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Das Schicksal unbeachteter Genies

Immer wieder kursieren Berichte von kleinen Genies, die mit fünf Jahren schon in die Schule kommen, mit zehn Jahren das Abitur machen und dann auch gleich auf die Universtiät verschwinden. Doch solche Geschichten - wenn sie auch nicht frei erfunden sind - sind äußerst selten. Diese Kinder sind die große Ausnahme. In der Realität sieht es jedoch so aus, dass viele Kinder mit einem Intelligenzquotienten (IQ) von 130 und mehr sogar in einer sonderpädagogischen Einrichtung landen. In Deutschland gibt es ca. 400.000 Kinder und Jugendliche, die als hochbegabt bezeichnet werden können. Doch knapp die Hälfte dieser Kinder haben soziale und vor allem emotionale Probleme. Oft kommen Sie in der Schule nicht klar, langweilen sich, sind unterfordert und werden somit schnell zum Klassenclown. Dies ist vor allem bei Jungen der Fall. Mädchen hingegen werden dann oft immer ruhiger, wollen um keinen Preis auffallen und beteiligen sich kaum noch am Unterricht.
aus der wissen.de-Redaktion

Wie erkenne ich, ob mein Kind hochbegabt ist?

Junge spielt Geige
Fotolia.com/A. Jüttner-Lohmann
Hochbegabung wird allgemein erklärt als außergewöhnliche Leistungen auf einem oder mehreren Gebieten. Einerseits handelt es sich um früh entwickelte Kinder mit Fähigkeiten und Kenntnissen, über die Gleichaltrige noch nicht verfügen. Auf der anderen Seite gibt es die Wunderkinder, deren besondere Fähigkeiten oder Kenntnisse die meisten Menschen nicht haben. Wissenschaftliche Studien haben ergeben, dass weniger eine Veranlagung als viel mehr das aufmerksame und unterstützende Umfeld Hochbegabung fördert.

Die meisten hochbegabten Kinder leiden unter ihrer besonderen Fähigkeit, da diese in dem Alter mehr eine Belastung als eine Erleichterung darstellt. Sie selbst empfinden sich nicht nur "anders": Sie müssen sich darüber auch mit ihren Klassenkameraden auseinandersetzen. Sie müssen gegen Lehrer und Ungerechtigkeiten ankämpfen und oftmals auch noch gegen die eigenen Eltern, die die Begabung Ihres Kindes vielleicht gar nicht wahrnehmen. Umso wichtiger ist es, sich frühzeitig mit dem Thema zu beschäftigen, um rechtzeitig die Anzeichen zu erkennen und richtig handeln zu können.

 

Folgende Beobachtungen können ein Hinweis auf eine Hochbegabung Ihres Kindes sein. Allerdings müssen nicht zwingend alle Punkte auftreten.

 

  • Ihr Kind verfügt über eine ausgeprägte Neugierde und selbstständiges Erkundungsverhalten.
  • Ihr Kind verfügt über ein schnelles und effektives Auffassungsvermögen.
  • Ihr Kind hat ein frühes Interesse an Buchstaben, Wörtern und Zahlen und es hat eine Vorliebe für ordnende und gliedernde Tätigkeiten.
  • Ihr Kind beginnt schon früh, eigenständig nachzudenken und logische Schlussfolgerungen zu ziehen.
  • Ihr Kind kann gut "um die Ecke" denken und wartet mit originellen Ideen auf.
  • Ihr Kind verfügt über hervorragende Gedächtnisleistungen und hohe Konzentrationsfähigkeit. Besonders auffällig ist das später in der Schule, wenn sie zum Vokabellernen die Wörter nur einmal durchzulesen brauchen und schon behalten sie sie. Viele dieser intellektuellen Kinder können sich gut allein beschäftigen und sich in ein Spiel vertiefen, ohne dass sie mitbekommen, was um sie herum geschieht. Auf manche Beobachter mag das bisweilen gar "autistisch" wirken.
  • Ihr Kind interessiert sich für typische "Erwachsenenthemen" und unterhält sich oft lieber mit Erwachsenen als mit Gleichaltrigen, mit denen es weniger anfangen kann.
  • Hochbegabte Kindern haben ein geringeres Schlafbedürfnis. Viele von ihnen kommen schon sehr früh ohne Mittagsschlaf aus und empfinden es fast wie eine Qual oder Strafe, wenn sie ihn trotzdem halten müssen. Oder sie stehen bereits morgens um fünf oder sechs Uhr putzmunter auf der Matte und sind abends nur schwer ins Bett zu bekommen.
  • Ihr Kind hat ein starkes Gerechtigkeitsempfinden.
  • Hochbegabte Kinder fallen durch ausgeprägte Eigenwilligkeit und ein starkes Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Selbststeuerung auf.
  • Ihr Kind ist sehr sensibel. Dies bezieht sich auf eine gesteigerte Ängstlichkeit - etwa ausgelöst durch eine Meldung in den Nachrichten - und auf das Gerechtigkeitsempfinden. Es hat ein sehr feines Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen und Interaktionen.
  • Ihr Kind neigt zum Perfektionismus. Sie fangen z.B. eine Geburtstagskarte für einen Freund mehrmals neu an, weil Ihnen die Schönschrift nicht so gelungen ist. Oder sie beginnen vor lauter Sorgsamkeit oder Ordnungsliebe mit einem neuen Hausaufgabenheft, obwohl das alte nur zur Hälfte vollgeschrieben ist.
  • Viele hochbegabte Kinder sprechen sehr früh in komplexen Sätzen und eignen sich oft selbst das Lesen an.

 

Handicaps hochbegabter Kinder

Mädchen spielt Schach
istockphoto.com/Sarah Hipwell
Das hochbegabte Kind zeichnet sich u.a. durch eine besondere Schnelligkeit im Denken aus. Es entwickelt neue und originelle Ideen, denkt gern "um die Ecke" und wartet mit unkonventionellen Lösungen zu einem Problem auf. Das kann dazu führen, dass hochbegabte Kinder Gleichaltrigen oft zwei Schritte voraus sind und ohne Zwischenschritte und für den Lehrer auf unerkennbarem Wege zur richtigen Aufgabenlösung finden. Diese wird dann in der Schule oftmals nicht anerkannt, weil der Lösungsweg nicht nachvollziehbar ist. Manchen hochbegabten Kindern wird gar von den Lehrern vorgeworfen, sie würden schummeln und abschreiben.

Ein anderes "Handicap" dieses schnellen Denkens ist, dass es oft zu so banalen Ergebnissen für Aufgabenstellungen führt, dass das Kind denkt, es wäre zu einer falschen Antwort gekommen, da es ja nicht so einfach sein könne. Das hat zur Folge, dass das Kind diese Antwort nicht ausspricht und der Lehrer dann davon ausgeht, es könne die Aufgabe nicht lösen.

Von Lehrern werden diese Zeichen oft falsch gedeutet. Anstatt das Kind in seinen Begabungen zu fördern, werden die Eltern in die Schule bestellt. Dort wird Ihnen dann mitgeteilt, dass das Kind den Anforderungen des Unterrichts nicht gewachsen sei - was einzig und allein daraus geschlossen wird, dass das Kind nicht am Unterricht teilnimmt oder seine Hausaufgaben nicht macht. Viele Eltern werden darauf hingewiesen, dass ihr Kind nur noch den Unterricht stört und oft wird ihnen eine Versetzung des Kindes auf eine andere Schule nahe gelegt.

Es ist leider keine Seltenheit, dass Kinder mit einem extrem hohen Intelligenzquotienten vorwiegend schlechte Noten nach Hause bringen und dann in schulischen Einrichtungen landen, wo ihr Potential dann endgültig erstickt wird.

In unserer Konkurrenzgesellschaft leiden viele Eltern hochbegabter Kinder noch heute darunter, dass Ihnen von neidischen Mitmenschen schnell unterstellt wird, zu viel von ihrem Kind zu verlangen oder es unter enormen und "nicht-kindgerechten" Druck zu setzen. Somit schrecken viele Elternpaare davor zurück, sich nach geeigneten Fördermöglichkeiten für Ihr Kind zu erkundigen - für Eltern minderbegabter Kinder inzwischen fast selbstverständlich. Viele Eltern trauen sich anfangs nicht einmal, ihrer Vermutung, ein hochintelligentes Kind zu haben, nachzugehen.

Doch zum Glück vollzieht sich in den letzten Jahren ein Wandel und ganz allmählich macht sich die Einsicht breit, dass auch hochbegabte Kinder einer speziellen Förderung bedürfen. Die Sensibilität für diese Thematik nimmt bei Eltern, Pädagogen und Bildungspolitikern erfreulicherweise zu. Es werden neue Schulen und Einrichtungen ins Leben gerufen, die die besonderen Fähigkeiten hochbegabter Kinder fördern sollen. Unterstützen Sie Ihr Kind soweit es geht und bieten Sie ihm eine optimal auf seine Begabung ausgerichtete Lernumgebung. Erkundigen Sie sich beim zuständigen Kultusministerium oder bei Beratungsstellen für Hochbegabte nach den verschiedenen Fördermöglichkeiten und -einrichtungen.

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