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Den Drang zum Rauchen dämpfen

Die Sucht nach Tabak ist trotz der längst nachgewiesenen Gesundheitsrisiken weit verbreitet. Langfristig mit dem Rauchen aufzuhören, fällt aber dennoch oft schwer. Nikotinersatzprodukte wie Pflaster und Kaugummis, aber auch E-Zigaretten sollen beim Abgewöhnen helfen. Wie hilfreich sind sie wirklich?
ABO, 29.09.2020

Elektronische Zigaretten gelten als Ausstiegshilfe zur Tabakentwöhnung. Zu Recht?

thinkstock.com, patrisyu

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation rauchten im Jahr 2018 in Deutschland etwa 25 Prozent der Bevölkerung – denn Nikotin ist leicht erhältlich und macht schnell süchtig. Und das mit fatalem Folgen: Schätzungen zufolge trägt das Rauchen weltweit jährlich zu über acht Millionen Todesfälle bei. Um seiner Sucht zu widerstehen, können Raucher heutzutage aber bereits auf eine Vielzahl an Hilfsmitteln zurückgreifen.

Nikotinersatzprodukte wie Hautpflaster, Lutschtabletten, Nasensprays oder Kaugummis dämpfen den Drang zum Rauchen durch die Aufnahme von kleinen Dosen Nikotin. Das reine Nikotin wird in bestimmten Zeitabständen an den Körper abgegeben und lindert so die Sucht nach den herkömmlichen Zigaretten. Die Produkte enthalten zwar die Droge Nikotin, nicht aber die übrigen Giftstoffe einer Zigarette, sodass sie sehr häufig zur Abgewöhnung empfohlen werden.

Geheimnis um Wirksamkeit gelüftet

Ähnlich funktionieren auch elektronische Zigaretten als Ersatz zu den schädlichen Glimmstängeln. E-Zigaretten ahmen im Gegensatz zu Kaugummis und Pflastern die Erfahrung des Zigarettenrauchens nach, weil sie wie Zigaretten in der Hand gehalten werden und einen rauchähnlichen Dampf erzeugen. Anstatt Tabak zu verbrennen, erhitzen sie eine Flüssigkeit, die meist mit Aromastoffen und Nikotin versetzt ist. Der eingeatmete Dampf enthält dadurch deutlich weniger Schadstoffe als der Tabakrauch, versorgt den Raucher aber dennoch mit dem Suchtstoff Nikotin.

Zu welchem der Ersatzprodukte Raucher zur Entwöhnung greifen sollten, war bisher umstritten. Forscher um Jamie Hartmann-Boyce von der University of Oxford haben nun die Wirksamkeit von nikotinhaltigen E-Zigaretten mit anderen Maßnahmen zur Rauchentwöhnung verglichen. Im Vergleich standen dabei insgesamt 50 internationale Studien mit Abgewöhnungsmethoden durch E-Zigaretten ohne Nikotin, nikotinhaltigen Kaugummis und Hautpflastern, therapeutische Unterstützung oder einem Rauchstopp ganz ohne spezielle Unterstützung.

E-Zigaretten besonders erfolgsversprechend

Die Ergebnisse: Drei der Studien untersuchten fast 1.500 Personen, die entweder E-Zigaretten oder Nikotinpflastern oder -kaugummis nutzten. Die Ergebnisse zeigten dabei, dass mehr Menschen für mindestens sechs Monate mit dem Rauchen aufhörten, wenn sie nikotinhaltige E-Zigaretten verwendeten als beim Einsatz der anderen Nikotinersatzprodukte. Während sechs von 100 Personen mit Hilfe einer Nikotinersatztherapie mit dem Rauchen aufhörten, schafften dies zehn von 100 Personen beim „Vaping“.

Ähnliche Ergebnisse erhielten die Forscher in drei weiteren, umfassenden Studien mit knapp 800 Personen, die nikotinhaltige E-Zigaretten mit nikotinfreien E-Zigaretten verglichen. Vier weitere Analysen mit etwa 2.300 Rauchern zeigten auch, dass Menschen, durch das „Vaping“ öfter mit dem Rauchen aufhörten als solche, die eine verhaltenstherapeutische Unterstützung oder gar keine Unterstützung erhielten. Ohne Unterstützung schafften rund vier von 100 Personen den Absprung vom Rauchen, während hingegen zehn von 100 dies mit nikotinhaltigen E-Zigaretten schafften - also mehr als doppelt so viele.

Kein Freifahrtschein für E-Zigaretten

Die Analyse des Forscherteams bestätigt damit, dass die Rauchentwöhnung mit E-Zigaretten offenbar tatsächlich besser klappt: „Die Studie gibt nun eindeutige Hinweise darauf, dass elektronische Zigaretten mit Nikotin die Chancen auf einen erfolgreichen Rauchstopp im Vergleich zu Nikotinkaugummis oder Nikotinpflastern erhöhen können“, fasst Hartmann-Boyce zusammen. „Vaping“ mindert demnach das Suchtpotenzial und verringert die Nikotinaufnahme.

Dennoch reichen die neuen Erkenntnisse noch nicht aus, um eine klare Empfehlung zur Tabak-Entwöhnung mithilfe von E-Zigaretten zu setzen: „Zwar gibt es derzeit keine eindeutige Klarheit über schwerwiegende Nebenwirkungen, aber es besteht eine beträchtliche Unsicherheit was die Nebenwirkung von E-Zigaretten betrifft, vor allem bei längerfristiger Nutzung“, warnt der Experte. „Die wissenschaftliche These lautet, dass E-Zigaretten wesentlich weniger schädlich sind als traditionelle Zigaretten, risikofrei sind sie jedoch nicht.“

Die Gesundheitsrisken von E-Zigaretten sind auch vom Gerät abhängig - mit ein Grund dafür, dass sich Studienergebnisse nur schwer vergleichen lassen.

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Warnung vor Nebenwirkungen

Einige Studien belegen nämlich, dass der Dampf beim „Vaping“ nicht komplett gefahrlos ist: Er kann zellschädigende Stoffe enthalten, die die Mundschleimhaut und Blutgefäße angreifen und sogar krebserregend sein können. Zudem gibt es erste Hinweise darauf, dass der Dampf der E-Zigaretten beispielsweise krankmachende Bakterien im Mund aggressiver macht. Außerdem löst das Rauchen mit elektronischen Zigaretten über bis zu zwei Jahre hinweg nachweislich Reizungen von Rachen und Mund, Kopfschmerzen sowie Husten und Übelkeit aus.

Auch die Aromastoffe im Liquid der E-Zigaretten können gefährlich sein: So legen Zellexperimente eine schädliche Wirkung mancher Aromen auf die Blutgefäße nahe, und zwar selbst in Abwesenheit von Nikotin.

Risiken von Gerät abhängig

Doch die Konzentration ungesunder Substanzen beim „Vaping“ unterscheidet sich von Situation zu Situation. Sie steigt zum Beispiel mit der zunächst langsam zunehmenden Temperatur im Verdampfer an. Doch nicht nur das: Auch der Gerätetyp, die Betriebsspannung sowie das Alter der Zigarette beeinflussen das Gefahrenpotenzial erheblich. Forscher des Berkeley National Laboratory entdeckten beispielsweise, dass ein älterer Verdampfer gesundheitsschädlicher ist und geringe Spannungen und Temperaturen die Zahl an gefährlichen Stoffen verringern können.

„Deshalb sind mehr Studien erforderlich, um zu erfahren, ob die Raten des Rauchstopps durch die Art der verwendeten elektronischen Zigaretten beeinflusst werden können“, erklärt Hartmann-Boyce. „E-Zigaretten entwickeln sich technologisch stetig weiter. Moderne elektronische Zigaretten haben eine bessere Nikotinabgabe als die frühen Geräte, die in den von uns gefundenen Studien getestet wurden.“ Das Forscherteam hofft deshalb, weitere bereits laufenden Studien ab Ende des Jahres neu auswerten zu können.

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