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Bio-Hacking - das Genlabor im Wohnzimmer

Sie bringen Pflanzen zum Leuchten und machen Bakterien bunt: Bio-Hacker. Die Gentechnik ist seit den ersten praktischen Erfolgen in den 1970er Jahren heute so weit entwickelt, dass sie nahezu jeder im eigenen Wohnzimmer anwenden kann. In den USA gibt es schon Do-it-Yourself-Baukästen für den Hobbygenetiker zu kaufen. Auch in Deutschland hat die Bewegung Einzug in einige Wohnzimmer und Garagen gehalten. Müssen wir uns jetzt vor hausgemachten Genexperimenten aus der Nachbarschaft fürchten?
CLU, 06.04.2017

Mit zunehmender Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit von Enzymen, Genbausteinen und Laborgeräten hat sich analog zum Computerbereich eine "Hackerszene" in den Biowissenschaften entwickelt.

thinkstock.com, CIPhotos

Als Bio-Hacker bezeichnet man Leute, die sich zu Hause im Wohnzimmer oder Keller kleine Labore einrichten und mit der DNA von Mikroorganismen experimentieren. Der Begriff Bio-Hacking spielt dabei auf die frühe Computer-Hacking-Szene an, die sich in den 1970er Jahren entwickelte. Doch statt den Code von Computerprogrammen zu manipulieren, hacken die Bio-Hacker den Code des Lebens: die DNS. So bringen sie Pflanzen zum Leuchten oder Bakterien dazu, Giftstoffe unschädlich zu machen.

In Deutschland gehört Rüdiger Trojok zu den Bio-Hackern der ersten Stunde, der schon während des Biologie-Studiums das Bedürfnis hatte, stärker selbstständig zu arbeiten. 2009 richtete er sich daher sein erstes kleines Hobby-Labor in seinem Freiburger Studentenzimmer ein. Viele der notwendigen Geräte seien gar nicht mehr so teuer.

Technische Geräte für eine Grundausstattung sind schon für einige Hundert Euro erhältlich, erzählt Trojok. Damit könnten sogar Laien ohne großes Vorwissen Erbgutnachweise bei sich im Wohnzimmer durchführen. Andere Gerätschaften lassen sich mit etwas Tüftelei kostengünstig selbst nachbauen. So wird schon mal aus einem Bohrer eine improvisierte Zentrifuge gebastelt. Und Enzyme und andere molekularbiologische Werkzeuge sind für wenige hundert Euro über Dienstleister erhältlich. Mit der so zusammengestellten Ausrüstung leben vorwiegend junge studierte Wissenschaftler ihren Forschungsdrang abseits der Hierarchien der Universität aus. Zumindest die technischen Möglichkeiten zu genetischen Experimenten sind demnach vorhanden.

Revolutionäre Genschere

Einen besonderen Sprung machte die Gentechnik erst vor wenigen Jahren, als Forscher die zielgerichtete Manipulation von Genen mit Hilfe der "Genschere" CRISPR/ Cas entwickelten. Dank dieses Molekülkomplexes können einzelne Genabschnitte punktgenau angesteuert, ausgeschnitten und ersetzt werden – und dies viel einfacher und schneller als bisher. Dadurch lassen sich theoretisch Mutationen im Erbgut entfernen, um zum Beispiel bei einzelnen Personen Erbkrankheiten zu behandeln.

Aber auch weiterreichende Eingriffe ins Erbgut sind denkbar. So könnten Stechmücken, die als Hauptüberträger des Zika-Virus und anderer Krankheitserreger gelten, durch entsprechende Genmanipulation unfruchtbar gemacht werden. Dabei ist der Einsatz der Genschere verhältnismäßig einfach, sodass prinzipiell auch Laien mit etwas Übung eigene genetische Manipulationen in der heimischen Bio-Hacking-Zentrale durchführen könnten.

Software wie der Genome Compiler hilft dabei, aus kleinen Genbausteinen ganze Gensequenzen zu basteln. Der interessierte Laie dürfte trotzdem überfordert sein.

Kein Kinderspiel

Mal eben zum Spaß ein paar Gene zu verändern sei aber nicht möglich, betont Trojok. "Eigenständige Experimente erfordern noch ein fundiertes Fachwissen und langwierige wie akkurate Vorbereitungen. Zudem dürfen wir Gene von Organismen hier in Deutschland gar nicht austauschen." Die Gesetzeslage für genetische Experimente ist in Deutschland nämlich sehr streng.

Das Einbauen von fremder DNA in ein Lebewesen ist nur in einem entsprechend ausgestatteten professionellen Labor mit offiziellem Betreiber und Sicherheitsbeauftragten erlaubt, erklärt der Bio-Hacker. Labor und Forscher müssen eine spezielle Zulassung und drei Jahre Laborerfahrung vorweisen. Zudem gebe es eine große Zahl an baulichen Auflagen und Dokumentationspflichten. In einem privat angelegten Hobby-Labor lasse sich dies kaum realisieren, so der Biohacking-Experte. Experimente an menschlichen Embryonen sind in Deutschland zudem generell strikt verboten.

Veraltete Vorschriften?

Wenn es um harmlose genetische Versuche geht, die schon lange etabliert sind und als sicher bewertet wurden, findet Trojok die strengen Vorschriften des 1990 erlassenen Deutschen Gentechnikgesetzes allerdings überzogen. Weil man die Risiken der noch jungen Gentechnik seinerzeit nur schwer abschätzen konnte, habe man das Gesetz vorsichtshalber besonders streng ausgelegt.

Wenn heute aber jemand beispielsweise leuchtende Backhefe haben möchte, soll er diese ruhig durch Einbau von "Leuchtgenen" im Hobby-Labor machen dürfen, findet Trojok: "Dann hat man einfach nur leuchtende Hefezellen, aber deswegen ist das noch nicht gefährlich.", sagt er in einem SWR2-Interview. Doch noch würden auch für derartig unbedenkliche, tausendfach bewährte Versuche bis zu drei Jahre Haft drohen.

Statt den Bio-Hackern das Durchführen einfacher Experimente zu verbieten, wünscht sich Trojok die Einrichtung von öffentlichen Gemeinschaftslaboren, in denen motivierte Hobby-Forscher unter den geforderten Sicherheitsbedingungen ihre Versuche durchführen können. "Denn das Recht auf Forschung ist zusammen mit der Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit im Grundgesetz verankert."

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