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Das Ende der deutschen Monarchie

Vor 100 Jahren rief Philipp Scheidemann in Berlin die Republik aus. Zuvor hatten überall im Deutschen Reich Soldaten und Arbeiter den Aufstand geprobt: Sie wollten das Ende des Ersten Weltkriegs und die Abdankung des Kaisers. Mit der Proklamation der Republik wurde das Land schließlich von einer Monarchie in eine parlamentarisch-demokratische Staatsform überführt. Doch diese sogenannte Weimarer Republik hatte es von Anfang an nicht leicht.
DAL, 09.11.2018

Revolutionäre Soldaten vor dem Brandenburger Tor

Gemeinfrei

Es ist ein bemerkenswerter Tag in der Geschichte Deutschlands. Der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann steht an einem Fenster des Reichstags und ruft die Republik aus: "Der Kaiser hat abgedankt. Das Alte und Morsche, die Monarchie, ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue, es lebe die deutsche Republik."

Mit diesen Worten vom 9. November 1918 ist das deutsche Kaiserreich endgültig Geschichte. Doch wie ist es dazu gekommen? Im Herbst 1918 befindet sich Deutschland in einer prekären Lage: Seit Jahren wütet der Erste Weltkrieg, Millionen Menschen sind gestorben, noch mehr verwundet worden – und es ist klar, dass die Niederlage nicht mehr abzuwenden ist.

Der Anfang vom Ende: Im Oktober 1918 verweigern einige Schiffsbesatzungen vor Wilhelmshaven den Flottenbefehl, in eine aussichtslose und militärisch sinnlose Schlacht gegen England zu ziehen.

Gemeinfrei

Aufstände im ganzen Reich

Angesichts dieser Situation macht sich in der Bevölkerung zunehmender Unmut breit. Der Ruf nach Frieden wird lauter. Zunächst sind es die Matrosen in Wilhelmshaven, die am 29. Oktober den Aufstand proben. Kurze Zeit darauf tun es ihnen Arbeiter aus anderen Hafenstädten und auch aus den Industriestandorten im Inland nach.

Überall im Deutschen Reich wird gestreikt. Es bilden sich Arbeiter- und Soldatenräte, die die sofortige Beendigung der Kampfhandlungen fordern. Doch bei dieser Forderung bleibt es nicht: Auch Kaiser Wilhelm II. gerät ins Visier der Massen. Denn er, so scheint es, steht einem Friedensschluss im Wege. Nach Auffassung der Arbeiter- und Soldatenräte ist seine Abdankung daher unvermeidbar.

Der Kaiser wird abgedankt

Am 9. November erfasst die Revolution schließlich auch Berlin. Der linke Flügel der Unabhängigen Sozialdemokratie (USPD), allen voran der Spartakusbund um Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, bereitet einen Generalstreik vor. Auch die Mehrheitssozialdemokratie (MSPD) und die Gewerkschaften unterstützen die Aktion und solidarisieren sich mit den Protesten.

Während die Aufständischen in der Hauptstadt das Polizeipräsidium und weitere strategisch wichtige Punkte besetzen, versucht Reichskanzler Prinz Max von Baden noch das Schlimmste abzuwenden. Er bittet den Kaiser, freiwillig auf den Thron zu verzichten, um einer Eskalation der Lage entgegenzuwirken. Als dieser auch nach wiederholtem Bitten nicht einlenkt, nimmt von Baden die Dinge selbst in die Hand: Um 11:30 Uhr verkündet er eigenmächtig die Abdankung des Kaisers.

Ausrufung der Republik durch den SPD-Politiker Philipp Scheidemann.

Gemeinfrei

Doppelte Ausrufung

Die Regierungsgeschäfte übergibt von Baden dem MSPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert. Dieser versucht sogleich, zusammen mit der USPD eine provisorische Regierung zu bilden. Unterdessen spitzt sich die Situation auf den Straßen Berlins weiter zu: MSPD-Mitglied Philipp Scheidemann bekommt Wind davon, dass Karl Liebknecht plant, eine sozialistische Republik auszurufen. Um dem Linkssozialisten zuvorzukommen, eilt Scheidemann auf den Balkon des Reichstags und ruft gegen 14 Uhr die "deutsche Republik" aus.

Ebert ist von dieser nicht abgesprochenen Aktion wenig begeistert, doch die zukünftige Staatsform Deutschlands ist damit besiegelt. Tatsächlich wird die Republik an diesem Tag noch ein zweites Mal ausgerufen. Denn zwei Stunden nach Scheidemann verkündet Liebknecht vom Balkon des Berliner Staatsschlosses die "freie sozialistische Republik Deutschland".

Angesichts der Ereignisse im Reich setzt sich Kaiser Wilhelm II. (4. v. l.) aus seinem belgischen Hauptquartier in die Niederlande ab.

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Zerreißprobe für die junge Republik

Diese doppelte Ausrufung der Republik deutet bereits an, dass es das neue Deutschland von Anfang an schwer haben wird. 1919 werden Wahlen zu einer verfassungsgebenden Nationalversammlung abgehalten und die sogenannte Weimarer Republik gegründet. Doch die polarisierten Verhältnisse und mangelnder Rückhalt aus der Bevölkerung stellen die junge Republik vor große Herausforderungen.

Massenarbeitslosigkeit, Kriegsschäden und Reparationsforderungen stellen eine Zerreißprobe dar, der die Demokratie auf Dauer nicht standhält. Nicht nur in Deutschland, auch in anderen Teilen Europas erlangen schon bald antidemokratische Strömungen Aufwind. Sie liefern den Nährboden für den aufkommenden Nationalsozialismus.

Schicksalstag 9. November

In den folgenden Jahrzehnten wird der 9. November immer wieder Wendepunkte in der Geschichte Deutschlands markieren. 20 Jahre nach der Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann erreicht die gewaltsame Judenverfolgung mit der "Reichspogromnacht" ihren ersten Höhepunkt: Auf Geheiß der nationalsozialistischen Führungsriege werden in ganz Deutschland Geschäfte und Wohnungen jüdischer Bürger geplündert und zerstört, Synagogen in Brand gesetzt und Juden ermordet.

Am gleichen Datum 51 Jahre später fällt dann die Berliner Mauer – jene Barriere, die 28 Jahre lang die beiden deutschen Staaten teilte.

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