Tür“ am 23. September 2006 sein. Die Besucherzahlen der letzten Tage der offenen Tür, an denen bis zu 40 000 Gäste den Forschungscampus besuchten, sollen im Jubiläumsjahr übertroffen werden. Auch zu anderen Tagen sind Besuchergruppen auf dem Forschungsgelände gegen vorherige Anmeldung herzlich willkommen. Jährlich rund 300 Gruppen mit beinahe 7000 Besuchern nutzen das Angebot, neben Informationen über das Forschungszentrum auch Einblicke in aktuelle Forschungsthemen und eindrucksvolle Versuchsanlagen zu erhalten. Einzelbesucher können sich nach Absprache diesen Gruppen anschließen.

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